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Fatigue bei Krebspatienten - Therapie verbessert Lebensqualität

Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH
Dr. med. G.-Andre Banat
Leitender Oberarzt der Hämatologie & Onkologie
Medizinische Klinik und Poliklinik IV
35392 Giessen
Tel.: 06 41 / 9 94 26 55
Terminvergabe: 06 41 / 9 94 23 76
Fax: 06 41 / 9 94 26 99
E-Mail: A.Banat@innere.med.uni-giessen.de

Schwerpunkte:
•    Hämatologische und onkologische Neubildungen
•    Moderne, innovative Therapiekonzepte (Teilnahme an nationalen und internationalen Studien)
•    Wissenschaftliche Begleitprogramme
•    Moderne diagnostische Verfahren und Behandlungen insbesondere:
 - Leukämien
 - Lymphome
 - Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
 - chronische lymphatische Leukämie (CLL)
 - Plasmozytom
 - Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)
 - Kolorektalkarzinom (dickdarmkrebs)
 - Sarkome (Weichteiltumore)
 - Fatigue und Blutarmut
 - seltene immunologische Phänomene

Spezialsprechstunde
Dr. med. G.-Andre Banat
Dienstags, donnerstags, freitags jeweils 09.00 – 15.00 Uhr

PROTOKOLL

Fatigue bei Krebspatienten - Therapie verbessert Lebensqualität

stake7 : Leidet jeder Krebspatient an dieser enormen Erschöpfung, das heißt glaube ich, Fatigue?

DR. BANAT : Nicht jeder Krebspatient leidet an Fatigue, statistisch gesehen sind es ca. 80 %.

Dieterröben : Was ist eine tumorbedingte Anämie?

DR. BANAT : Tumorbedingte Anämie ist der Zustand einer Blutarmut, welcher durch das Tumorleiden, das Stadium des Tumors, die allgemeine Organfunktionen hervorgerufen wird.

anonym : Ist das Erkrankungsbild der Fatigue auf Krebspatienten beschränkt, oder gibt es das auch bei oder nach anderen Krankheiten/Therapien?

DR. BANAT : Hierzu muss man unterscheiden zwischen dem chronischen Fatigue-Syndrom und dem Tumor-Fatigue-Syndrom. Das chronische Fatigue-Syndrom kann auch bei Nichtkrebs-patienten auftreten, während man alle Zustände, welche unter dem Begriff Fatigue genannt werden, bei Krebspatienten unter die Definition Tumor-Fatigue-Syndrom stellt.

anonym : Bekomme seit 4 Monaten einmal in der Woche Epoetin beta gespritzt. Seither geht es bergauf und ich bin wieder belastbar. Diese Behandlung soll aber nur ca. 20 Monate fortlaufen. Ich habe große Angst, dass dann meine Kräfte wieder schwinden. Was bewirkt diese Therapie? Kurzfristige Verbesserung oder führt das zu dauerhafter Genesung?

DR. BANAT : Ich darf voraussetzen, dass die Epoetin-Beta-Behandlung, welche bei Ihnen derzeit durchgeführt wird, in Begleitung einer Tumortherapie stattfindet. Falls das so ist, und die Tumortherapie beendet wird, müsste sich auch Ihr Blutsystem ohne die zusätzlichen Spritzen auf dem anvisierten Niveau befinden. Inwiefern das Fatigue-Syndrom oder die körperliche und mentale Schwäche nach Abschluss einer Tumor-Therapie anhält, ist nicht vorauszusagen. Beschrieben wird, und meine Erfahrung zeigt, dass bei ca. 30 bis 40 % der Krebspatienten ein sog. chronischer Erschöpfungszustand selbst mehrere Jahre nach Behandlungsende noch anhält, wobei die Patienten angeben, körperlich und geistig nicht in der Lage zu sein zu arbeiten. Hierbei sollte man jedoch beachten, dass die Unterstützung durch die Epo-Präparate lediglich dann durchgeführt werden sollte, wenn eine tumor- oder therapiebedingte Blutarmut als Ursache des Fatigue-Syndroms vorliegt. Der andauernde chronische Erschöpfungszustand (Fatigue) nach Beendigung der Therapie oder nach Tumorheilung findet dann nicht mehr die Blutarmut in seiner Ursache. Hierbei wären psychosoziale Therapieangebote wie Entspannung oder Ernähungstherapie sowie Bewegung und Sport zur Therapie dieses Zustandes zu empfehlen. Hierbei möchte ich auch auf die hervorragende Arbeit in Sachen Information und Empfehlung auf die Deutsche Fatigue Gesellschaft (www.deutsche-fatigue-gesellschaft.de) hinweisen.

anonym : Einige dieser Symptome treten auch bei Depression auf, was kann man da machen? Hilft da auch ein Antidepressivum?

DR. BANAT : Die Depression kann ein Symptom des Fatigue-Syndroms sein, welche aber dann empfehlenswerter Weise nicht einzeln durch ein Medikament versucht werden sollte zu behandeln. Es nützt nichts, wenn wir durch ein Antidepressivum zwar die Depression beeinflussen, uns jedoch zusätzliche Müdigkeit und Unlust einkaufen. Bei Vorliegen von endogenen Depressionen haben wir es natürlich auch mit ähnlichen Symptomen wie beim Fatigue-Syndrom zu tun, der Unterschied besteht jedoch eindeutig in der Ursache, während wir als Hauptursache der tumorbedingten oder tumortherapiebedingten Fatigue die Blutarmut haben und auch bei einem großen Teil der Patienten mit Korrektur dieser Blutarmut einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität bekommen, sind die endogenen Depressionen nicht durch die Zugabe eines Epo-Präparates therapierbar. Falls endogene Depressionen so stark vorliegen, dass eine körperliche und geistige Arbeit (Management des Alltags) nicht mehr möglich sind und es keine weitere Ursache der endogenen Depression gibt (Familie, Finanzen etc.), ist eine Therapie mit einem Antidepressivum sicherlich nicht ganz zu verwerfen.

anonym : EPO??? Das ist doch ein Dopingmittel im Leistungssport, oder? Ich wusste gar nicht, dass das ein Medikament ist! Wie heißt das denn richtig und was macht dieses EPO bei Krebspatienten?

DR. BANAT : Epo ist die Abkürzung für Erythropoietin, ein physiologischer Stoff, welcher in der Nebenniere eines jeden Menschen (falls keine Störung vorliegt) gebildet wird. Dieses Erythropoietin ist sozusagen ein Stimulanz der roten (Erythrozyten) Blutbildung. D. h. mit dem Erythropoietin ist es möglich, die roten Blutzellen zu vermehren. Da jede rote Blutzelle eine gewisse Kapazität aufweist, Sauerstoff zu binden, habe ich mit mehr roten Blutzellen mehr Sauerstoff gebunden. Daher ist es für den Leistungssport attraktiv. Bei Krebspatienten hingegen haben wir durch den Tumor oder durch die Tumortherapie ein Absinken der roten Blutzellen (Blutarmut), welches wir durch die Gabe von Erythropoietin ausgleichen können.

Hilda : Ich habe bereits 3 x Transfusionen bekommen. Das hat auch geholfen, aber der Effekt blieb nicht lange. Jetzt soll ich eine Therapie mit Erythropoietin bekommen. Ich weiß noch nicht, ob das der Name von dem Medikament ist oder der Substanzname. Mir wurde gesagt, dass dadurch aber auch Nebenwirkungen ausgelöst werden können. Die habe ich durch meine Chemo schon genug. Ist so eine Behandlung wirklich sinnvoll?

DR. BANAT : Mit den Bluttransfusionen haben Sie immer einen kurzfristigen Anstieg der roten Blutzellen und des Hämoglobinwertes. Auf längere Sicht gesehen heißt das, dass Sie durch mehrere Transfusionen einen wellenförmigen Verlauf Ihrer Sauerstoffbindungskapazität haben. Durch die Epo-Präparate hingegen kommt es zu einem kontinuierlichen Anstieg, die Schwankungen fallen weg. Auf der anderen Seite haben Sie durch die Bluttransfusionen Risiken, z. B. infektiös (Hepatitis C 1 : 100.000, Unverträglichkeitsreaktionen, die sog. Hämosiderose (Eisenspeicherkrankheit ab ca. 40 - 50 Blutbeuteln), welche dann wirklich Folgeerkrankungen und Folgetherapien hervorruft. Die Nebenwirkungen der Epo-Präparate hingegen sind äußerst gering, und beschränken sich fast nur auf die lokale (Haut)Einstichstelle. Allergische Reaktionen oder gar Antikörperbildungen sind äußerst selten, ich habe persönlich in den letzten 10 Jahren nur einen Patienten gesehen.

Tarak : Welche Symptome deuten auf Fatigue hin? Was ist normale Belastungserscheinung, was ist Fatigue?

DR. BANAT : Es gibt ca. 10 Diagnosekriterien, welche das Tumor-Fatigue-Syndrom beschreiben. Hierzu gehört die allgemeine körperliche Schwäche, das verminderte Konzentrationsvermögen, das verminderte Interesse an der Ausübung körperlicher Aktivitäten, Schlafstörungen oder Schlaflosigkeit, der Schlaf ohne Erholung, die Anstrengung zur Überwindung einer Inaktivität, emotionale Irritationen oder auch Depressionen, kognitive Dysfunktionen (z. B. reduziertes Kurzzeitgedächtnis), eine überhöhte Erschöpfung (durchaus auch über mehrere Stunden) nach normaler körperlicher Anstrengung sowie auch die sexuelle Unlust.

wieding : Bei mir liegt die Chemotherapie nach Brustamputation schon 5 (!) Jahre zurück und ich habe nie wieder zu meiner alten Form gefunden, obwohl ich als geheilt gelte. Gibt es dafür einen Grund? Mein behandelnder Arzt meint, das sei nach wie vor der Schock oder Lebensangst. Kann das sein?

DR. BANAT : Es ist durchaus so, dass bis zu 40 % der Krebspatienten in einen sog. chronischen Erschöpfungszustand, selbst mehrere Jahre nach Behandlungsende anhaltend, gelangen. Dieser Erschöpfungszustand macht die Teilnahme am Alltag, inklusive der Arbeit, schwieriger. Zusätzlich ist sicherlich die Angst vor dem Wiederkommen des Tumors bei jedem Patienten allgegenwärtig. Von diesem psychischen Druck ist es sicherlich schwierig, sich frei zu machen. Manche sind dafür mehr empfänglich, manche weniger. Um zu seiner alten Form wiederzugelangen, können Dinge wie Gesprächstherapien, Entspannungs-therapie, Ernährungsumstellungen, Bewegung oder Sport empfohlen werden. Ein 100 %iges Versprechen kann man jedoch nicht geben. Wenn man jedoch nicht den Versuch startet, die Dinge persönlich zu bessern, kann man auch keine Besserung erwarten.

Ellerhold : Was haben Zytokine mit Fatigue zu tun?

DR. BANAT : Was Zytokine mit Fatigue zu tun haben, ist heute noch ungeklärt. Insbesondere die Blutarmut ist ein wesentlicher Faktor für das Entstehen einer Fatigue-Symptomatik. Daneben vermutet man immunologische, metabolische und zytokinvermittelte Prozesse. Der genaue Zusammenhang zwischen einer möglichen Zytokinausschüttung durch Tumoren und dem Fatigue-Syndrom sind bis dato noch nicht aufgezeigt.

Dieter : Ich wurde 1997 erfolgreich von Plasmozytom geheilt. Ich wurde beim ersten Mal autolog und beim zweiten Mal allogen transplantiert. Seit dieser Behandlung ist meine Lebensqualität auf einen Tiefstand gesunken. Die meisten behandelnden Mediziner gehen von psychisch bedingten Problemen aus, ich teile diese Meinung nicht uneingeschränkt und vermute, dass meine eingeschränkte Lebensqualität ihre Ursache in den Begleiterscheinungen der Behandlung hat. Ich bin in psychologischer Betreuung und kann keine Änderung feststellen. Besteht die Möglichkeit, dass ich an Fatigue leide und welche Behandlungsansätze gibt es? Ich bedanke mich bereits im Voraus für Ihre Bemühungen.

DR. BANAT : Zu allererst freue ich mich sehr darüber, dass Sie als einer der wenigen Patienten erfolgreich von einem Plasmozytom befreit worden sind! Die Therapie, welche Sie durchlaufen haben mit einer Eigen- und einer Fremdtransplantation, ist sicherlich sehr heftig gewesen. Daraus folgert sich auch, dass die Nebenwirkungen einer solchen maximalen Therapie nicht zu vernachlässigen sind. Ich teile durchaus Ihre Meinung, dass die zurückgebliebene eingeschränkte Lebensqualität direkt in Bezug zu den ehemaligen Therapien steht. Die psychologische (besser wäre psycho-onkologische) Betreuung, welche Sie begonnen haben, ist unterstützenswert. Falls Sie dadurch keine positiven Erkenntnisse gefunden haben, kann es vielleicht auch in der Beziehung zwischen Patient und Therapeut liegen. Für mich persönlich ist die Empfehlung, sich auf andere Dinge im Leben zu konzentrieren, wie z. B. einen Sport, durch welchen man auf andere Gedanken kommt und vor allen Dingen andere Ziele entdeckt, immer eines meiner primären Empfehlungen. Ansonsten ist, außerhalb der psychologischen Betreuung und der Abwechslung oder Konzentration auf einen Sport, die Behandlung des therapieindizierten Fatigue-Syndroms äußert schwierig. Sicherlich ist der lapidare Satz: "Seien Sie froh, dass Sie die Tumorerkrankung überlebt haben", nicht angebracht, jedoch gilt die Beurteilung eines halbvollen Glases und nicht eines halbleeren als ein Grundstein, um mit diesem Problem umgehen zu lernen.

anonym : Ist EPO eigentlich auch ein richtiges Antidepressivum (SSRI-Hemmer)?

DR. BANAT : Nein.

PeterLampke : Eklatanter Eisenmangel im Blut, regelmäßige Bluttransfusionen bringen keinen dauerhaften Erfolg. Krebs besiegt aber zu schwach zum Leben. Hat der Experte eine Lösung?

DR. BANAT : Hierbei wäre wichtig zu wissen, ob Sie derzeit noch an einem Eisenmangel leiden. Eisenmangel wird normalerweise nicht durch Bluttransfusionen behandelt. Charakteristisch für den Eisenmangel ist neben dem geringen Eisenspeicherwert (Ferritin) hauptsächlich die Größe der roten Blutzellen (MCV). Falls es sich um einen Eisenmangel handelt, sollte auch versucht werden, die Ursache zu finden, häufig in Blutungen im Darmbereich. Falls es sich am Ende um eine Eisenaufnahme- oder -verwertungsstörung handelt, wäre der Versuch mit einem oralen Eisenpräparat (Tabletten) einzugehen. Handelt es sich jedoch um einen therapiebedingten Eisenmangel (unter laufender Therapie), ist sicherlich die Bluttransfusion, aufgrund ihres hohen Eisengehaltes, ein probates Mittel. Falls Sie jedoch die Krebstherapie schon abgeschlossen haben und immer noch unter Eisenmangel und demnach auch Blutarmut leiden, muss die Ursache gefunden werden. Nochmals wiederhole ich, dass die eisenmangelbedingte Blutarmut nicht durch Bluttransfusionen therapiert werden sollte. Handelt es sich jedoch um eine Blutarmut ohne Eisenmangel, nach Abschluss der Tumortherapie (länger als ein Vierteljahr her), muss auch hier nach der Ursache gesucht werden. Es gibt auch die Möglichkeit, dass die eigene Epo-Produktion erlahmt ist. Hier wäre dann die Therapie mit einem Epo-Präparat zu empfehlen.

Ziegler : Ich habe vor 4 Wochen mit einer Therapie mit Erythropoietin begonnen. Eigentlich sollte schon eine Erhöhung meiner Blutwerte nach 14 Tagen sichtbar sein, sagt mein Arzt. Jetzt habe ich gedacht, die Dosis zu erhöhen, aber das will mein Arzt nicht, was spricht dagegen. Gibt es da Grenzwerte und was passiert dann?

DR. BANAT : Der Unterschied zwischen den einzelnen Epo-Präparaten, welche auf dem Markt zugelassen sind, hinsichtlich der durchschnittlichen Zeit bis eine Erhöhung der Blutwerte (HB-Wert) auftritt unterscheidet sich nicht sehr. Minimum muss man jedoch 8 bis 10 Wochen einplanen. Abhängig davon, welche Dosis Sie zur Zeit und welches Präparat und in welchem Abstand spritzen, kann man danach (wenn die 8 bis 10 Wochen vorbei sind) einen Versuch starten, die Dosis zu erhöhen. Häufig, oder zumeist, ist es jedoch, wenn man mit der empfohlenen Dosis im empfohlenen Intervall begonnen hat, nicht effektiv, die Dosis zu steigern.

Kirsten_Paterny : Bin wegen Anämie schon zweimal ins Krankenhaus aufgenommen worden wegen Transfusionen. Das ist sehr schwer für meinen Mann, weil wir niemanden für die Kinder haben. Letztlich hilft es auch nicht lange. Wann reguliert sich diese unglaubliche Erschöpfung. Wenn ich zu Hause bin, kann ich wenigstens auf die Kinder aufpassen. Das wäre schon eine Erleichterung.

DR. BANAT : Leider kann ich aus Ihrer Fragestellung nicht ersehen, was der Grund der Anämie ist. Handelt es sich hierbei um eine tumorbedingte oder tumortherapiebedingte Blutarmut? Es wäre sicherlich, auch wenn Sie derzeit nicht therapiert werden, aber an einem Tumorgeschehen leiden, die Therapie mit einem Epo-Präparat dringlichst empfohlen.

Ardahan : Wie eingreifend ist die Verabreichung von EPO? Kann man das als Nicht-Krebspatient zur Leistungssteigerung nehmen? Bin in schwieriger beruflicher Situation und kämpfe um meinen Arbeitsplatz.

DR. BANAT : Die Epo-Präparate sind empfohlen und zugelassen lediglich für die tumortherapiebedingte oder tumorbedingte Blutarmut. Ein Einsatz außerhalb dieser Empfehlungen ist medizinisch nicht vertretbar. Außerdem birgt ein unkontrollierter Einsatz von Epo-Präparaten (deshalb haben die Leistungssportler auch ihre Spezialärzte) viele Risiken. Eine zu starke Erhöhung des Hämoglobinwertes führt dann zu einem Eindicken des Blutes mit der Möglichkeit nachfolgend Herzinfarkt oder Hirnschlag zu erleiden.

Makosch : Ab welchem Alter kann man EPO-Spritzen bekommen?

DR. BANAT : Theoretisch gesehen profitieren ältere und jüngere Patienten in gleichem Maß von einer Epo-Therapie. Daher sollte bei vorliegender Indikation auch kein Unterschied gemacht werden. Lediglich sollte die Dosis, falls das Körpergewicht von "dem Normalgewicht eines Erwachsenen" deutlich abweicht, individuell angepasst werden. Bei Kindern ist eine Epo-Therapie nur zur Korrektur der Blutarmut bei chronischer Niereninsuffizienz zugelassen. Nicht jedoch bei tumorbedingter Blutarmut.

anonym : Was ist mit den vielen Hochleistungssportlern, die angeblich alle Asthma haben und deshalb eine besondere Therapie erhalten und jetzt haben sie alle erhöhte HG-Werte. Die nehmen doch EPO, wie das bei Armstrong festgestellt wurde. Offenbar kann man das zur Leistungssteigerung nehmen. Baut das auch Muskeln auf? Wie kommen die da ran?

DR. BANAT : Hochleistungssportler, welche an Asthma leiden, eine chronische verengende Lungenkrankheit, benutzen normalerweise nicht Epo, sondern Cortison. Auch Cortison kann den HB-Wert erhöhen. Sicherlich ist die mögliche Leistungssteigerung durch ein erhöhtes Sauerstoffangebot im Muskel verlockend. Ein Muskelaufbau per se kommt dadurch nicht zustande. Versorgt man jedoch einen Muskel unter Trainingsbedingungen mit ausreichender Energie und hat ein höheres Sauerstoffangebot zur Verfügung, so ist natürlich der Muskel auch zu einer höheren Leistung fähig, was dann auch den Muskelaufbau fördert. Ich persönlich habe kein Epo-Reservoire in meinem Kühlschrank, insofern kann ich Ihnen auch nicht beantworten, wie man daran kommt. Des Weiteren ist es unheimlich schwierig, trotz modernster Methoden, ein Epo-Doping nachzuweisen. Der Markt bietet immer wieder neue Substanzen und die Kontrollverfahren hinken etwas hinterher. Das soll jedoch einen Otto-Normal-Verbraucher nicht dazu animieren, ein Epo-Präparat zu benutzen. Wie erwähnt, sind die Risiken höher als der Nutzen.

anonym : Welche Alternativen gibt es zu EPO?

DR. BANAT : In der Behandlung der tumorbedingten oder tumortherapiebedingten Blutarmut gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Bluttransfusion, 2. Epo-Präparate. Der Hauptunterschied der beiden Therapiemöglichkeiten besteht in der Konstanz, einen anvisierten Zielwert zu erreichen. Während die Bluttransfusion schwankende Blutwerte hervorruft, vermag die Epo-Therapie konstante Werte zu produzieren. Ein weiterer Unterschied sind sicherlich die Kosten. Für Langzeitbehandelte (lange Krebstherapie oder nicht heilbarer Tumor) jedoch muss man beachten, dass die möglichen Nebenwirkungen einer Bluttransfusionstherapie auch kostenträchtige Nebenwirkungen hervorrufen können. Bei einer Umfrage jedoch, um ein Beispiel für die Höhe der Therapiekosten zu nennen, bei der die Tumorpatienten befragt worden sind, wieviel sie bereit wären, privat für die Vorteile der Epo-Therapie zu bezahlen, kam man auf eine durchschnittliche Bereitschaft, die lediglich ein Fünftel der tatsächlichen Kosten decken würde.

anonym : Welche Patienten dürfen EPO aus welchen Gründen nicht nehmen?

DR. BANAT : Normalerweise gibt es für Patienten, welche an den Erkrankungen leiden, die mit einer Epo-Therapie-Empfehlung einhergehen, keine Einschränkungen. Lediglich sollte man bei Patienten den Zielwert, welcher zwischen 12 und 13 g/dl liegt, nicht überschreiten. Dies könnte zu einer Eindickung des Blutes führen mit einem deutlich gesteigerten Risiko für Thrombosen, Herzinfarkte oder Hirnschlag.

Hanssen : Es ist es normal, dass ich (41) mich noch 7 Monate nach der letzten Chemo (Gebärmutter) immer wieder hinsetzen oder hinlegen muss? Kann ich ernährungsmäßig was machen?

: DR. BANAT

meerblau : Ich hatte 1988 (mit 18 Jahren) einen Morbus Hodgkin, der mit Chemo und Bestrahlung behandelt wurde. 2004 hatte ich ein papilläres SD-Ca, das mit OP und Radiojodtherapie behandelt wurde. Medizinisch gesehen scheint alles ok zu sein. Nur bin ich oftmals antriebslos und erschöpft (nunmehr seit Jahren). Eine Anämie besteht nicht. Antidepressiva habe ich erfolglos versucht. Eine Psychotherapie habe ich ebenfalls hinter mir, eine Reha auch. Wie diagnostiziert man eine Fatique? Wie grenzt man sie von einer Depression ab (mein Psychiater sagt, ich hätte keine typische Depression)? Was kann ich tun, damit es mir endlich besser geht. Außer ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und Sport??? Das hilft bisher nämlich gar nicht.

DR. BANAT : Die Diagnosekriterien der Fatigue sind allgemeine körperliche Schwäche, vermindertes Konzentrationsvermögen, wenig Interesse an Aktivitäten, Schlafstörungen oder Schlaf-losigkeit, Schlaf ohne Erholung, emotionale Irritationen, reduziertes Kurzzeitgedächtnis, überproportionale Erschöpfung nach körperlicher Anstrengung, sexuelle Unlust und die Anstrengung zur Überwindung von Inaktivität. Man spricht von einem Fatigue-Syndrom, was tumor- oder tumortherapiebedingt ist, wenn mindestens fünf dieser Symptome erfüllt sind. Eine Depression hingegen hat meistens eine Ursache aus dem sozioökonomischen Bereich und beeinflusst normalerweise weder das Kurzzeitgedächtnis noch die körperliche Kapazität. Insgesamt sind bei ehemaligen Tumorpatienten, welche nicht mehr an einer Anämie (Blutarmut) leiden, die Übergänge jedoch fließend. Ernährung und Sport sowie eine psychologische Betreuung scheinen von Ihnen schon versucht worden zu sein. Die Ursache dieser Erschöpfung und Antriebslosigkeit, falls erst nach dem zweiten Tumorleiden aufgetreten, scheint dann eher nicht direkt mit der Tumortherapie in Zusammenhang zu stehen. Es könnte jedoch durchaus möglich sein, dass die Angst vor einem erneuten oder einem wieder auftretenden Tumorleiden hier federführend ist. Man kann, außer der Bewegungsförderung des Sportes sowie auch einer stabilen und glücklichen zwischenmenschlichen Beziehung, leider keine definitiv erfolgssichere Therapieempfehlung geben.

Peter_Lange : Meiner Frau hat keiner gesagt, dass man evtl. etwas gegen die Erschöpfung tun kann. Diese Information habe ich im Internet recherchiert. Jetzt fragt man sich: Ist die Information unseriös oder warum hilft der Arzt meiner Frau nicht?

DR. BANAT : Falls Ihre Frau an einer Krebserkrankung leidet und damit verbunden eine Krebstherapie erhält und sich hierbei eine Blutarmut als Ursache des Erschöpfungszustandes entwickelt hat, ist sicherlich etwas dagegen zu tun. Die Informationen, die Sie möglicherweise über Epo-Präparate aus dem Internet erhalten haben, sind nicht unseriös. Ob es neben den ökonomischen Gesichtspunkten, die sicherlich die gesamte Gesellschaft betreffen, noch andere Ursachen gibt, weshalb Ihr behandelnder Arzt Ihre Frau über diese Möglichkeit nicht aufgeklärt hat, vermag ich aus meiner Position nicht einzuschätzen.

Kellermann : Nach einem Brusttumor (entfernt), wurde meine Frau zunächst bestrahlt. Weil bereits Lymphknotenbefall war, kam noch, ziemlich unerwartet, eine Chemotherapie hinzu. All dies liegt jetzt 9 Monate hinter uns. Eigentlich könnte das Leben sich normalisieren. Meine Frau kann aber den Alltag nicht bewältigen. Sie ist immer erschöpft. Mein Arbeitgeber war sehr verständnisvoll (in der heutigen Zeit!), aber seine Geduld geht zu Ende. Eltern/Schwiegereltern wohnen weit weg. Ich muss meine Familie wirtschaftlich absichern, aber meine Frau bekommt es nicht hin mit den Kinder 10/12 J. Jetzt wurde ihr Eisenwert unersucht, der liegt kurz über 7, was wohl nicht genug ist. Sie soll jetzt Epoetin beta (NeoRecormon®) bekommen. Können wir hoffen, dass sich dadurch etwas ändert?

DR. BANAT : Falls der von Ihnen angesprochene Eisenwert den Hämoglobinwert wiedergibt, ist er mit 7 deutlich erniedrigt. Dass dieser Wert jedoch neun Monate nach der Chemotherapie bei einem sonst gesunden Menschen diesen Wert annimmt, ist nicht erklärbar. Falls es sich jedoch um einen Eisenwert handelt (Eisenspiegel im Blut), würde es sich um eine Eisenmangelsituation handeln. Diese Eisenmangelsituation kann durchaus nach solchen Therapien auftreten und wäre mit der Gabe von Eisentabletten zu behandeln. Vorher sollten die Ursachen gesucht werden. 80 % der Eisenmangelsituationen entstehen durch chronische Blutverluste, besonders im Darmbereich (muss man mit bloßem Auge nicht erkennen). Handelt es sich, wie schon vorhin angesprochen, jedoch um den Hämoglobinwert, würde hier eine deutliche Blutarmut vorliegen, die sich nicht durch die neun Monate zurückliegende Therapie erklären lässt. Hier sollte unbedingt nach der Ursache gesucht werden. Die Ursache kann sicherlich auch in dem eben diskutierten Eisenmangel bestehen. Sie sollten Ihren Arzt genau mit diesen Fragen aushorchen und es sich solange erklären lassen, bis Sie es verstehen. Zu dem Therapieversuch mit Epo-Beta (Neo Recormon) kann ich unter den von Ihnen genannten Informationen keine Stellung nehmen.

Güldenpeng : In Großbritannien werden neue platinhaltige Chemotherapeutika geprüft, die weit weniger giftig und verträglicher sein sollen als die bisher eingesetzten Wirkstoffe. Kann man als Krebspatient hoffen, dass diese Medikamente in absehbarer Zeit auch beim Patienten ankommen, und damit auch Nebenwirkungen geringer werden, oder vielleicht ganz ausgeschaltet werden?

DR. BANAT : Eine Chemotherapie ohne eine Nebenwirkung wird es nie geben, denn alles, was eine Wirkung hat, hat auch eine Nebenwirkung. Es gibt auch auf dem deutschen Markt platinhaltige Chemotherapeutika, welche deutlich weniger Nebenwirkungen haben als die ursprünglichen platinhaltigen Medikamente.

Bäwe : Wir wohnen auf dem Land und mein Mann muss, wenn er Chemo bekommt, immer weit fahren bis in unser Krankenhaus. Das strengt ihn sehr an. Kann man das nicht ein wenig vereinfachen? Ich meine, eine Infusion müsste doch jeder praktische Arzt geben können.

DR. BANAT : Nur ausgebildeten Krebstherapeuten (Onkologen) ist es in unserem Land erlaubt, Chemotherapien zu verordnen und durchzuführen. Dies hat rechtliche Hintergründe. Leider bleibt Ihnen also nichts anderes übrig, als ins Krankenhaus zu fahren oder einen niedergelassenen Onkologen (in einer Praxis) zu finden, welcher vielleicht zu Ihnen nach Hause kommt.

Niels_Becker : Bekomme EPO nach Darmkrebs, Geht mir gut, aber ich habe erheblich zugenommen. Ist das normal?

DR. BANAT : Außer gelegentlichem Anstieg des Blutdruckes und in seltenen Fällen Kopfschmerzen gibt es keine beschriebenen vegetativen Nebenwirkungen von Epo. Vor allem sehe ich keinen Zusammenhang zwischen einem Epo-Präparat und einer Gewichtszunahme.

anonym : Kommt die ausreichende Produktion roter Blutkörper von selbst wieder in Gang?

DR. BANAT : Nach einer abgeschlossenen Chemotherapie und die dadurch entstandene Produktionseinschränkung der roten Blutkörperchen sollte nach Abschluss der Therapie nach einer gewissen Latenz (2 bis 3 Wochen) die Produktion der roten Blutkörperchen wieder in Gang kommen.

clausmester : Chemotherapie in Tablettenform – ist das eine realistische Vorstellung? Ich meine, so etwas einmal gelesen zu haben, oder ist da die Belastung für den Magen-Darm-Trakt zu groß und richtet mehr Schaden an, als Nutzen?

DR. BANAT : Es gibt heutzutage tatsächlich schon einige chemotherapeutische Wirkstoffe, welche in Tablettenform vorliegen. Da es sich jedoch bei den meisten Tumoren, jedenfalls im heilenden Ansatz, um Mehrfachtherapien handelt (zusammengesetzt aus mehreren Chemotherapeutika oder auch Antikörpern), macht eine alleinige Tablettentherapie nur im palliativen Ansatz heutzutage Sinn. Jedoch lässt sich so eine Tablettentherapie auch gut mit einer Infusionstherapie kombinieren, was dann eventuell die Besuchsanzahl und die gesamten Nebenwirkungen vermindert. Z. B. gibt es gerade in der Behandlung von Dickdarmtumoren diesen Therapieansatz. Im palliativen Therapieansatz (lebensverlängernd) sind einige Tablettentherapien heutzutage durchaus im Hinblick auf ihre Wirksamkeit mit den Infusionen vergleichbar. Sie haben eine deutliche Komfortabilität.

Jessica_Weilandt : Wie stellt sich das im Preisvergleich dar: Regelmäßige Bluttransfusionen oder NeoRecormon? Mir ging es mit den Transfusionen nicht entfernt so gut wie jetzt. Aber das Medikament soll abgesetzt werden. Ich fasse es nicht. Habe gedacht, dass ich in Kürze wieder arbeiten könnte und sehe jetzt dafür keine Chance mehr, wenn ich damit aufhören soll. (bisher knapp 5 Monate)

DR. BANAT : Die Indikation des Epo-Präparates richtet sich nach der derzeitigen Tumorausprägung und der Tumortherapie. Falls Sie als geheilt gelten, Ihre Tumortherapie abgeschlossen haben und die Blutwerte eine Normalität erreicht haben, ist wirklich die Fortführung der Epo-Gabe nicht mehr empfohlen. D. h. vom Gesetzgeber nicht mehr unterstützt. Falls Sie einmal wöchentlich 30.000 Einheiten NeoRecormon erhalten haben, beläuft sich eine Fertigspritze ungefähr auf EUR 500,00. Eine Bluttransfusion hingegen ist sicherlich deutlich billiger, auch wenn man alle Begleitkosten (Blutspender, Personal, Beutel etc.) einkalkuliert. Falls Sie jedoch sich noch innerhalb der Tumortherapie befinden oder noch an einer Tumorerkrankung leiden, gäbe es keinen Grund, die erfolgreiche Therapie abzusetzen. Falls Sie mit Ihrem Hämoglobinwert schon das Ziel zwischen 12 und 13 g/dl erreicht haben, könnte man die Therapie in ihrer Frequenz oder Dosis reduzieren.

DR. BANAT : Hiermit bedanke ich mich herzlichst bei allen Teilnehmern für die äußerst interessanten Fragen und hoffe, dass ich durch meine Antworten weiterhelfen und etwas Licht ins Dunkle bringen konnte. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend!



Ende der Sprechstunde.


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