Moderator : Weitere Informationen erhalten Sie auch hier: Alzheimer-Hilfe, Postfach 70 08 33, 60558 Frankfurt, Alzheimer-Hilfe Hotline 0180/33 666 33 (EUR 0,09 pro Minute), montags bis freitags, von 8 bis 20 Uhr, Internet: www.alois.de
anonym : Wenn man im Internet recherchiert, bekommt ja viel Interessantes zu der Krankheit zu lesen. Man bekommt einen guten Eindruck, aber so richtig bringt uns das nicht weiter, deshalb begrüßen meine Frau und ich die Möglichkeit dieser Sprechstunde sehr. Unsere persönliche Frage wäre folgende: Wie viele der bekannten Anzeichen - ca. 10 haben wir recherchiert - müssen zusammentreffen, dass man von einem Anfangsverdacht auf Alzheimer ausgehen kann? Kann man die Krankheit irgendwie aufhalten oder verlangsamen?
PROF. MEINS : Zehn Anzeichen sind doch ein bisschen viel. Der Anfangsverdacht auf eine Alzheimer-Krankheit oder eine ganz ähnliche Krankheit ist begründet, wenn innerhalb von ein bis zwei Jahren eine eindeutige Vergesslichkeit eingesetzt hat und diese voranschreitet. Zusätzlich fallen oft noch Persönlichkeitsveränderungen auf. Der Betreffende wirkt irgendwie verändert, unsicherer, wortkarger und sich vielleicht auch stärker zurückziehend.
Nostra : Welche Nebenwirkungen hat Aricept?
PROF. MEINS : Meistens ist Aricept gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen treten während der ersten Behandlungstage auf in Form von Magendrücken und leichter Übelkeit. Das bessert sich jedoch meist nach einigen Tagen. Einige Patienten leiden unter Wadenkrämpfen.
Liebchen : Was weiß man wissenschaftlich darüber, ob Alzheimer abhängig ist von grundsätzlichen psychischen Voraussetzungen. Das betrifft ja gegenwärtig die Kriegsgeneration, die traumatisiert wurde im Krieg. Sind negative Erlebnisse dieser Art mit ein Auslöser?
PROF. MEINS : Alzheimer scheint durchaus abhängig zu sein von grundsätzlichen psychischen Voraussetzungen, aber nur in dem Sinne, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden sind, z. B. Menschen, die einen besonders hohen Neurotizismuswert haben, also besonders emotional labil und eher weniger belastbar sind.
anonym : Meine Mutter hat leider keine Pflegestufe, sondern gilt nur als Zustand, der Betreuung braucht. Als die Aggressionen immer stärker wurden, haben wir sie kurzentschlossen in die Notfallaufnahme in die psychiatrische Abteilung der Uniklinik Frankfurt gebracht. Dort wurde sie mit Medikamenten eingestellt und das war und ist ein großer Segen. Wir kommen jetzt wieder klar mit Mutter. So lange es eben geht. Meine Frage wäre, ob es für die weiteren Stufen weitere Medikamente gibt?
PROF. MEINS : Zur Beantwortung dieser Frage wäre es natürlich sehr hilfreich zu wissen, welche Medikamente Ihre Mutter denn jetzt bekommt. Es gibt aber ein Medikament, welches zugelassen ist zur Behandlung der mittelschwer bis schweren Demenz, nämlich Memantine. Das bedeutet aber nicht, dass man in fortgeschrittenen Demenzstadien automatisch die bisherige Medikation absetzen bzw. ersetzen soll. Das ist immer eine Einzelfallentscheidung des behandelnden Arztes.
Klara : Wie lange kann man mit der Alzheimer-Krankheit noch leben?
PROF. MEINS : Die durchschnittliche Lebenserwartung nach dem ersten Auftreten von Alzheimer-Symptomen beträgt sieben bis neun Jahre. Es gibt aber auch Fälle, wo es nur zwei Jahre gedauert hat und Fälle, bei denen es 22 Jahre gedauert hat. Weil die Alzheimer-Krankheit meistens ältere Menschen betrifft, sterben diese in der Regel nicht an der Alzheimer-Krankheit, sondern an im Krankheitsverlauf auftretenden anderen Erkrankungen, z. B. Herzinfarkt oder Krebserkrankungen.
Moderator : Weitere Informationen erhalten Sie auch hier: Alzheimer-Hilfe, Postfach 70 08 33, 60558 Frankfurt, Alzheimer-Hilfe Hotline 0180/33 666 33 (EUR 0,09 pro Minute), montags bis freitags, von 8 bis 20 Uhr, Internet: www.alois.de
Johann : Ganz klar denke ich immer öfter darüber nach, ob mich das auch mal betreffen kann. (Vater hat Alzheimer) Vorbeugen, ist das möglich?
PROF. MEINS : Es gibt beeinflussbare und nicht beeinflussbare Risikofaktoren. Nicht beeinflussbar ist die genetische Ausstattung und das Alter, beeinflussbar hingegen sind die folgenden Risikofaktoren: Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, Übergewicht, fettreiche und fischarme Ernährung, wenig körperliche Bewegung, geringe geistige und soziale Aktivität. Auch Rauchen ist ein Risikofaktor. Zum Thema Alkohol: Mäßiger Alkoholgenuss, also 0,5 l Bier oder ein Glas Wein pro Tag, vermindert eher das Risiko.
mateo : Ich bin der Meinung, dass meine Eltern nicht die notwendige Aufmerksamkeit bei ihrem langjährigen Hausarzt bekommen. Meine Mutter hat mehrfach auf das schlechte Erinnerungsvermögen meines Vaters hingewiesen. Mit dem Resultat, dass ihr gesagt wurde, sie solle sich ihm einfach liebevoll zuwenden, er würde halt auch älter. Die Fakten werden völlig verkannt. Andererseits sind die Symptome nicht so stark, dass ich dort mit hingehen könnte. Das würde mein Vater nämlich sehr merkwürdig finden. Eine schwierige Situation für mich. Was raten sie uns?
PROF. MEINS : Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder abzuwarten und nichts zu tun, oder aber zu einer anderen Institution zu gehen, also entweder zu einem entsprechenden Facharzt oder zu einer Gedächtnisambulanz. Die entsprechenden Adressen erhält man z. B. von einer lokalen Gruppe der Alzheimergesellschaft.
anonym : Wie lange dauert die Alzheimer-Krankheit?
PROF. MEINS : Die Alzheimer-Krankheit dauert von den ersten Symptomen bis zum Tode im Mittel sieben bis neun Jahre. Mit Abweichungen nach oben und unten.
Radi : Lieber früher oder möglichst spät fremde Pflege-Hilfe einbinden?
PROF. MEINS : Die Frage möchte ich einmal ganz persönlich beantworten: Ich glaube, die meisten Menschen, dazu gehöre auch ich, möchten nicht gerne, dass fremde Personen an ihnen bestimmte Verrichtungen ausführen, weil das doch einen erheblichen Eingriff in die Intimsphäre darstelle. Deshalb bin ich eher für eine späte Pflegehilfe, allerdings kann es sinnvoll sein, wenn man sozusagen aus taktischen Gründen schon frühzeitig eine fremde Pflegekraft einbindet, um einen persönlichen Kontakt herzustellen. Das ist besonders dann sinnvoll, wenn man begründet befürchten muss, dass eine fremde Pflegekraft auf erhebliche Ablehnung stoßen würde, wenn ihr Einsatz unabwendbar geworden ist.
Jölle : Meine Mutter ist am Ende mit ihrer Kraft und völlig verzweifelt. Sie kommt einfach nicht mehr an unseren Vater heran, er erkennt keinen von uns mehr und reagiert total unverständlich. Nun beginnt auch noch die Inkontinenz. Meine Eltern sind 43 Jahre verheiratet und meine Mutter will ihn nicht in ein Heim geben, aus Loyalität. Außerdem ist das auch ein finanzielles Problem. Wo finde ich Hilfe für uns alle?
PROF. MEINS : Für jedes Problem gibt es nur eine bestimmte Anzahl von Lösungen. Ich fürchte, hier gibt es nur eine Lösung und das ist der Umzug in ein Heim. Wenn dieser Schritt nicht gegangen werden kann, dann ist es so und das Problem ist dann nicht lösbar.
Jodi : Welche Rückschlüsse kann der Hausarzt aus dem MMSE-Test ziehen? Ich weiß von meiner Freundin, dass dieser Test von einem Facharzt ausgeführt werden sollte. Stimmt das?
PROF. MEINS : Nein, der Test kann durchaus auch von einem Hausarzt durchgeführt werden. Bei dem MMSE-Test handelt es sich um einen so genannten Screening-Test, also ein Abschneiden unterhalb eines bestimmten Wertes begründet zumindest den Verdacht auf eine Demenz. Ein schlechtes Abschneiden bestätigt meist das Vorliegen einer Demenz. Solange es keine plausiblen anderen Erklärungen für das schlechte Abschneiden gibt, also z. B. eine erhebliche Sehstörung.
anonym : Was ist dran an dieser "Entdeckung" dass Schmerzmittel in Verbindung mit Vitamin C + E Alzheimer verhindern soll?
PROF. MEINS : Also mir ist nicht bekannt, dass speziell die Verbindung Alzheimer verhindern soll. Bekannt ist aber, dass bestimmte Schmerzmittel das Risiko, später an Alzheimer zu erkranken, vermindern. Ob das auch für Vitamin E gilt, ist umstritten. Die Datenlage ist widersprüchlich. Für Vitamin C gibt es noch weniger wissenschaftliche Hinweise in dieser Richtung.
Sorge : Mein Schwiegervater bekommt durchblutungsfördernde Mittel. Andererseits sagen meine Recherchen im Internet, dass Alzheimer-Patienten möglichst früh Aricept erhalten sollten, um möglichst viel Eigenständigkeit zu erhalten. Wann ist nun wirklich der richtige Zeitpunkt? Woran bemisst sich das Stadium der Erkrankung bei meinem Schwiegervater? Wenn er die Jacke falsch knöpft, oder gibt es da objektive Kriterien?
PROF. MEINS : Es gibt zwei Kriterien, um das Erkrankungsstadium festzulegen. Das eine bezieht sich auf die geistige Leistungsfähigkeit, also z. B. das Abschneiden in einem wie eben benannten Test, dem MMSE. Das andere Kriterium bezieht sich auf die Selbständigkeit im Alltag, also z. B. Anziehen, Ausziehen, Essenszubereitung. Aber auch anspruchsvollere Dinge wie Einkaufen oder auch eine Urlaubsreise zu planen. Das leichte Demenzstadium wird dann verlassen, wenn derjenige nicht mehr in Lage ist oder wäre, ein überwiegend selbständiges Leben zu führen. Daraus ergibt sich, dass der Einsatz von solchen Medikamenten wie Aricept möglichst frühzeitig, also bei noch weitgehend erhaltener Selbständigkeit erfolgen sollte.
Nendza : Ist es richtig erst mit 5mg Aricept zu beginnen, damit man später noch mal steigern kann, oder besser gleich mit 10 mg anfangen, weil der Effekt größer ist? Bei uns in der SH gibt es da ganz unterschiedliche Meinungen und ich habe das Gefühl, das hängt ausschließlich vom Arzt ab.
PROF. MEINS : Grundsätzlich fängt man mit 5 mg an und erhöht bei guter Verträglichkeit nach vier Wochen auf 10 mg. Von dieser Erhöhung nimmt man nur Abstand, wenn schon unter 5 mg leichte, aber noch tolerable Nebenwirkungen bestehen, oder aber es zu Beginn der Behandlung zu ganz erheblichen Nebenwirkungen gekommen war.
Kara : Gibt es einen Zeitpunkt, wenn der Wechsel in ein Pflegeheim, die geringste mögliche Belastung bedeutet für unseren Vater?
PROF. MEINS : Es gibt zwei Zeitpunkte. Der erste kommt leider oft nicht in Betracht, weil meistens der Patient nicht mehr in der Lage ist, selbst zu entscheiden. Dennoch ist es nicht selten möglich, dass ein Patient mit Beginn der Alzheimer-Krankheit sich ganz bewusst für einen Umzug entscheidet, zwar nicht in ein Pflegeheim, aber doch in ein Seniorenzentrum mit der späteren Möglichkeit, später auf eine andere Station zu wechseln. Der zweite Zeitpunkt ist von Fall zu Fall variabel und wird im Wesentlichen bestimmt durch die versorgenden Angehörigen. Meistens ist deren Kraft erschöpft, wenn zu den zahlreichen vorhandenen Problemen entweder erheblich aggressives Verhalten und / oder eine Inkontinenz hinzukommt. Ein anderes Kriterium ist noch, ob derjenige seine eigene Wohnung überhaupt noch als solche erkennt. Wenn das nicht mehr der Fall ist, dann wird der Wechsel in ein Pflegeheim für ihn wahrscheinlich eine geringere Belastung darstellen.
Knust : Ich weiß aus dem Krebsbereich, dass immer mehr Medikamente plötzlich auch in anderen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden können. Nun gibt es ja eine ganze Menge neuer Stoffe gerade im Nervenbereich. Hat man da schon geguckt, ob bei den Therapien von Epilepsie oder so auch was bei Alzheimer wirkt? Dann muss man ja nicht immer alles komplett neu entwickeln und käme da vielleicht schneller voran.
PROF. MEINS : Auch bei der Alzheimer-Krankheit wird dieser Ansatz verfolgt, hat aber bisher nicht so recht zu wirklich guten Ergebnissen geführt. Bisher kann man noch kein Medikament, welches für andere Krankheiten zugelassen ist, wirklich gut begründet für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit empfehlen. Das gilt auch für Antiepileptika.
anonym : Gibt es Forschungsansätze für Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin und wie die Stoffe alle heißen, ob die mit Alzheimer zu tun oder Einfluss darauf haben?
PROF. MEINS : Ja, diese Forschungsansätze gibt es und gab es. Letztlich kommt es bei der Alzheimer-Krankheit zu einer Verminderung nahezu aller Botenstoffe im Gehirn. Aber praktikable therapeutische Ansätze haben sich daraus bisher nicht entwickelt, abgesehen von dem Acetylcholin.
Kahnes : Wir haben vor drei Jahren unsere Eltern bei uns im Haus aufgenommen. Sie haben einen eigenen Bereich, aber dennoch ist die Belastung der Familie insgesamt, sehr spürbar. Damit wir nachts wieder zur Ruhe kommen, haben wir meine Mutter überreden können, meinem Vater Schlafmittel zu geben. Sie hat verschiedene ausprobiert, aber eigentlich haben die einen gegenteiligen Effekt. Wir trauen uns aber nicht, das mit dem Hausarzt zu besprechen. Könnte der Experte uns da ein für Alzheimer-Patienten geeignetes Mittel empfehlen? Wäre sehr nett und würde uns wirklich weiterhelfen.
PROF. MEINS : Ich weiß zwar nicht, welche Schlafmittel hier schon gegeben wurden und Medikamentenempfehlungen aus der Ferne sind so eine Sache. So weiß ich beispielsweise nicht, ob Ihr Vater noch sicher auf den Beinen ist, ob er nachts aufstehen muss zum Wasserlassen. Dann müsste man mit einem Schlafmittel zurückhaltender sein, als wenn er die ganze Nacht im Bett bleibt. Drei Substanzen kommen in erster Linie in Betracht: Melperon, Zopiclon oder auch ein Versuch mit Risperdal.
Moderator : Grundsätzlich können hier exemplarisch erwähnte Substanzen nur von Ihrem behandelnden Arzt verordnet werden, der den Patienten sieht und umfassend beurteilt.
Pauli : Sind die Schreianfälle die nächste Stufe der Krankheit? Weil sie nachts nicht mehr richtig durchschlafen kann, schreit sie immer öfter nachts. Das geht so nicht wegen unserer Familie und auch wegen der Nachbarn. Kann ich ihr ein Schlafmittel geben?
PROF. MEINS : Sowohl die Familie und natürlich letztlich auch die Nachbarn brauchen ihren Schlaf und deshalb sind hier Schlafmittel durchaus sinnvoll. Sie sollten das Problem mit Ihrem Arzt besprechen. Zum Glück sind Schreianfälle eher die Ausnahme.
anonym : Wir sind ungeduldig und haben das Gefühl, dass man in der Forschung kaum bis wenig vorankommt. Wir haben die Hoffnung aufgegeben, dass unsere Mutter noch davon profitieren könnte. Aber irgendwo ist auch die Angst bei uns, dass man so eine Disposition ja wohl auch erben kann. Was ist mit den ganzen neuen atypischen Neuroleptika, was mit Medikamenten gegen Schizophrenie, sind die vielleicht marginal verändert hilfreich bei Alzheimer?
PROF. MEINS : Die hier angesprochenen Medikamente, verändert oder nicht verändert, helfen nicht bei Demenz, sondern nur bei bestimmten Verhaltensproblemen, wie z. B. Gereiztheit und Wahnvorstellungen. Aber, ich kann Ihr Gefühl natürlich gut verstehen, denn ich finde auch, dass die therapeutische Forschung in den letzten 10 Jahren wenig praktisch relevante und verfügbare Ergebnisse vorzuweisen hat.
Fölbert : Ich habe das Gefühl, dass für Alzheimer-Patienten nicht genug getan wird, weil man insgesamt die steigende Zahl Patienten nicht so auf so hohem Niveau versorgen kann wegen der Kosten. Auch bemerke ich, dass unser Arzt sehr zögerlich ist, meinem Vater jetzt zu Anfang etwas zu verschreiben, nach dem Motto „machen Sie kleine Denkübungen”. Bin ich voreingenommen oder stimmt das? Denn es gibt doch gute Medikamente, gerade in der Anfangsphase, das habe ich recherchiert. Da hat man ja heute alle Möglichkeiten durch das Internet. Ich muss sehr kämpfen für meinen Vater. Ist das immer so, muss das sein?
PROF. MEINS : Zum Glück ist es nicht immer so, aber doch recht häufig. Sie haben keine andere Wahl, als zu versuchen, den Arzt zu motivieren, eventuell auch ihn zu wechseln, denn grundsätzlich hat Ihr Vater das Recht, ein solches Medikament verschrieben zu bekommen.
Klay : Wenn man Tätigkeiten oder Ereignisse, die kurz zurückliegen nicht mehr ausreichend erinnert, soll das ein Indikator sein für Alzheimer. Ich beobachte meine Frau jetzt daraufhin. Aber haben wir das nicht alle mal? Der berühmte Gang in den Keller und dann steht man da. Könnte der Experte diese ersten Anzeichen ein wenig präzisieren? Danke.
PROF. MEINS : Die meisten Hirnleistungen lassen im Alter nach. Das fängt schon mit 30 Jahren an, macht sich aber richtig bemerkbar oft erst um die 60 oder noch etwas später. Diese Unterscheidung von altersbedingten Veränderungen einerseits und beginnenden Alzheimer-Symptomen andererseits muss mit dafür geeigneten Tests erfolgen.
Moderator : Weitere Informationen erhalten Sie auch hier: Alzheimer-Hilfe, Postfach 70 08 33, 60558 Frankfurt, Alzheimer-Hilfe Hotline 0180/33 666 33 (EUR 0,09 pro Minute), montags bis freitags, von 8 bis 20 Uhr, Internet: www.alois.de
Ewa_Kunz : Meine Mutter wird seit neuestem in ihrem Bett fixiert. Ich will das nicht. Absolut nicht. Es wird mir gesagt, dass es zu ihrem Besten sei. Das kann ich nicht akzeptieren. Was kann ich unternehmen, damit meine Mutter dieser unwürdigen Prozedur nicht mehr ausgesetzt wird? Wie kann ich zudem sicherstellen, dass das nicht passiert in der Sekunde, wenn ich das Heim verlasse?
PROF. MEINS : Eine solche Fixierung darf nur mit einer richterlichen Genehmigung erfolgen. Darauf müssen Sie das Heim hinweisen. Vielleicht gibt es aber einen gesetzlichen Betreuer, der einen entsprechenden Antrag gestellt hat und das Gericht diesen Antrag genehmigt hat. Dann wäre die Vorgehensweise des Heimes, zumindest formal, korrekt.
anonym : Was muss ich tun, um als gesetzlich ernannte Betreuerin für meine Mutter eingesetzt zu werden?
PROF. MEINS : Sie müssen einen formlosen Antrag beim zuständigen Amtsgericht stellen, in dem Sie die Einrichtung einer Betreuung, z. B. wegen einer Demenzerkrankung, anregen. Gleichzeitig können Sie dem Gericht mitteilen, dass Sie gerne die Betreuung übernehmen möchten. Das Gericht ist aber nicht gehalten, sich danach zu richten, sondern es wird Ihre Eignung prüfen und sich dann meistens aber für einen Angehörigen als Betreuer entscheiden.
anonym : Weil unsere Mutter so unruhig und aggressiv ist, haben wir es jetzt mehrfach erlebt, dass sie am Bett festgeschnallt war. Wir waren tief geschockt und haben das verboten. Aber es scheint sich keiner darum zu kümmern und an dieses Verbot zu halten. Deshalb unsere Frage, ob es Medikamente gibt, die so sicher wirken, dass wir unserer Mutter diese Erniedrigung ersparen können. Das muss aber zuverlässig wirken über eine längere Zeit, sonst nützt ihr das ja nichts.
PROF. MEINS : Verbieten können Sie es nur, wenn Sie entweder über eine Generalvollmacht verfügen oder aber gesetzlicher Betreuer sind. Umgekehrt darf, wie eben erwähnt, eine Fixierung nur mit richterlicher Genehmigung erfolgen, es sei denn, sie geschieht in einer plötzlich auftretenden Notfallsituation. Manchmal ist eine Fixierung leider unumgänglich, nicht selten ist sie jedoch Ausdruck von einem knappen Personalschlüssel, einem zu geringen Betreuungsangebot oder auch einer unzureichenden medikamentösen Behandlung. Ob das in Ihrem Fall eine Rolle spielt, vermag ich nicht zu beurteilen. Falls kein Medikament gegeben wird, sollte dieses Problem dringend mit dem Heim und / oder dem zuständigen Arzt besprochen werden. Sicher wirksame Medikamente gibt es allerdings nicht. Es ist ein Versuch.
Ulle : Woher kommen die plötzlichen Aggressionen. Erst fing das ziemlich vorsichtig an, da haben wir uns nichts gedacht dabei, denn jeder ist mal sauer. Dann dachten wir, dass unser Vater seine Situation noch anteilig durchschaut und daher die Wut kommt. Jetzt finden wir keinen Zusammenhang. Wir sind auch in eine SH-Gruppe eingebunden und haben eine, wie wir finden, optimale Struktur für ihn gefunden mit einer Mischung aus Hausbetreuung, Tagespflege außerhalb etc., um ihm auch Anregungen zu verschaffen. Alles dies steht jetzt auf dem Spiel durch die sich ständig verschlimmernden aggressiven Ausbrüche. Sind Medikamente die Antwort?
PROF. MEINS : Manchmal finden sich Auslöser für aggressive Ausbrüche, manchmal aber auch nicht. Dann kann man nur annehmen, dass in dem Betroffenen irgendein diffuses Gefühl entstanden ist, was ihn zu diesen Aggressionen bringt. Bei solchen Problemen sind Medikamente durchaus eine geeignete Antwort.
LorePresser : Bisher habe ich immer gelesen, dass es sich bei Alzheimer um eine physiologische Veränderung im Gehirn handelt. Die Medikamente basieren aber auf Eingriffen in den Hirnstoffwechsel. Das passt doch nicht zusammen. Müsste die Forschung nicht eine ganz andere Richtung gehen, nämlich etwas gegen den Umbau im Gehirn. Würde darin nicht viel mehr Erfolg liegen?
PROF. MEINS : Bei der Alzheimer-Krankheit handelt es sich nicht um physiologische Veränderungen im Gehirn, sondern um krankhafte. Sie haben aber Recht: Besonders erfolgversprechend erscheinen Ansetze, die direkt den krankhaften Umbau im Gehirn beeinflussen, ihn stoppen oder zumindest abschwächen oder noch besser, ihn wieder rückgängig machen können.
HeinerKRitz : Welche Chromosomen und Gene sind an der Vererbung von Alzheimer-Demenz beteiligt? Gibt es darüber schon Erkenntnisse und wird entsprechend daran geforscht, hierzu Medikamente zu entwickeln?
PROF. MEINS : Man hat mehrere Gene identifiziert, die die entscheidende Rolle bei der sehr seltenen rein erblichen Form der Alzheimer-Demenz spielen. Ansonsten hat man eine genetische Auffälligkeit identifiziert, nämlich das APO-E, welches auch eine Rolle bei der sporadischen Form der Alzheimer-Krankheit, also der weitaus häufigsten Form, spielt. Aber die Suche nach solchen Genen läuft auf vollen Touren und man wird sicherlich in den nächsten Jahren weitere Risikogene entdecken.
anonym : Die Aggressionen unseres Vaters machen es zunehmen unmöglich ihn zu Hause zu behalten. Wir haben uns Heime angeschaut und ein geeignetes gefunden, welches ihn auch nehmen würde. Wir wissen aber nicht, wie wir das finanzieren sollen, denn es bleiben mehr als 1.000 € übrig, (die Leistungen der Pflegekasse schon eingerechnet), die wir jeden Monat als Familie aufbringen müssen. Und das möglicherweise über Jahrzehnte. Das ist aber Geld, was wir für die Ausbildung unserer Kinder benötigen. Wir sind völlig zerrissen. Wer zeigt uns den Weg?
PROF. MEINS : Ich hatte vorhin schon einmal auf eine andere Frage geantwortet, dass es leider für die meisten Probleme nur eine begrenzte Anzahl von Lösungen gibt. Wenn in Ihrem Fall die finanzielle Lücke nicht durch den Sozialhilfeträger gedeckt wird, dann kommt dieses Heim wahrscheinlich für Sie nicht in Betracht, allerdings wird der Heimaufenthalt Ihres Vaters wahrscheinlich nicht über Jahrzehnte gehen. Jedenfalls nicht, wenn die Grunderkrankung eine Alzheimer-Demenz ist.
Tanja : Welche neuen Forschungsansätze gibt es in Bezug auf die Alzheimer-Krankheit und welche sind am vielversprechendsten?
PROF. MEINS : Ich glaube, der erfolgversprechendste Therapieansatz ist der der Impfung. So haben zumindest diejenigen, die jetzt noch nicht an einer Alzheimer-Demenz leiden, doch die begründete Hoffnung, dass in vielleicht zehn Jahren sich die Behandlungsmöglichkeiten deutlich bessern werden. Aber auch in zehn Jahren wird es sicherlich kein Wundermedikament zur Heilung oder zum völligen Stop der Alzheimer-Krankheit bei jedem Betroffenen nicht geben. Deshalb, da bin ich mir sicher, wird es auch in den nächsten Jahren noch genügend Fragen zum Thema Alzheimer-Krankheit geben, auch hier in der Expertensprechstunde.
PROF. MEINS : Ich möchte mich ganz herzlich bedanken für die rege Diskussionsteilnahme und wünsche allen direkt oder indirekt Betroffenen viel Kraft für den täglichen Umgang mit dieser Krankheit.
PROF. MEINS : Ein weiteres Kriterium muss noch erfüllt sein, die Krankheit muss sich im leicht bis mittelgradigen Stadium befinden. Wenn der Arzt trotz der erfüllten Voraussetzungen das Medikament nicht verschreiben will, ist es schwierig, man kann versuchen, dann das Medikament von einem Facharzt verschrieben zu bekommen. Oder vielleicht auch von einer Gedächtnisambulanz oder Memory-Klinik, die allerdings nicht immer Medikamente verordnen dürfen.
Ende der Sprechstunde.