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Prostatakrebs - Wie Knochen gesundhalten?

Dr. med. Jörg Klier
UPK (Urologische Partnerschaft Köln)
Facharzt für Urologie, Andrologie und med. Tumortherapie
Onkologisch verantwortlicher Arzt
Bernhardstr. 110
50968 Köln
 
Tel: 0221 362025
Fax: 0221 362026
info@Drklier.de
www.DrKlier.de

Ausgezeichnet mit dem Alexander von Lichtenberg-Preis 2008 von der DGU
für seine  Arbeit zur Verbesserung der ambulanten
onkologischen Betreuung von Krebspatienten


Schwerpunkte

• Medikamentöse Tumortherapie einschließlich der ambulanten Chemotherapie
• Palliativmedizin
• Erektile Dysfunktion
• Ambulante Operationen

 

Sprechzeiten:

Montag          08.00 – 17.00 Uhr
Di.-Fr.:           08.00 – 13.00 Uhr
Di. + Do.:       15.00 – 18.00 Uhr

PROTOKOLL

Prostatakrebs - Wie Knochen gesundhalten?

MODERATOR: Wir beginnen um 19 Uhr.

DR. JÖRG KLIER: Bitte senden Sie uns weiterhin Ihre Fragen im LIVE-Betrieb zu.

H. Rühe : Es kostete Nerven auf das Ergebnis zu warten, aber das Ergebnis der Patho nach OP war klar der Chirurg hat alles, wirklich alles entfernt. Trotzdem soll ich mich einer Chemotherapie unterziehen. Ich mache mir nichts vor, dieser Prostatakrebs bleibt wohl eher mein Begleiter, deshalb würde ich gern erst dann mit Chemie anfangen, wenn wirklich wieder was da ist. Trotzdem soll ich jetzt eine Chemo machen. Warum ist das notwendig? Wodurch entscheidet sich welche der vielen Therapieformen für mich die richtige ist?

DR. JÖRG KLIER: Bei Ihnen scheint es sich um eine Prostatatotaloperation gehandelt zu haben. In manchen Fällen kann es notwendig sein, dass zusätzlich zu der Operation eine weitere Medikamentenbehandlung notwendig wird. Dabei handelt es sich in aller Regel aber um eine Hormonentzugsbehandlung. Dies ist nicht mit einer Chemotherapie zu verwechseln. Die Hormonentzugsbehandlung kann notwendig werden, wenn eine sehr aggressive Form des Prostatakrebses vorliegt oder aber bei der Operation nicht zu 100 % sicher gesagt werden konnte, dass wirklich alles Krebsgewebe entfernt wurde. Manchmal kann es auch notwendig sein, dass man diese Hormontherapie lediglich 2 Jahre nach Operation fortführt. Das richtet sich aber nach dem histologischen Ergebnis.

Kenny : Krebszellen sollen Zucker lieben. Wenn ich weniger Zucker und zuckerhaltige Nahrungsmittel zu mir nehme, kann ich dann die Entwicklung weiterer Tumore und Metastasen hinauszögern? So einfach funktioniert das sicherlich nicht, aber hat eine Ernährungsumstellung Einfluss auf die weitere Entwicklung meiner Erkrankung?

DR. JÖRG KLIER: Es gibt bis heute keine wissenschaftlich verlässlichen Daten zu einer Nahrungsumstellung im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Tumorerkrankung oder die Ausbildung von Tochtergeschwülsten. Mit Blick auf das Prostatakarzinom könnte man beispielsweise die Empfehlung aussprechen, häufig Tomaten zu essen. In den Tomaten gibt es einen bestimmten Stoff, der vor der Entwicklung eines Prostatakarzinoms schützen soll. Dies ist die einzig bewiesene Nahrungsergänzung, die nach heutigem Kenntnisstand einen gewissen Einfluss ausübt.

Marbucs : Hallo Habe eine Stunde vor der Prostatabiopsie eine Antibiotika Tablette eingenommen.Der Urin war dann zwei Tage blutig .Danach Bicatulin ,hätte man nicht auch Antibiotika nehmen müssen ?. Danke für die Antwort

DR. JÖRG KLIER: In der Urologie haben wir eine S3-Leitlinie. Diese Leitlinie ist der höchste wissenschaftliche Wissensstand, den wir heute in der Medizin verwenden. Danach ist es ausreichend, vor einer Prostatabiopsie eine einmal Antibiotikabehandlung durchzuführen. Letztlich liegt es jedoch auch im Ermessen des Arztes, ob er glaubt, dass er mit der Einmalbehandlung oder einer längeren Antibiotikabehandlung Sie vor einer Infektion bei der Prostatabiopsie schützt. Die von Ihnen beschriebene Blutung nach einer solchen Biopsie ist ein ganz normaler Vorgang, der sogar bis zu einer Woche anhalten kann.

Krombi : Prostatakrebs ist diganotiziert. Wie lange kann ich mit der Operation warten, ohne die Gefahr einzugehen, dass sich Metastasen bilden?

DR. JÖRG KLIER: Eine sehr schwierige Frage. Um dies besser beantworten zu können, ist es für mich zwingend erforderlich, dass ich die genaue histologische (feingewebliche) Untersuchung des Pathologen kenne. In der Aggressivitätsbeurteilung des Prostatakrebses ist der so genannte Gleason-Wert von großer Bedeutung. Je höher dieser Wert, desto aggressiver der Krebs (der Wertebereich geht von 1 - 10). Wenn man dort unsicher ist, kann man durch den behandelnden Urologen hierzu aber eine entsprechende Aussage bekommen. In Einzelfällen kann man aber auch schon durch eine milde Hormontherapie genug Zeit erlangen, um eine eventuell notwendige Operation erst später durchführen zu lassen.

Krupp : Die Diagnose lautet auf Prostatkrebs. Wirken soll die Behandlung, aber es geht natürlich auch um die Nebenwirkungen. Gibt es Behandlungsmöglichkeiten bei gleicher Wirkung mit weniger Nebenwirkungen als andere?

DR. JÖRG KLIER: Lieber Patient, um diese Frage vernünftig zu beantworten, ist es natürlich notwendig, dass ich wie bei der letzten Frage um die genaue histologische Befundung Ihres Krebses weiß. Die verschiedensten Therapiemöglichkeiten, die wir heute sehr individuell auf unsere Patienten herunterbrechen können, richten sich ganz entscheidend nach dieser histologischen Bewertung. Und natürlich gibt es Behandlungen, die von dem einen oder anderen Patienten als mehr oder weniger stark empfunden werden. Ganz simpel gegenübergestellt kann man ja heute entweder zwischen einem operativen Verfahren oder einer Bestrahlungstechnik oder einen aktiven Überwachung beispielsweise wählen. Die einzelnen Vor- und Nachteile muss man im Einzelgespräch erörtern. Aber nochmal: Hierzu ist die feingewebliche Beurteilung Ihrer Krebserkrankung wesentlich. Grundsätzlich verfügen wir heute, wenn der Prostatakrebs rechtzeitig diagnostiziert wurde, über exzellente Heilungsmöglichkeiten.

Olli : Stimmt es, dass Prostata-Krebszellen zu allem Überfluss auch noch auf den Knochen einwirken und den Auf- und Abbau beeinflussen? Was muss ich noch dazu wissen, welche Organe in ähnlicher Art beeinflusst werden? Man kann da ja gar nicht gewinnen.

DR. JÖRG KLIER: Ja, Prostatakrebszellen siedeln besonders gerne in gut durchblutete Organe ab. Hierzu zählt insbesondere der Knochen, da hier ja die Blutbildung des Menschen stattfindet. Die Krebserkrankung als solches nutzt den Knochenstoffwechsel, um sich durch ihn zu ernähren. Dabei veranlasst es den menschlichen Knochen, seine Mineralstruktur aufzulösen. Die hierbei freiwerdenden Stoffe nutzt die Krebszelle für ein rasantes Wachstum. Deshalb gilt es, dieses Wachstum mit dem Einsatz unterschiedlicher Medikamente, beispielsweise Bisphosphonate oder einem Antikörper, zu unterbrechen. Interessanterweise dauert es beim Prostatakrebs sehr sehr lange, bis die Krebszellen auch in inneren Organen des menschlichen Körpers absiedeln. Dies gibt uns die Möglichkeit, durch die Kombination verschiedenster Hormonentzugsmedikamente hier sehr lange und sehr gut die Patienten zu behandeln. D. h. selbst in einer bereits metastasierten Erkrankungssituation (die Krebszellen haben sich im Körper ausgebreitet) haben Patienten noch mehrere Lebensjahre mit einer sehr guten Lebensqualität zu erwarten.

Klabunde : Wie können sich Krebszellen im Knochen ausbreiten? Der ist doch hart. Ich kann verstehen, wenn das in Organen geschieht, weil die weich sind, aber was machen die Zellen im Knochen?

DR. JÖRG KLIER: Der Knochen ist nur scheinbar hart. In Wirklichkeit ist er Gott sei Dank sehr flexibel, sogar biegsam, und das erreicht der Knochen durch eine besondere Knochenstruktur. Das Wesentliche dieser so genannten Knochentrabekel ist eine fast schwammartige Durchblutung. Über diese feinen Blutnetze können sich Prostatakrebszellen innerhalb des Blutstromes im Körper ausbreiten und da im Knochen ein sehr gutes Lebensmilieu besteht, siedeln sich die Krebszellen beim Prostatakarzinom bevorzugt im Knochengerüst an. Dieses betrifft in aller Regel die geraden Röhrenknochen und Wirbelkörper.

Humpe : Wer entscheidet welche Chemotherapie es sein soll der Urologe oder der Onkologe?

DR. JÖRG KLIER: In aller Regel kennt sich der Urologe mit dem Prostatakarzinom als Spezialist auf diesem Gebiet sehr gut aus. Gerade in den letzten Jahren hat sich in der chemotherapeutischen Behandlungsmöglichkeit beim Prostatakarzinom sehr viel getan. Wir können heute Überlebenszeiten erreichen, die vor fünf bis zehn Jahren noch nicht denkbar waren. Aber selbstverständlich weiß auch der Onkologe um diese Behandlungsmöglichkeit. Ich glaube, es ist eher eine Bauchentscheidung des Patienten, bei wem er sich persönlich wohler fühlt. Ich als Urologe sehe für mich den Vorteil, dass ich eben nicht nur medikamentös einen Patienten behandeln kann, sondern auch in der Lage bin, eventuelle Komplikationen unter einer Chemotherapie (Harnstauungsnieren als die häufigste Komplikation) operativ zu beherrschen (sofern dies notwendig werden sollte).

Gü Ausing : Ich habe durch die Hormontherapie an Muskelkraft verloren und es fällt mir unendlich schwer, über Training wieder mehr Muskelmasse aufzubauen. Vor 3 Wochen hat man bei mir eine beginnende Osteoporsoe entdeckt. Ich dachte immer, das kriegen nur Frauen. Ich soll noch mehr trainieren. Ich schaffe das aber nicht. Gibt es einen anderen Weg?

DR. JÖRG KLIER: In der Tat ist körperliche Aktivität unter einer Hormonbehandlung beim Prostatakarzinom von großer Bedeutung. Das Problem der Hormonentzugsbehandlung besteht zum einen in einem Muskelmasseverlust und zum anderen - wie bei Ihnen diagnostiziert - in der Entwicklung einer Osteoporose. Zur Behandlung der Osteoporose unter Hormonbehandlung gibt es seit ca. einem Jahr einen Antikörper, welcher alle halbe Jahre als kleine Injektion unter die Haut gegeben werden kann. Dieses verhindert den weiteren unkontrollierten Knochenmineralsalzverlust. Das Problem des Kraftverlustes unter Hormonentzugstherapie ist in der Tat nach wie vor ein großes Problem. Hier kann man Ihnen leider nur zu ausreichender körperlicher Aktivität raten. Es würde dabei aber bereits reichen beispielsweise täglich 30 Minuten zügig spazieren zu gehen. Mit körperlicher Aktivität ist nicht unbedingt gemeint, dass man dafür in ein Fitness-Studio muss.

Renzel : Bei mir wurde vor einem Jahr die Prostata mit Laser verkleinert. Weil es am Ende ja kein Gewebe gab, was man hätte untersuchen können, lebe ich jetzt in der ständigen Angst, ob es nicht doch Krebs war. Aufgrund einer stehenden Tätigkeit (Verkäufer) neige ich zu Rückenschmerzen. Das ist schon seit Jahren so, aber jetzt denke ich natürlich, dass ich da was in den Knochen habe. Kann der Experte ausschließen, dass so ein Irrtum entstehen kann, dass Krebs nicht erkannt und für eine Vergrößerung der Prostata gehalten wurde?

DR. JÖRG KLIER: Die Tatsache, dass bei einer Prostataoperation mittels Laser keine histologische Sicherung erfolgt, kann im Einzelfall - wie bei Ihnen - durchaus zur Verunsicherung beim Patienten führen. In aller Regel wurde aber durch die behandelnden Urologen vor der Operation, beispielsweise durch einen Bluttest (PSA) überprüft, ob die Möglichkeit einer Böshaftigkeit vorliegen könnte. Dieser Bluttest sollte ohnehin einmal im Jahr - auch nach einer Prostataoperation - durchgeführt werden. Denn es ist ein Irrtum anzunehmen, dass Ihre Prostata jetzt nicht mehr da sei. Durch die Laseroperation wird ja lediglich der innere Anteil der Prostata beseitigt, welcher auf Ihre Harnröhre gedrückt hat. Neben dem Bluttest besteht auch die Möglichkeit, durch eine Abtastung der Prostata über den After eine mögliche böshafte Veränderung zu diagnostizieren. Sollten sowohl der Blutwert als auch die körperliche Untersuchung unauffällig sein, besteht nach menschlichem Ermessen keinerlei Hinweis auf eine mögliche Böshaftigkeit und darum sollten Sie sich dann auch nicht unnötig sorgen.

Meffert : Ich habe 3 Metastasen verteilt im Brustwirbelbereich. Das ist sehr schmerzhaft, aber die werden mit Bestrahlung ganz gut in Schach gehalten. Es geht mir jetzt hauptsächlich darum zu verhindern, das neue hinzukommen. Was ist der beste Weg?

DR. JÖRG KLIER: Zunächst einmal ist das therapeutische Grundkonzept in Ihrem Falle zu klären. Anhand des PSA-Verlaufes kann man sehr gut feststellen, ob die Grunderkrankung beispielsweise unter einer laufenden Hormonbehandlung unter Kontrolle ist. Hierbei sollte der PSA-Wert einen möglichst niedrigen Wert haben und eben nicht ansteigen. Sollte die Hormontherapie alleine nicht ausreichen, gäbe es die Möglichkeit, zusätzlich mit einer Chemotherapie zu behandeln. Bezüglich Ihrer Knochenabsiedlungen kann man Ihnen auch noch gezielt, wie oben schon erwähnt, entweder einen Antikörper oder ein Bisphosphonat anbieten. Diese Medikamente helfen, den Knochen zu stabilisieren. Bei dem Antikörper diskutieren wir heute in der Wissenschaft, ob er sogar eine direkte Wirkung auf die Krebszelle hat. Hierzu gibt es durchaus sehr interessante Untersuchungsergebnisse.

K-Heinz : Warum erhöht sich bei Prostatakrebs die Aktivität von den knochenaufbauenden Zellen? Ist das eine körpereigene Immunfunktion? Bin ich dann weitgehend gegen Metastasen in den Kochen geschützt? Wie schützt man die Organe?

DR. JÖRG KLIER: Wenn der Prostatakrebs in die Knochen absiedelt, führt dies in der Tat zu einem Knochenumbau. Typischerweise kommt es hierbei nicht zu einer Knochenauflösung (Osteolyse). Beim Prostatakarzinom kommt es häufig zu einer so genannten osteoblastischen Metastase. Diese ist aber genauso bruchgefährdet wie alle anderen Knochenabsiedlungen. Es ist nur eine andere Art des Knochenumbaus. Dies hat leider nichts mit einer verstärkten Abwehrreaktion Ihres Körpers zu tun, sondern ist bedingt durch die Umprogrammierung Ihres Knochenstoffwechsels, verursacht durch die Prostatakrebszelle. Durch diesen Knochenumbau setzt der menschliche Knochen viele Substanzen frei, die der Prostatakrebs für sich zum unkontrollierten Wachstum nutzen kann. Leider kann man sich gegen die Absiedlung von Prostatakrebszellen in den Knochen nur durch ein gutes ganzheitliches Therapiekonzept schützen. D. h. es ist wesentlich von Bedeutung, dass der Prostatakrebs in seiner Gesamtheit, beispielsweise medikamentös, behandelt wird. Für uns in der Therapie der entscheidende Marker ist und bleibt der PSA-Wert. An ihm kann man gut erkennen, wie es mit der Krebsaktivität in einem Körper bestellt ist.

Jochen : Ich bin 72 Jahre hatte mit 67 eine Prostatavergrößerung mit 69 Prostatakrebs. Der ist gut behandelt und bisher nicht wiedergekommen. Aber ich mache mir immer Sorgen darum, weil bei einem Freund von mir aus dem Nichts heraus plötzlich Metastasen im Becken da waren. Das ist sicherlich kein Einzelfall. Wie vorbeugen und verhindern, dass das bei mir auch so kommt?

DR. JÖRG KLIER: Auch in diesem Falle ist der PSA-Verlauf von großer Bedeutung. Wenn der Therapieansatz ursprünglich in einer heilende Absicht erfolgte und Sie seither einen beispielsweise kaum nachweisbaren PSA-Wert haben, dann müssen Sie sich nicht sorgen, dass dieser Krebs doch wiederkommt. Einschränkend muss ich jedoch erwähnen, dass man dies erst realistisch nach fünf Jahren beurteilen kann. Beim Prostatakrebs ist es normalerweise nicht so, dass - wenn Sie beispielsweise alle drei Monate Ihren PSA-Wert kontrolliert bekommen - Sie sich plötzlich in einer metastasierten Situation wiederfinden, ohne dass vorher schon gewisse Anzeichen (eben einer Erhöhung des PSA-Wertes) sichtbar gewesen wären. Man muss dann im Einzelfall entscheiden, wenn es zu einem PSA-Anstieg kommt, wie in dieser Situation der nächste vernünftige Therapieschritt aussehen sollte. Dieses richtet sich im Wesentlichen aber nach der bis dahin erfolgten Primärbehandlung.

Raini : Mein Prostatakrebs ist auf Hormonabhängigkeit getestet. Das war negativ. Ist das eine gute oder eine schlechte Ausgangslage?

DR. JÖRG KLIER: Ein Test auf Hormonabhängigkeit beim Prostatakarzinom, wie beispielsweise zum Vergleich beim Brustkrebs der Frau, gibt es normalerweise nicht wirklich. Beim Brustkrebs der Frau ist man heute in der Lage, bestimmte Hormonrezeptoren zu bestimmen, und kann darauf die Therapieempfehlung begründen. Dieses ist beim Prostatakarzinom so leider noch nicht möglich. Manchmal testet man eine kurzfristige Hormonbehandlung und kann anhand des PSA-Abfalls versuchen, abzuschätzen, ob Ihr Prostatakrebs sensibel oder aber auch nicht auf die Hormonbehandlung reagiert. Daraus könnte man dann eine weitere Therapieentscheidung ableiten. Aber nochmal, ein definitiver Test auf die Hormonsensibilität des Prostatakarzinoms ist zur Zeit noch nicht verfügbar.

Klothen : Mein Bruder sagt Krebszellen, die vom Prostatkrebs stammen greifen nicht nur die Knochen an, sondern ernähren sich auch noch von den Abbauprodukten des Knochens und wachsen um so schneller. Eine schreckliche Vorstellung. Wie weit ist die Forschung, gibt es Ansätze, das einzudämmen oder gar zu stoppen?

DR. JÖRG KLIER: Ja, in der Tat ernährt sich die Prostatakrebszelle von den Abbauprodukten des Knochens, um schneller wachsen zu können. Aber genau deshalb sind wir heute in der Lage, mit einem menschlichen Antikörper genau an dieser Stelle im Knochenabbau blockierend einzugreifen und dadurch ein Fortschreiten dieses Prozesses zu unterbinden. Parallel dazu ist es aber von großer Bedeutung, dass - wie schon mehrfach erwähnt - das ganzheitliche Therapiekonzept (beispielsweise Hormontherapie) berücksichtigt wird.

DR. JÖRG KLIER: Wichtig wäre in diesem Zusammenhang auch eine ausreichende Unterstützung mit Calciumgaben und Vitamin D, um den Knochenmineralverlust wieder auszugleichen.

Ruth Reinke : Muß bei einem Tumor an der Wirbelsäule nach Prostatakrebs auch operiert werden, oder kann man durch Bestrahlung und Chemotherapie die Metastase abtöten?

DR. JÖRG KLIER: Wenn es sich um eine einzelne Knochenmetastase an einem Wirbelkörper handelt, kann diese lokal auch durchaus operiert werden. Wie Sie richtig bemerken, kann man aber auch eine Bestrahlung dieser Metastase durchführen. In beiden Konzepten geht es aber nicht um die Heilung von dieser Erkrankung, sondern um ein Komplikationsmanagement. Eine eventuell notwendig werdende Chemotherapie wird empfohlen um den Prostatakrebs eben ganzheitlich anzugreifen. Aber auch diese Therapiealternative dient der Lebenszeitverlängerung und Leidenslinderung. Eine Heilung in diesem Erkrankungsstadium ist aber auch durch eine Chemotherapie dann nicht mehr möglich.

Bo : Manchmal macht man am Anfang einer Prostatakrebs-Behandlung eine Chemotherapie um den Tumor zu verkleinern. So war das jedenfalls bei meinem Onkel (67J.) vor 5 Jahren. Jetzt hat er Metastasen im Becken. Wird das auch bei Knochentumoren so gemacht und erst danach operiert? Warum nicht erst alles weg und dann zur Sicherheit Bestahlung?

DR. JÖRG KLIER: In seltenen Ausnahmefällen kann es manchmal sinnvoll sein, vor einer geplanten Operation durch einen medikamentösen Einsatz von Hormonen (keine Chemotherapie!), die Prostata zu verkleinern. Dieses Therapiekonzept wird heute jedoch nur noch sehr sehr selten verfolgt, da man die ursprünglich positiven Effekte (Tumormassenverkleinerung) in wissenschaftlichen Studien nicht belegen konnte. Wenn der Prostatakrebs sich im Körper ausgebreitet hat und dabei dann auch Knochenmetastasen entwickelt hat, macht es vom therapeutischen Ansatz her keinen Sinn, nur die Knochenmetastase, die sichtbar ist, wegzuoperieren. Denn das Problem bleibt, dass der Prostatakrebs ja im ganzen Körper bereits ausgebreitet ist in einer solchen Situation und man sowohl Lymphknotenmetastasen als auch Knochenmetastasen erst ab einer bestimmten Größe sichtbar machen kann.

rachel : Was ist mit Xgeva gemeint? Mein Mann soll jetzt zu diesem Medikament wechseln. ABer er hat zuvor etwas anderes bekommen und das hatte doch gut geholfen. Wieso jetzt der Wechsel?

DR. JÖRG KLIER: Das von Ihnen genannte Medikament ist zur Behandlung von Knochenmetastasen beim Prostatakarzinom zugelassen. Aus Ihrer Beschreibung darf ich entnehmen, dass er vorher drei oder vier wöchentliche Infusionen mit einem Bisphosphonat erhalten hat. Aus vielen wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass diese Bisphosphonate ca. zwei Jahre gut gegeben werden können. Inwieweit danach noch Effekte am Knochen erzielt werden, kann man nur schwer beurteilen, weil es dazu keine ausreichenden verlässlichen Zahlen gibt. Mit dem neuen Antikörper haben wir hier aber keine zeitliche Limitierung in der Behandlung von Knochenmetastasen. Ein weiteres Problem bei der Behandlung von Patienten mit Prostatakrebs und Knochenmetastasen besteht häufig in einer abgeschwächten Nierenfunktion und auch hier bietet der Antikörper Vorteile gegenüber dem Bisphosphonat, da wir hier keine Dosisreduzierungen vornehmen müssen. In der täglichen Praxis ist zudem eine kleine Spritze einfacher zu verabreichen als eine Infusion. All dies können gute Gründe sein, einen Therapiewechsel zu empfehlen. Grundsätzlich aber sollte man ruhig seinen behandelnden Urologen nach dem Therapiewechsel befragen, eigentlich sollte er in der Lage sein, Ihnen einfach und schnell zu erklären, warum er gerade dieses neue Medikament für Ihren Mann empfiehlt.

Mosleitner : Ich nehme 2 x 50g Casodex und konnte den PSA-Wert auf 0,07 senken. Gibt es eine zeitliche Begrenzung? Wie lange kann man das so machen. Wird die Therapie irgendwann wirkungslos?

DR. JÖRG KLIER: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem guten Therapieansprechen. Solange ein PSA-Ansprechen vorhanden ist, gibt es keine zeitliche Begrenzung für diese Therapieform. Man könnte alternativ über eine intermittierende (unterbrechende) Behandlung diskutieren, sprich, wenn Sie das Medikament absetzen, wird der Tumor wieder aktiver. Dieses können Sie an Ihrem steigenden PSA-Wert beobachten. Gemäß der S-3-Leitlinie könnte man hier durchaus bis zu einer Höhe von 2 bis 2,5 warten, bevor erneut mit dem Wirkstoff Bicalutamid behandelt wird. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand gibt es keinen Überlebensvorteil für eine dauerhafte oder intermittierende Hormonentzugsbehandlung. Wenn diese Form des Hormonentzuges nicht mehr greift, kann man problemlos auf so genannte Hormonspritzen umsteigen, die beispielsweise alle drei oder sechs Monate verabreicht werden können. Auch diese sind dann für mehrere Jahre problemlos zu nehmen.

Nacongi : Bauen sich Knochen auch durch Chemotherapie ab?

DR. JÖRG KLIER: Grundsätzlich eher nein. Die heute in der Behandlung des Prostatakrebses zugelassenen Chemotherapeutika greifen normalerweise nicht am Knochen an. Allerdings muss man wissen, dass die Chemotherapie immer in Kombination mit einer Hormonentzugsbehandlung gegeben wird und diese eben sehr wohl zu einer Osteoporose führen kann, welche dann entsprechend medikamentös zusätzlich behandelt werden sollte.

Metzner : Wie breiten sich Metastasen im Knochen aus? Nebeneinander oder verteilen die sich über das Blut in andere Areale? Wie kriegt man sie zufassen?

DR. JÖRG KLIER: Die Ausbreitung von Krebszellen im Knochengerüst funktioniert in aller Regel über die Blutbahn. Hierbei kommt es quasi zu einer Überschwemmung von Krebszellen im Knochen, wobei nicht alle Krebszellen sich auch im Knochen ablagern, um dort ihren abbauenden Prozess zu betreiben. Wenn der Verdacht auf eine Knochenmetastasierung besteht, kann man durch eine entsprechende radiologische Diagnostik (Skelettszintigraphie, Kernspin oder PET-CT) einen entsprechenden bildgebenden Nachweis führen, um dann über entsprechende Behandlungskonzepte mit dem Patienten zu sprechen. Eine weitere Möglichkeit besteht in dem Nachweis von Blutbildveränderungen. Hier beispielsweise die Alkalische Phosphatase. Wenn dieser Wert erhöht ist, kann ein Verdacht auf Knochenmetastasen bestehen.

Elsner : Je zwei Metastasen in der Lendenwirbel und der Beckenschaufel. Dadurch habe ich heftige Schmerzen, nicht gleichmäßig sondern unterschiedlich mal mehr im Becken, dann wieder mehr mittig in der Wirbelsäule. Warum wechselt das? Noch vor einiger Zeit wurden die Schmerzen besser, nachdem ich eine Infusion bekam mit Doppelwirkung gegen Knochenmetastasen und Schmerzen. Das wirkt nicht mehr. Antihormontherapie auch nicht. Bin ich am Ende?

DR. JÖRG KLIER: Ich kann nachvollziehen, dass Sie sich in dieser Situation sehr ängstigen und viele Sorgen machen. Die unterschiedlichen Schmerzqualitäten stellen in der Tat manchmal ein therapeutisches Problem dar. In der Kürze der Zeit kann es sehr schwierig sein, Ihnen eine ausreichende Antwort auf die sehr komplexen Fragen, die Sie hier stellen, zu geben. Punkt 1: Diese Infusionsbehandlungen gegen die Knochenmetastasen sollten fortgeführt werden. Das gleiche gilt für Ihre Hormontherapie. Hier wäre zu klären, mit welcher Form der Hormonbehandlung Ihr Urologe Sie zur Zeit therapiert. Man kann Tabletten und Spritzen miteinander kombinieren. Hierbei handelt es sich um eine so genannte maximale Hormonblockade. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer lokalen Schmerzbestrahlung Ihrer Metastasen. Hierbei kommt es nicht nur zu einer Schmerzlinderung einerseits, sondern auch zu einer Knochenverfestigung andererseits. Leider kann es manchmal länger dauern, bis diese Effekte optimal greifen. Deshalb wäre eine begleitende Schmerztherapie - durchaus auch mit Morphinpräparaten - sehr sinnvoll. Bezüglich der Grunderkrankung könnte man mit Ihnen die Durchführung einer Chemotherapie besprechen oder aber - jetzt seit Anfang diesen Jahres neu zugelassen - eine so genannte Second-Line-Hormontherapie. Unter beiden Therapiestrategien sehen wir deutliche Überlebensvorteile für unsere Patienten. Darüber hinaus kann man diese Behandlungen auch problemlos hintereinander durchführen, um Ihnen hierdurch eine möglichst lange Lebenszeit noch zu bieten. Bitte lassen Sie sich durch die jetzige Situation nicht entmutigen und sprechen Sie am besten vertrauensvoll mit Ihrem behandelnden Urologen über die modernen Therapiemöglichkeiten, die sich für Sie - selbst in einer solchen Situation - noch ergeben.

DR. JÖRG KLIER: Ich bedanke mich für die rege Teilnahme und die vielen interessanten Fragen und möchte alle Betroffenen ermutigen, sich vertrauensvoll mit Ihrem behandelnden Urologen über Ihre Sorgen und Ängste zu unterhalten. Die Ärzte können Ihnen nur helfen, wenn Sie uns offen und ehrlich auch Ihre Bedenken zu einer Therapieentscheidung mitteilen. Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Abend!



Ende der Sprechstunde.


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