Dr. med. Albrecht Kretzschmar
Oberarzt
Klinikum St. Georg in Leipzig
und MVZ Mitte in Leipzig
internistische Onkologie und Hämatologie im Klinikum St. Georg
Delitzscher Straße 141
04129 Leipzig
Tel.:0341 9092350 - 4934
albrecht.kretzschmar@sanktgeorg.de
und
MVZ Mitte; Onkologie und Palliativmedizin
Johannisplatz 1
04103 Leipzig
Tel.: 0341 20053611
Schwerpunkte
Behandlung von soliden Tumoren
Darmkrebs andere gastrointestinale Tumoren
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Wir beginnen um 19 Uhr.
Heiner : Mir wurde gesagt, dass aufgrund besonderer Voraussetzungen ein an sich routinemäßiger Eingriff während einer Darmspiegelung nicht gemacht werden kann. Jetzt soll das der Chirurg machen. Bedeutet das immer auch ein Bauchschnitt? Das macht mir Angst. So wird das Problem beschrieben: Ausgesprochen windungsreiches langes Kolon mit Sigma elongatum u. Schleifenbildung vor allem im Bereich der rechten Flexur, so dass das C. ascendes nicht mehr erreicht werden kann. Vor der rechten Flexur kleines flaches Adenom, welches für eine ambulante Polypektomie zu risikoreich ist. Gibt es keinen anderen Weg?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Ich vermute, dass man bei einer Darmspiegelung einen Polypen an der rechten Flexur entdeckt hat und nun besorgt ist, diesen endoskopisch abzutragen. Möglicherweise sollten Sie sich nochmal bei einem erfahrenen Gastroenterologen vorstellen, zu einer zweiten Meinung, ob nicht doch eine endoskopische Abtragung möglich ist. Eventuell müsste man Sie dazu dann auch stationär aufnehmen. Falls tatsächlich operativ der Befund entfernt werden soll, so ist vermutlich dies auch mit Schlüssellochchirurgie (Laparaskopie), ohne einen großen Bauchschnitt möglich.
Cherokee : Habe einen Rückfall. Ursprünglicher Darmkrebs vor 3 Jahren, volles Programm OP und chemo. Gehen Darm-Metastasen auch ins Zwerchfell? Wie findet man die da? Wie behandelt man jetzt?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Aus Ihrer Frage schließe ich, dass man Metastasen am Zwergfell entdeckt hat, bzw. vermutet. Dies ist in der Tat sehr selten. Vermutlich haben sich die Metastasen direkt über die Bauchhöhle dorthin bewegt und nicht über die Blutbahn, wie dies bei Lebermetastasen, Lungenmetastasen oder Knochenmetastasen der Fall ist. Wenn tatsächlich nur relativ umschrieben Metastasen an einer Stelle vorliegen, so wäre möglicherweise nochmal eine Operation denkbar. Eventuell kommt auch eine Operation in Kombination mit einer Chemotherapie in die Bauchhöhle gegeben in Frage (s. g. HIPEC). Möglicherweise müssten Sie sich hier auch zu einer zweiten Meinung bei einem chirurgisch versierten Zentrum vorstellen.
Tulle : Wie unterscheidet sich die Wirkung einer Chemotherapie und Antikörper? Kann man auf Chemo verzichten, weil Antikörper weniger Nebenwirkungen haben sollen.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Bei der Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs werden zwei Antikörper eingesetzt, die Einfluss auf die Blutgefäßneubildung nehmen (Bevacizumab und Aflibercept)sowie zwei Antikörper, die sich gegen einen Zellrezeptor für Botenstoffe (EGF-Rezeptor) richten (Zetuximab und Panitumumab. Die beiden erst genannten (Antikörper gegen VEGF) werden immer zusammen mit Chemotherapie gegeben und haben sich nicht als alleinige Therapie bewährt. Die EGF-Rezeptor-Antikörper haben eine gewisse Wirkung auch als Monotherapie (ohne zusätzliche Chemotherapie). Allerdings ist auch bei diesen Medikamenten die Kombination mit Chemotherapie sehr viel wirksamer.
K.-H. : Es gibt Krebstherapien, die besonders gut wirken, wenn sie in Kombination mit anderen Substanzen gegeben werden. Ist das auch bei Vectibix so? Momentan bekommt mein Bruder das einzelnen. Kann man die Wirkung evtl. erhöhen durch Zuführen einer oder weiterer Substanzen?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Hier geht es um den gleichen Inhalt wie bei der vorigen Frage. Auch Vectibix (monoklonaler Antikörper gegen den EGF-Rezeptor) ist tatsächlich in Kombination mit Chemotherapie wesentlich wirksamer als alleine. Der Patient sollte die Vor- oder Nachteile einer Kombination mit Chemotherapie mit seinem betreuenden Onkologen besprechen. Ich persönlich verordne praktisch nie die Antikörper ohne gleichzeitige Chemotherapie.
Bella : Ich bin Diabetikerin und auf regelmäßige Blutabnahmen angewiesen. Die soll ich aber nicht mehr machen an der linken Hand, weil ich links einen betroffenen Lymphknoten als Folge von Brustkrebs habe. Besteht wirklich eine Gefahr, wenn ich weiterhin aus den Fingern der linken Hand Blut entnehmen zur Zuckerbestimmung?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Meines Erachtens wird die Anweisung an Patientinnen, bei denen eine Lymphknotenentfernung aus der Achselhöhle erfolgte, dass an diesem Arm kein Blut mehr abgenommen werden soll, deutlich übertrieben. Falls es zu einer Infektion am betroffenen Arm kommt, so kann diese wesentlich schwerer verlaufen als bei belassenen Lymphknoten in der Achselhöhle. Jedoch ist das Risiko, durch eine banale Blutabnahme, sei es aus der Vene oder am Finger für die Zuckerbestimmung als ausgesprochen gering einzustufen. Ich persönlich nehme durchaus bei entsprechenden Patientinnen auch Blut an der betroffenen Seite ab. Lediglich das Platzieren einer Venenverweilkanüle (z. B. Braunüle), die man über mehrere Tage liegen lässt, sollte man tatsächlich vermeiden.
Kalr-Heinz : Mein Vater hat seit kurz über drei Jahren Darmkrebs. Er hat schon mehrere Chemotherapien hinter sich. Das Karzinom im Darm wurde im Dezember 2010 herausoperiert. Er leidet jedoch unter fortgeschrittenen Lebermetastasen. Es wurde bereits eine Leberresektion durchgeführt. Diese hatte jedoch nur einen kurzfristigen Erfolg. Was gibt es für weitere Therapiemöglichkeiten? MfG Karl-Heinz
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Sie schreiben, dass Ihr Vater schon mehrere Chemotherapien hinter sich hat. Hieraus kann ich allerdings nicht schließen, ob er bereits alle wirksamen Substanzen erhalten hat. Eine derartige Beurteilung ist häufig schwierig, da man wirklich wissen muss, ob die Chemotherapieregime (ggf. plus Antikörper) beendet wurden, weil sie versagten oder möglicherweise einfach pausiert wurden oder wegen zu ausgeprägter unerwünschter Wirkungen. Im Allgemeinen gibt es drei bis vier verschiedene Therapielinien. Seit letztem Jahr gibt es zusätzlich eine neue Therapiemöglichkeit mit einem so genannten Tyrosinkinasehemmer (Regorafinib oder Stivarga). Ob, und wenn ja, welche Behandlung für Ihren Vater noch in Frage käme, kann man nur entscheiden, wenn man die gesamten Unterlagen und am besten auch den Patienten sieht. Sollten die aktuellen Behandler keine weitere Möglichkeit mehr sehen und Ihr Vater hat noch einen ausgeprägten Therapiewunsch, so sollte er ggf. einen anderen Behandler in einem größeren Zentrum zur Einholung einer zweiten Meinung aufsuchen. Leider kann ich aus oben genannten Gründen definitiv keine Pauschalempfehlung abgeben, was noch in Frage kommt.
Bunny : Bei mir konnte nicht der gesamte Dickdarm untersucht werden, obwohl der Darm komplett frei war. Muss das stationär gemacht werden oder sollte ich mich an einen anderen, Endoskopiker wenden?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Immer wieder kommt es bei Darmspiegelungen zu der Problematik, dass sich das Gerät nicht komplett bis zum Übergang Dünndarm / Dickdarm vorschieben lässt. Der Erfolg ist tatsächlich ein wenig vom Talent des Untersucherteams abhängig. Unter stationären Bedingungen kann man manchmal den Patienten besser sedieren (milde Form der Narkose). Aber auch dies ist kein Garant für eine komplette Darmspiegelung.
Gellert : Bei einer Koloskopie wurde ein Polyp festgestellt, der aber problemlos sei und auch in einem Jahr entfernt werden könne, hieß es. Mir leuchtet nicht ein, dass ich die Entfernung dieses P. erst in 1 Jr. machen lassen soll, wo mir doch bekannt ist u. auch immer wieder publiziert wird, dass solche Veränderungen so früh wie möglich behandelt werden sollen, um die feingewebliche Untersuchung vornehmen zu können. Was soll das? Ich würde mich sehr über eine Antwort von Dr. Kretzschmar freuen!
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Auch ich würde davon ausgehen, dass man einen entdeckten Polypen relativ zügig entfernen sollte. Ein Intervall von einem Jahr ist meines Erachtens zu lang. Sie sollten noch einmal genau mit dem Untersucher besprechen, was er genau gesehen hat, wofür er das hält und warum er eine Kontrolle bzw. Abtragung erst in einem Jahr vorschlägt.
Halfter : Was für Vorteile bietet es, wenn ein Krebszentrum nach Organen zertifiziert ist? Krebs betrifft den ganzen Körper, eine Abgrenzung ist doch eher kontraproduktiv, oder?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Da nicht alle Zentren tatsächlich die Behandlung von allen Krebsarten anbieten, ist es schon sinnvoll, dass es zertifizierte Darmzentren, Brustzentren, Prostatazentren oder auch Lungenzentren gibt. Natürlich sind dort nur Patienten mit den betreffenden Erkrankungen optimal aufgehoben. Selbstverständlich wird man in einem Brustzentrum oder Lungenzentrum auch Patienten, bei denen die Krebserkrankung in andere Organe im Körper gestreut hat, optimal betreuen können. Ein Patient, bei dem der Ursprungsort der Krebserkrankung noch nicht bekannt ist, sollte hingegen in einer breit aufgestellten onkologischen Abteilung, bei einem niedergelassenen Onkologen oder in einem onkologischen Zentrum behandelt werden.
Ümet : Meine Mutter hatte vor 5 Jahren einen Magentumor. Der wurde wegoperiert, es folgte eine Chemotherapie. Dann hatte sie 4,5 Jahre Ruhe und jetzt hat sie Darmkrebs. Kann man pathologisch feststellen, ob es sich um Metastasen vom Magen handelt, oder um eine ganz neue Krebserkrankung? Hat diese Differenzierung Auswirkungen auf die Therapie? Ich gehe davon aus, dass meine Mutter wieder operiert werden muss und dann geht die Chemo wieder los. Das ist ganz schrecklich und ich wüsste gern, ob sich in den vergangenen 5 Jahren da etwas getan hat, was einerseits hochwirksam aber nicht so schrecklich belastend ist?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Tatsächlich könnte es sich bei einem Krebsbefall am Darm um einen späten Rückfall der Magenkrebserkrankung handeln. Insofern ist es sehr wichtig, dass ein und derselbe Pathologe sich beide Präparate (von vor knapp fünf Jahren und das Darmpräparat von heute) ansieht und sich festlegt, ob zwei Erkrankungen vorliegen. Das Behandlungskonzept ist völlig unterschiedlich, je nach dem, ob es sich um den zitierten Spätrückfall oder aber um eine Zweiterkrankung in Form von Darmkrebs handelt. Falls nun Darmkrebs vorliegt, wird man vermutlich zunächst operieren. Möglicherweise ist eine Chemotherapie gar nicht erforderlich.
Joko : Darmkrebs T4, N1-2, M0, ich bin 51 Jahre alt. Der Tumor wurde operativ entfernt, Pathologie R0, leider waren 3 Lymphknoten befallen. Die Chemotherapie habe ich erfolgreich abgeschlossen. Könnte Dr. Kretzschmar eine Einschätzung dazu machen, ob dadurch evtl. Heilung erreicht werden konnte?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Bei Ihnen wurde Darmkrebs in einem an Ort und Stelle bereits fortgeschrittenem Stadium operiert. Fernmetastasen liegen jedoch nicht vor. Somit besteht schon durch Operation alleine eine realistische Chance auf Heilung. Durch die Chemotherapie (in diesem Falle so genannte adjuvante Chemotherapie) wurde die Chance auf Heilung deutlich gesteigert. Ob Sie persönlich geheilt sind, wissen wir jetzt nicht. Auf jeden Fall ist alles erfolgt, was wissenschaftlich bewiesen ist und Sie sollten nun regelmäßig die Nachsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Durch Nutzung von spezifischen Computerprogrammen oder Tabellen könnte man auch Ihre Heilungschance in Prozent voraussagen. Dies sollte jedoch lieber Ihr behandelnder Arzt mit Ihnen besprechen.
Tochter : Meine Mutter, die in Rumänien behandelt wird, ist 2008 wegen Darmkrebs operiert worden (vorher wurde Tumor bestrahlt). Mutter wurde einen künstlichen Darmausgang verlegt. Nach OP erfolgte Chemobehandlung. Bei Kontrolluntersuchung 2010 wurden Metastasen in Leber entdeckt. Nach eine neuen Chemobehandlung wird sie jetzt mit Vectibix (soll besonders gut und teuer sein, deshalb glaube ich das auch nicht) über ein Portkatheter behandelt. Die Metastasen sind geschrumpft aber nicht verschwunden. Durch die medizinischen Zustände in Rumänien sind wir unsicher und können auch leider keine vernünftige Auskunft erhalten! Hat meine Mutter durch diese Therapie mit Vectibix eine Chance auf Heilung (wenn sie das denn wirklich bekommt)? Wir haben eigenes Geld. Macht es Sinn Mutter hier nach Deutschland zu holen? Vielen Dank für eine Antwort.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Eine schwierig zu beantwortende Frage. Zunächst klingt alles relativ glaubwürdig und würde auch in ähnlicher Form bei uns in Deutschland so laufen. Nur sehr selten hat man - wenn es nach einer Metastasenoperation zu einem erneuten Rückfall gekommen ist - noch einmal die Chance eine Heilung zu erreichen. Möglicherweise sollten sie sich die Behandlungsunterlagen besorgen und zunächst mit diesen einen Experten in Deutschland konsultieren. Ggf. wird man Ihnen dann vorschlagen, tatsächlich auch Ihre Mutter hier vorzustellen.
Sönke : Mein Vater hat 2 kleine Metastasen am Becken ausgehend von Darmkrebs, die auch ziemlich viel Schmerzen verursacht haben. Dann wurden sie bestrahlt und es ging ihm bestens. Wir waren sehr hoffnungsfroh. Leider hielt diese Entlastung nur wenige Wochen an. Jetzt ist alles beim alten. Ist noch mal bestrahlen eine Chance für ihn?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Zumeist wird man bei Darmkrebsmetastasen im Becken bei der Bestrahlung die maximale Dosis anwenden, die überhaupt dort vertretbar ist. Wenn es bereits nach wenigen Wochen oder Monaten zu einem erneuten Rückfall kommt, so ist meines Erachtens eine nochmalige Strahlentherapie nicht sinnvoll. Eine Operation halte ich auch für sehr unrealistisch. Somit bleibt nur die Möglichkeit einer Chemotherapie bzw. kombinierten Therapie aus Chemo und Antikörpern. Falls Ihr Vater noch keine Chemotherapie hatte, so sind die Aussichten, dass man es hiermit zum Besseren wendet, sicherlich sehr günstig. Eine Heilung für immer ist jedoch nicht realistisch.
Petra_Krebs : Wir machen zwischen den Chemos meiner Schwiegermutter mit ihr zusammen im April eine Woche Urlaub. Dafür haben wir extra ein Ziel ausgewählt, wo Sonne ist, weil das ja die Knochen stark machen soll nach dem Winter. Zwei Fragen hätten wir vorher klären sollen, was wir leider nicht bedacht haben. Darf man während einer Chemotherapie überhaupt in die Sonne (Gran Canaria)? Hilft Sonne wirklich, oder ist das alles Hokuspokus? Die Reise ist natürlich auch für die Seele gedacht.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Der letzte Satz Ihrer Frage ist sicherlich der entscheidende Punkt. Eine Reise in den Süden wird sicherlich einen positiven Einfluss auf den Zustand Ihrer Schwiegermutter haben. Ob tatsächlich die Sonne selbst den Körper stärkt, würde ich einmal offen lassen. Sehr wichtig ist zu beachten, dass durch die Chemotherapie und insbesondere, wenn EGF-Rezeptor-Antikörper (Vectibix oder Erbitux) zum Einsatz kamen, ein sehr ausgeprägter Sonnenschutz durch entsprechende Cremes erfolgen sollte.
Dicky : Der Darmkrebs hat sich bei meiner Frau schon Organe ausgebreitet. Vorrangig in Leber und Oberbauch. Eine Chemo hatte sie schon, jetzt soll sie eine weitere bekommen. Kann man nicht eine Chemotherapie für alle Metastasen bekommen? Wirken die nur partiell? Ich kann das gar nicht glauben. Jetzt muss die da wieder durch. Gibt es keine andere Möglichkeit?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Tatsächlich wirkt eine Chemotherapie oder auch Kombination aus Chemotherapie und Antikörpern auf alle Metastasen, die man sieht und sogar welche, die man nicht sieht. Wenn die Erkrankung nach einer Chemotherapie oder gar während diese noch läuft, erneut wieder auftritt bzw. fortschreitet oder sich neue Metastasen zeigen, so heißt das, dass die Erkrankung gegen diese Chemotherapie resistent ist. Durch einen Wechsel der Chemotherapie kann man häufig noch einmal eine Verbesserung erzielen. Ob im Falle Ihrer Frau etwas anderes als Chemotherapie in Frage kommt, kann man nur entscheiden, wenn man alle genauen Details kennt.
Winner : Was ist mit der Kombination von Capecitabin (Xeloda®) und Oxaliplatin (XELOX) Welche Chancen bietet diese Behandlung? Der Wirkstoff Capecitabin war beim ersten Chemo-Block meiner Frau nicht erfolgreich. Kann der Wirkstoff jetzt in Verbindung mit Oxaliplatin doch noch wirksam arbeiten? Oder wäre es besser etwas ganz andres zu versuchen?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Wenn Capecitabin alleine nicht zum Erfolg führt, so ist es durchaus erfolgversprechend Capecitabin und Oxaliplatin kombiniert einzusetzen. Noch wirksamer ist die Kombination, wenn sie mit dem Antikörper Bevacizumab (Avastin) kombiniert wird und möglicherweise wäre auch eine ganz andere Chemotherapie (Irinotecan) ggf. kombiniert mit 5FU und ggf. ergänzt durch Antikörper, eine erfolgversprechende Möglichkeit. Wie so oft bei diesen Fragen, ist eine verbindliche Antwort kaum möglich, wenn man nicht wirklich jedes Detail kennt.
Jolle : Kann ich mich darauf verlassen, dass ich gegenwärtig keinen Krebs habe, oder sollte zur Sicherheit noch eine weitere Untersuchung stattfinden? Hier die Beschreibung aus meinem Bericht. Mir ist schon klar, dass da was nicht in Ordnung ist. Aber wie weitreichend ist das: Die anale Symptomatik ist durch den R.-Prolaps u. das Häm.leiden bedingt. Proktologisch-chir. Therapie. In 1 Jahr Kontrollkoloskopie mit Polypektomie . Habe ich da eine Vorstufe von Darmkrebs?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Konkret sind ein Rektumprolaps und Hämorrhoiden keine Krebsvorstufen. Wenn Sie gewissenhaft untersucht wurden und die Kollegen Ihnen bestätigt haben, dass Sie keine Krebsvorstufen gesehen haben, so halte ich dies schon für sehr verlässlich. Eine 100 %ige Sicherheit für die Zukunft kann natürlich niemals garantiert werden.
Iftan : Es gibt die kostenlose Vorsorgemöglichkeit einer Darmspiegelung, ich glaube ab 50. Aber nur alle 10 Jahre. Habe ich darauf öfter Anspruch, wenn in meiner Familie schon mehrere Mitglieder an Darmkrebs erkrankt, oder verstorben sind? Was kostet eine Darmspiegelung zirka, wenn ich die auf eigene Kosten in kürzeren Abständen die Untersuchung machen lasse?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Die Darmkrebsvorsorgekoloskopie, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, steht Versicherten ab dem 55. Lebensjahr zu. Tatsächlich wird bei vollkommen unauffälligem Befund eine Wiederholung erst nach 10 Jahren empfohlen. Wenn es in Ihrer Familie mehrere Darmkrebserkrankungen gab, so fallen Sie jedoch in eine andere Risikogruppe und sollten tatsächlich möglichst schnell eine Vorsorge-Darmspiegelung durchführen lassen. Sprechen Sie mit einem Gastroenterologen. Ich bin relativ sicher, dass es gelingen wird, die Untersuchung durchzuführen, ohne dass Sie hierfür die Kosten tragen müssen. Sollte tatsächlich in Ihrer Familie familiärer Darmkrebs vorliegen, so haben Sie selbstverständlich Anspruch auf engmaschigere Koloskopien.
Sagalov : Vielleicht ist die Frage schon gestellt worden, aber ab welchem Alter ist es sinnvoll sich durchchecken zu lassen mit Koloskopie, bin 35 männlich. Da trennen sich die Meinungen. Die Frage kommt mir ziemlich mickrig vor im Gegensatz zu den wirklich wichtigen Fragen anderer Teilnehmern, aber sie ist wichtig für mich. Danke.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Wie gerade eben ausgeführt, wird die Vorsorgekoloskopie bei Menschen ohne eine familiäre Häufung von Darmkrebs ab dem 55. Lebensjahr empfohlen und von der gesetzlichen Versicherung bezahlt. Ist man selbst etwas besorgt, so ist meines Erachtens eine Durchführung schon ab dem 50. Lebensjahr sinnvoll. Dann müsste jedoch mit dem Untersucher vorher besprochen werden, unter welcher Begründung die Untersuchung durchgeführt wird. Eine Vorsorgekoloskopie bei unter 45-Jährigen, die keine Risikofaktoren, wie z. B. die entsprechende Familiengeschichte mitbringen, ist nicht sinnvoll. Natürlich kann auch ein 30-Jähriger ohne jegliche Familiengeschichte an Darmkrebs erkranken. Dies ist jedoch insgesamt so extrem selten, dass es nicht angemessen wäre, in diesem Lebensalter Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen.
K-Neuper : Kann man anhand von statistischen Werten sagen wie hoch meine Chancen sind geheilt zu sein nach meiner Darmkrebs OP ohne Chemo? Die sei nicht erforderlich, weil klar lokal begrenzt in gesundem Gewebe geschnitten wurde. Die Klassifizierung war Stadium I. Das Ganze liegt jetzt 6 Monate zurück.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Die Heilungschance ist höher als 90 %. Um es ganz genau zu sagen, müsste man noch einige weitere Angaben haben, so genanntes Grading, genaues T-Stadium (T1 / T2). Auswendig weiß ich dies ohnehin nicht und müsste Tabellen bzw. einschlägige Computerprogramme zu Hilfe nehmen.
OST : Wir sind immer um diese Zeit bis April in Spanien. Man hat das Gefühl es gibt Zeiten, wo besonders viel berichtet wird über bestimmte Krankheiten. Momentan lesen wir in Zeitungen und Zeitschriften häufig über das Darmkrebsrisiko. Durch die vielen Berichte bin ich aufgeschreckt und meine Frau und ich möchten auch eine Spiegelung machen lassen. Was ist besser, sofort hier machen lassen (Mallorca), oder warten bis wir im Frühjahr wieder in Deutschland sind?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Über die Qualität und Versiertheit der Gastroenterologen, die auf Mallorca Darmspiegelungen durchführen, bin ich nicht im Bilde. Ich würde eher dazu neigen, die Untersuchung in Deutschland durchführen zu lassen. Möglicherweise gibt es jedoch bei Ihnen vor Ort durchaus brillante Kollegen, die zur Vorsorge-Koloskopie in der Lage wären.
Rump : Mein Vater hat Darmkrebs T3G2L1N1M1. Der eigentliche Tumor wurde vor gut einem Monat entfernt. Die Chemotherapie kann leider erst später beginnen wenn die Wunde verheilt ist, weil er einmal nachoperiert werden musst. In wieweit ist die noch nicht perfekt verheilte Wunde ein Hindernis für den Beginn der Therapie? Bedanke mich für eine Antwort.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Die Tumorformel, die Sie genannt haben, weist ein M1 auf. Dies bedeutet, dass Metastasen vorliegen. Möglicherweise sind die Metastasen auch mit wegoperiert worden. Mir ist nicht klar, ob eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden soll (zum jetzigen Zeitpunkt keine Metastasen nachweisbar) oder ob eine palliative Chemotherapie begonnen werden soll. Wann die Wundheilung soweit fortgeschritten ist, dass man mit einer Chemotherapie beginnen kann, ist nur von dem Behandler selbst zu entscheiden. Man kann hier keine pauschale Antwort in Wochen geben.
Hein_Klar : Nach der Operation ist für meine Frau momentan eine konventionelle Chemotherapie mit Irinotecan geplant. Nach meiner Kenntnis könnte jedoch Capecitabin gleich von Anfang an eingesetzt werden, mit geringeren Nebenwirkungen. Wäre das eine Möglichkeit?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Ihre Angaben kann ich nicht richtig einordnen. Wenn eine Chemotherapie mit Irinotecan geplant ist, so liegen bei Ihrer Frau vermutlich Metastasen vor. Man kann Irinotecan mit allen verfügbaren Antikörpern kombinieren und auch gut mit 5-FU. Eine Kombination aus Irinotecan und Capecitabin ist zwar prinzipiell möglich, führt aber etwas häufiger zu Durchfall. Die verschiedenen Möglichkeiten, die in Frage kommen, sollten Sie mit dem Behandler besprechen, der Ihnen sicher gerne die Vor- und Nachteile von Capecitabin erläutern wird.
Lorli : Folgende Diagnose, bin 53 Jahre alt, die ich leider nicht verstehe und gern dafür Hilfe hätte. Sigmacarcinom c18, 6G Sigmaresektion (K63.8Z) pT4N2 (13/25) L1V1ROG2. Kann man aus diesen Kürzeln eine Perspektive ableiten und auch welche Behandlungsart die erfolgversprechendste ist?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Die von Ihnen mitgeteilte Tumorformel sagt, dass der Tumor im so genannten S-Darm weit fortgeschritten war. Dreizehn Lymphknoten waren bereits von Krebszellen befallen. Ich weiß nicht, ob möglicherweise auch Fernmetastasen vorliegen. Dies würde durch das große M in der Tumorformel ausgedrückt, das kommt aber in Ihrer Tumorformel nicht vor. Insofern ist eine Aussage zur weiteren Behandlung und zur Prognose für mich nicht möglich. In jedem Falle wird doch der Operateur einen Onkologen hinzugezogen haben und man wird Ihnen eine Behandlungsstrategie erläutert haben. Sollte dies nicht der Fall sein, so muss dies umgehend erfolgen.
Birger : Seit der Darmkrebsoperation und ihrer ersten Chemotherapie hat meine Frau starken Durchfall. Sie mochte nicht mehr aus dem Haus gehen und hatte radikal abgenommen. Das war dann irgendwann in einem kritischen Bereich. Jetzt hatte sie einen Rückfall und bekommt einen Antikörper basierend auf Panitumumab. Müssen wir damit rechnen, dass dieser ganze Kram jetzt in gleicher Stärker wieder von vorn losgeht oder besteht die Hoffnung, dass die körperlichen Reaktionen weniger gravierend sind, weil das ja wohl keine Chemo ist oder?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Auch Panitumumab alleine gegeben, ohne Chemotherapie, kann zu Durchfall und anderen unerwünschten Wirkungen führen. Ich kann aus Ihrer Frage nicht schließen, ob die erwähnte Chemotherapie auch gegen Metastasen gerichtet war, ob sie geholfen hat und was jetzt genau an Behandlung läuft. Sie sollten unbedingt all diese Fragen Ihrem behandelnden Onkologen stellen. Haben Sie hier kein Vertrauen oder bekommen Sie nicht die richtigen Antworten, so sollten Sie unbedingt einen anderen Kollegen zur Einholung einer zweiten Meinung aufsuchen.
GüntherL-10 : Gibt es eine Therapie nach der Darmkrebsoperation bei der meine Frau nicht ihre Haare verliert? Ich weiß, das klingt oberflächlich, aber diese Haare bedeuten ihr unendlich viel. Sie würde wesentliche Teile ihrer Persönlich beraubt, denn sie hat wunderschöne Haare bis zu den Hüften.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Möglicherweise steht bei Ihrer Frau jetzt eine so genannte adjuvante Chemotherapie an. Dies bedeutet, dass man nach der Operation eine Chemotherapie gibt, um die Chance auf Heilung zu vergrößern. Hierbei kommen entweder 5-FU oder aber Capicitabin zum Einsatz oder eine Kombination aus einem der beiden Medikamente, zusammen mit Oxaliplatin. Bei all diesen Therapien ist das Risiko für einen kompletten Haarausfall relativ gering. Ein geringer bis mäßiger Haarausfall muss allerdings in Kauf genommen werden. In jedem Falle sollte Ihre Frau Ihre Sorge vor Haarausfall unbedingt mit dem Behandler besprechen. In speziellen Fällen kann man auch durch Kühlung der Kopfhaut während der Chemotherapie das Risiko für Haarausfall nochmals verkleinern. Aus oben angesprochenen Gründen kommt das Verfahren bei Darmkrebsbehandlungen allerdings nur selten zum Einsatz.
Ricky : Mein bester Freund ist noch keine 40 und hat Darmkrebs mit Metastasen in der Leber. Die Leber ist kurz davor ihre Funktion einzustellen. Ich habe gehört, dass es anders als bei Nieren ganz schwierig ist die Lebertätigkeit künstlich aufrecht zu erhalten. Kann sich eine so schwer geschädigte Leber regenerieren? Kommt ein Krebspatient für eine Transplantation überhaupt in Frage? Was bleibt für ihn?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Sie haben völlig Recht, dass die Leberfunktion nicht durch ein Leberersatzverfahren - wie bei der Dialyse - gestützt werden kann. Wenn aufgrund von Metastasen die Leberfunktion bereits hochgradig beeinträchtigt ist, so ist auch der Einsatz von starken Kombinationschemotherapien mit Antikörpern heikel und nur in der Hand von sehr erfahrenen Behandlern angemessen. Eine Lebertransplantation kommt für Darmkrebspatienten definitiv nicht in Frage. Die einzige Option wäre der Einsatz einer Chemotherapie, falls noch eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit übrig ist.
Traudel : Stimmt mein Eindruck , dass zwar neue Erkenntnisse gibt, aber in der Sache kommen die Forscher nicht nennenswert voran? Ab und zu werden ganz kleine Erfolge ganz groß medial abgefeiert. Nur den Patienten bringt das herzlich wenig. Ich hatte gehofft, dass die Genforschung uns weiterbringen würde, aber da scheint bei Krebs bisher auch nichts drin zu sein. Bleibt Krebs die unbesiegte Geissel der Menschen?
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Sie haben schon Recht, dass die einzelnen Fortschritte, die wir bei der Krebsbehandlung machen, relativ klein sind. In jüngster Zeit gab es einige sehr eindrucksvolle Fortschritte bei Lymphdrüsenkrebs bzw. Leukämien. Vor 20 Jahren setzten wir große Hoffnungen in die Gentherapie. In Bezug auf Krebs hat sich diesbezüglich jedoch kein fassbarer Fortschritt ergeben. In letzter Zeit gibt es jedoch bemerkenswerte Fortschritte auf dem Gebiet der Immuntherapie bzw. Zelltherapie. Hierbei wird der körpereigenen Abwehr auf die Sprünge geholfen, indem man das Abwehrsystem stärkt, den Krebs als Feind zu erkennen und zu bekämpfen. Besonders erfolgreich ist diese Strategie bisher beim Melanom (schwarzer Hautkrebs). Auf dem Gebiet Darmkrebs stecken wir hier leider noch in den Kinderschuhen.
DR. MED. ALBRECHT KRETZSCHMAR: Ich danke den Teilnehmern für die vielseitigen interessanten Fragen. Ich bitte um Verständnis, dass konkrete Antworten bei komplexen Einzelfällen, wie mehrfach in den Antworten angegeben, nahezu unmöglich sind, ohne den Fall und den Patienten zu kennen.
Ende der Sprechstunde.