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Neuer Therapiestandard bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Prof. Dr. Hans-Joachim Schmoll
Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Halle (Saale)
Onkologie / Hämatologie / Hämostaseologie
Ernst-Grube-Str. 40
06120 Halle
Tel.: 0345 / 55 729 24
Fax: 0345 / 55 729 50
E-Mail: hans-joachim.schmoll@medizin.uni-halle.de
Internet: www1.medizin.www1.medizin.uni-halle.de/onkologie


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Schwerpunkte

•    Chemotherapie von
    - Magen-, Darmtumoren
    - Neuroendokrinen Tumoren
    - Karzinomen unbekannten Primärtumors (CUP)
    - Hodenkarzinomen
    - gynäkologischen Tumoren
    - Sarkomen

PROTOKOLL

Neuer Therapiestandard bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Lo_Warnk : Was ist ein Adenokarzinom genau? Wie entsteht es und kann man das erfolgreich behandeln?

PROF. SCHMOLL : Es gibt verschiedene Zelltypen im Körper und die Zelltypen von Schleimhäuten sind Adenozellen, in der Regel drüsenbildende Zellen, d. h. Zellen aus drüsenhaltigen Schleimhäuten. Die Bauchspeicheldrüse ist ein klassisches System aus Drüsenzellen, sie produzierte Hormone und Fermente. Hormone z. B. Insulin. Bei den Fermenten handelt es sich um die üblichen Bauchspeicheldrüsenfermente, die man zum Verdauen benötigt. Dementsprechend ist ein Krebs, der in der Bauchspeicheldrüse entsteht, ein Adenokarzinom.

Finch : Ich habe recherchiert, dass es ja wohl doch inzwischen mehrere Behandlungsarten gibt, oder wenigstens unterschiedliche Kombinationen. Was ich allerdings nicht verstehe ist, warum ich immer wieder auf eine Studie stoße die sagt, dass bei Gemcitabin basierte Kombination Gem und Erlotinib besonders gut abschneiden. Geht denn so eine Aussage überhaupt. Muss das nicht auch angepasst werden an die Größe des Tumors und wo er sitzt (was dadurch besonders gefährdet ist)? Das ist mir jetzt eine sehr wichtige Frage. Bei meinem Bruder geht der Tumor in den Gallengang hinein.

PROF. SCHMOLL : Es handelt sich bei der Frage hier offenbar um einen Tumor, der durch eine Operation nicht mehr behandelbar ist und der, wie bei dem Fall zuvor erwähnt, in den Gallengang hineingeht und damit zu einer Gelbsucht führt. Es muss natürlich geprüft werden, ob eine Operation nicht doch möglich und sinnvoll ist. Was natürlich nur dann der Fall ist, wenn der Tumor ganz heraus zu kriegen ist.

rostock : Bei meiner Frau wurde im März Krebs in der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert. Sie ist keine Diabetikerin. Sie wurde operiert, aber die kleinere OP, nicht dieser große Umbau von dem man uns vorher erzählt hat. Es gab drei kleine Metastasen in der Leber, die mit Hitze verschmolzen wurden. Sie hat sich gut erholt und alles ist wie immer. Wie kann man jetzt diesen Zustand möglichst lange erhalten? Gibt es irgendwelche unterstützenden Medikamente dafür?

PROF. SCHMOLL : Zunächst einmal muss man eine Chemotherapie durchführen, da ohne Therapie die Herde wieder wachsen, bzw. neue Herde weiterwachsen. Die Chemotherapie sollte auch unverzüglich beginnen, da es sich offenbar um sehr begrenzte Metastasen in Größe und Anzahl handelt, sollte man eine Kombinationsbehandlung mit entweder Gencetamin + Erlotinib machen oder Gencetamin und Capecitabin (Xeloda). Das Problem besteht vermutlich darin, dass keine messbaren Werte vorliegen, um die Wirkung der Therapie zu kontrollieren. Wenn der Wert für das Eiweiß CA 19-9 erhöht ist, kann man diesen Wert als Verlaufparameter nehmen. Allerdings muss man aufpassen, dass eine Infektion der Gallenwege (was bei dieser Krankheit sehr oft vorkommt) nicht zu einem fälschlicherweise erhöhten der CA 19-9 führt. Eine Alternative wäre, einfach abzuwarten, bis sich neue Herde bilden und erst dann mit der Behandlung anzufangen.

Kleeblatt : Gibt es Chemotherapie geben Bauchspeicheldrüsenkrebs wahlweise als Infusion oder Tablette? Was sind Vor- und Nachteile?

PROF. SCHMOLL : Es gibt beides und beide Medikamente ergänzen sich. Als Tablette gibt es sowohl das Xeloda als auch das Tarceva, als Injektion das Gemcetabin (Gemzar) oder auch Oxaleplatin. Dies sind die vier Standardmedikamente, die man alleine und nacheinander oder in Kombination bei dieser Krankheit gibt. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf Wirksamkeit.

Simo : Wie lang ist die durchschnittliche Überlebenszeit wenn man einen Tumor an der Bauch-speicheldrüse hat?

PROF. SCHMOLL : Die Überlebenszeit ist unglaublich variabel und die Angabe des so genannten Median, d. h. der mittleren Überlebenszeit, hilft dem Einzelnen wenig, weil er nicht weiß, ob er nun zu diesem Median gehört oder ob er eine abweichende Chance hat und zwar im guten wie im bösen Sinne. Das bedeutet, dass die Überlebenschance eher sehr variabel ist und zwar zwischen wenigen Monaten bis zu ein bis zwei Jahren und in manchem Fall auch noch deutlich länger. Wenn man den Durchschnitt nimmt, dann ist die Überlebenschance zwischen einem halben und einem Jahr. Das hängt aber natürlich davon ab, wie weit die Krankheit zum Zeitpunkt der Diagnose vorangeschritten ist. Mit entsprechend besseren Chancen, wenn sie noch in einem frühen Stadium entdeckt worden ist und umgekehrt. Und, wie ich schon vorhin gesagt habe, in einigen Fällen handelt es sich auch um den so genannten neuroendokrinen Tumor, der durchaus nicht nur gut behandelbar sein kann, sondern auch sehr langsam verlaufen kann.

anonym : Welche Erfahrungen hat man mit der Chemotherapie nach Klapdor? Wo liegt der Unterschied zu anderen Chemotherapien?

PROF. SCHMOLL : Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil es keine "magische" Chemotherapie gibt, über die hinaus, die ich vorhin gesagt habe. Ich kenne zwar den Herrn Professor Klapdor, denke aber nicht, dass er über besondere spirituelle Fähigkeiten verfügt, um eine Chemotherapie wirksamer zu machen. Ich würde mich auf gut ausgebildete Onkologen verlassen, von denen es in Hamburg sehr viele gibt.

Smilla : Stadium 4, Fernmetastasen, Lymphknotenbefall. Was bleibt, was geht noch an Behandlung? Ist das nur Armerudern, oder bringt eine Behandlung noch was?

PROF. SCHMOLL : Wenn der Patient noch jünger und nicht schwerstkrank ist, sollte man auf jeden Fall eine Behandlung beginnen, auch wenn nur ein Teil der Patienten wirklich profitiert, kann der Effekt einer kombinierten Chemotherapie durchaus dramatisch sein und zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität und viel wichtiger noch, auch zu einer Verlängerung der Lebenschance beitragen. Da kann man nur sagen: Nur wer wagt, gewinnt! Wenn man es gar nicht erst probiert, dann hat man schon verloren. Es ist durchaus so, dass man in solch einer Situation noch eine Chance hat, den natürlichen Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, also sollte man es versuchen. Ob es wirklich nur beim Armerudern bleibt, wird sich dann herausstellen, aber dann hat man es wenigstens versucht. Das Leben ist zu schade, um es kampflos aufzugeben!

PROF. SCHMOLL : Ich bedanke mich für die zahlreichen interessanten Fragen und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend!

Mandy: Mein Vater hat ein fortgeschrittenes Pankreas CA und seit kurzem Schluckbeschwerden. Metastasen wurden ausgeschlossen, trotzdem wird das immer problematischer. Besteht da überhaupt ein Zusammenhang, oder müssen die Ärzte einfach mal an eine andere Ursache denken?

PROF. SCHMOLL: Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass entweder der Tumor selbst auf den Mageneingang drückt oder auf den Magenausgang am Zwölf-Finger-Darm, was dazu führen kann, dass man nicht mehr wirklich essen kann, da man immer wieder erbricht. Oder noch schlimmer, dass sich was leider häufig vorkommt Tochtergeschwülste im Bauchfell gebildet haben, wodurch der ganze Darm verklebt und es zu schweren Darmbewegungs-störungen kommt. Wenn aber alles das nicht vorhanden ist, aber der Vater schwer schlucken kann, muss man natürlich auch an einen lokalen Prozess in der oberen Speiseröhre denken oder ganz einfach an ein Rücklaufen des Magensaftes in die Speiseröhre, wie bei Sodbrennen. Entsprechend muss man Untersuchungen durchführen, am einfachsten eine Röntgenuntersuchung mit einem Kontrastmittel, das man schluckt oder einer Spiegelung oder einem Computertomogramm.

Krebspatient : Ich hatte erst ungewöhnlich viele Blähungen. Deshalb wurde eine Sonographie gemacht, die ergab irgendwelche Unregelmäßigkeiten bei Organen, aber die Sicht war wohl nicht gut genug. Deshalb musste ich zum CT. Da sah man dann einen kleinen Punkt. Da sagte der Arzt das sei ein Tumor. Dann kam eine Magnetröntgen-Untersuchung, da war dann alles klar. Ich bin operiert und bekomme eine Chemotherapie, aber die Perspektive ist schlecht. Das hat man mir klar gesagt, auch als meine Frau dabei war, was ich eigentlich nicht wollte. Es geht mir eigentlich nicht schlecht und die Vorstellung, dass ich nicht mehr lange leben werde ist nicht real. Woran stirbt man letztlich, welche Schmerzen, welche Funktionen fallen aus. Wie sieht die Verschlechterung bis zum Tod aus?

PROF. SCHMOLL : Das ist eine schwere Frage, weil die individuelle Situation davon abhängt, wie die Krankheit sich entwickelt. Zunächst einmal möchte ich hoffen, dass die Chemotherapie wirksam ist und das Schicksal sich noch möglichst lange hinauszögert. Man muss auch an die Möglichkeit der Strahlentherapie denken, mit der man Lokalherde und auch den lokalen Tumor behandeln kann, wenn es erforderlich ist.

Nevin : Kann man einen Bauchspeicheldrüsentumor so weit unter Kontrolle bekommen, dass er weiter besteht, aber sich nicht weiter ausbreitet?

PROF. SCHMOLL : Leider gehört der Bauchspeicheldrüsenkrebs zu den sehr bösartigen und schnell wachsenden Krebsen, der sich leider auch sehr schnell im Körper ausbreitet. Aber durch Therapien, wie Chemotherapie mit Strahlentherapie, kann man bei einer Reihe von Fällen durchaus eine Stabilisierung erreichen und zum Teil auch für längere Zeit. Es gibt aber auch Patienten, die lange Zeit kein Wachstum haben, vor allem nach einer Chemotherapie, manchmal aber auch ohne. Es kommt zum Glück selten vor, dass es sich um einen klassischen Bauchspeicheldrüsenkrebs handelt, sondern etwas das wir einen neuroendokrinen Tumor nennen, der in der Bauchspeicheldrüse entsteht, aber viel besser beeinflussbar ist und viel langsamer wächst. Darauf müssen wir Ärzte ganz besonders achten, was allerdings viel zu selten gemacht wird, indem man bestimmte Untersuchungen der Biopsie macht. Bei einem solchen neuroendokrinen Tumor ist die Therapie ganz anders, deswegen ist es so wichtig, dass man diesen Tumor erkennt.

Monika12 : Ich trinke jeden Abend ein Glas Rotwein, rauche aber nicht und ernähre mich sonst gesund mit viel Rohkost und Vollkornprodukten. Kann diese Menge Alkohol auf Dauer zu Bauchspeicheldrüsenkrebs führen? Mein Vater erkrankte überraschend daran und verstarb.

PROF. SCHMOLL : Die Frage kann man sehr einfach mit nein beantworten. Es besteht keine Gefahr, zumindest besteht kein übermäßiges Risiko. Im Gegenteil, ein Glas Rotwein kann Ihr Herz schützen.

Dieter : Wo finde ich einen Facharzt zur Diagnose und Therapie einer eventuell Pankreatitis oder, noch schlimmer, eines Pankreastumors im Raum Bielefeld? Wie kann eine nekrotisierende Pankreatitis geheilt werden?

PROF. SCHMOLL : Es handelt sich bisher wohl zum Glück noch nicht um einen Pankreastumor, sondern zum Glück nur um eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, die offenbar aber sehr schwer ist, mit Nekrosen. In der Regel hat so etwas mit Pankreaskrebs nichts zu tun. Dies ist im Einzelfall aber nicht ausgeschlossen. Deswegen muss man sorgfältige Untersuchungen machen, wie eine spezielle kernspintomographische Untersuchung mit Kontrastmitteldarstellung der Gallengänge. Das ist ein Angio-MR. Eine Blutuntersuchung gehört auch dazu mit Bestimmung von CA 19-9. Das ist bei Krebs sehr hoch, kann aber auch bei Entzündungen der Gallengänge und der Bauchspeicheldrüsengänge ebenfalls sehr hoch sein. Ein erhöhter CA 19-9-Wert ist damit nicht eindeutig mit Krebs gleich zu setzen. Die Frage, wer am besten Untersuchungen macht, kann ich nicht beantworten, würde aber empfehlen, in das städtische Bielefelder Krankenhaus zu gehen, da dort sowohl Spezialisten für Magen-Darm-Krebs als auch für Pankreaskrebs vorhanden sind. Der Chefarzt wechselt allerdings gerade, ich kenne den neuen Chefarzt noch nicht. Die Qualität dieser Abteilung ist sehr gut.

Syksa : Einfach nur eine Tablettenchemotherapie zu machen klingt irgendwie leichter. Muss man Tarceva unter Aufsicht beim Onkologen einnehmen, oder geht das auch zu Hause allein?

PROF. SCHMOLL : Tarceva muss man zu Hause einnehmen. Wenn man die Nebenwirkungen kennt, muss man auch nicht ständig zum Onkologen gehen, aber hin und wieder sollte schon einmal das Blutbild bestimmt werden, ebenso wie andere Werte, wie Elektrolyte, Kalium und Natrium, das Entzündungseiweiß CRP, Leberenzyme und die Nierenfunktionsparameter. Dies ist aber alles nur eine einzige Blutabnahme und solange nichts Neues auftritt, muss man auch keine intensiven Untersuchungen machen. Das Ziel der Behandlung ist, dass der Patient möglichst lange ambulant betreut wird und möglichst wenig seiner Lebenszeit beim Arzt oder gar in einer Klinik verbringen muss. Wenn der behandelnde Onkologe ein erfahrener Experte ist, sollte dies auch in der Regel gelingen.

anonym : Ist der Lipase-Wert ausreichend, um daraus die sichere Diagnose Bauchspeicheldrüsen-krebs zu stellen? Welchen Stellenwert hat ein CT bei der Diagnose? Bei meinem Vater blockiert der Krebs (kommt von der Bauchspeicheldrüse) den Gallengang, Er ist dadurch ganz gelb. Das soll jetzt operiert werden. Momentan geht der Chirurg davon aus, dass die Operation nicht diese ganz große OP sein muss, hat aber gesagt, dass wird sich erst während der Operation herausstellen. Wie es dann weiter geht ist unklar. Wird mein Vater dann an einen Onkologen „weitergereicht” oder wie geht das? Was können wir als Familie tun?

PROF. SCHMOLL : Zunächst einmal sollte ein Onkologe vor einer eventuellen Operation eingeschaltet werden und nicht erst hinterher. Es geht darum, dass entschieden wird, ob eine Operation überhaupt Sinn macht oder ob Sie Ihrem Vater mehr schadet als nützt. Eine alleinige Gelbfärbung, muss nicht bedeuten, dass eine Operation durchgeführt werden muss. Das macht wirklich nur Sinn, wenn man auch den Tumor ganz herauskriegen kann. Sollte dies nicht möglich sein, was man durch die Untersuchungen wie Kernspintomogramm erkennen kann, dann kann man diese Gelbsucht viel besser durch entsprechende Drainagen oder Stents in den Griff kriegen, ohne großen Aufwand über eine Darmspiegelung.

Peter2 : Wie wirkt die Kombitherapie mit Erlotinib, wenn bei meinem Vater sechs kleinere und größere Metastasen in der Leber gefunden wurden? Arbeitet die Leber noch richtig, kann sie das Medikament verarbeiten? Kann die Leber dadurch ihre Funktion einstellen?

PROF. SCHMOLL : Ob sie wirkt, kann man nicht vorhersagen. Sechs Metastasen, auch wenn sie größer sind, sind an sich kein Problem für die Funktion der Leber. Das bedeutet, dass die Leber Erlotinib sehr gut verarbeiten kann und die normale Leberfunktion dadurch nicht beeinträchtigt wird. Ich würde somit bei dieser Situation keine Sorgen um die Funktion der Leber und die Wirksamkeit von Erlotinib machen.



Ende der Sprechstunde.


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