Dr. med. Beate Krammer-Steiner
Chefärztin der Klinik für Innere Medizin III
Klinikum Südstadt Rostock
Onkologie, Hämatologie, Hämostaseologie, Palliativmedizin
Südring 81
18059 Rostock
Tel.: 0381 44016100
Fax 0381 44016199
beate.steiner@kliniksued-rostock.de
www.kliniksued-rostock.de
Schwerpunkte
Onkologie
• medikamentöse Tumortherapie
• Supportive Therapie bei Tumorerkrankungen
• Multimodale Therapiekonzepte
Hämatologie
• Benigne Hämatologie
• Lymphome und Leukämie
Hämostaseologie
• Onkohämostase
• Hämostaseologie in der Frauenheilkunde
• Hämophiliebehandlung
Fachambulanz für
• Onkologie und Hämatologie
• Gerinnungsambulanz
Tagesklinik für Onkologie und Hämatologie
Anmeldung Fachambulanz
• Onkologie/Hämatologie 0381 4401 6140 / Fax -6149
• Gerinnungssprechstunde 0381 4401 8613 / Fax -6149
Anmeldung onkologische Tagesklinik
• 0381 4401 6150 / Fax -6159
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Wir beginnen um 19 Uhr.
Batal : Meine Mutter hat Leberkrebs in fortgeschrittenem Stadium, dabei hat sie so gut wie keinen Alkohol getrunken. Wir verstehen das nicht und hadern mit unser aller Schicksal und was es für die Familie bedeutet. Wir finden aber keine Erklärung. Es muss ja einen Grund geben. Kann sich eine angeschlagene Psyche auch in Leberkrebs ausdrücken?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Sicherlich ist es ein sehr schweres Schicksal, was Sie von Ihrer Mutter schildern. Der Einfluss auf die Tumorerkrankung durch die Psyche wird immer wieder gemutmaßt. Es ist eine zweiseitige Angelegenheit, wenn man traurig ist, glaubt man irgendwann einmal Krebs zu bekommen. Nun bekommen ungefähr die Hälfte aller über 60-Jährigen eine Tumorerkrankung. Um auf die Frage konkret einzugehen: Es ist ein Irrglaube, dass ausschließlich der Genuss von Alkohol Leberkrebs bewirken kann. Wir mussten lernen, dass vor allem die Übergewichtigkeit, aber auch chronische Virusinfektionen und selten auch die Einnahme von bestimmten Medikamenten einen lebereigenen Tumor bewirken können. Unabhängig davon muss ich einmal darauf aufmerksam machen, dass diese Frage nach Schuld bei jedweder Krebsart gestellt wird und ich möchte ein wenig davor warnen, denn wenn man selbst schuld ist an einem so schweren Schicksal bringt das mitunter die Lebensbilanz sehr durcheinander, so dass man - wenn Sie in der Tat nach Ursachen forschen wollen - die beiden Dinge ins Kalkül ziehen sollte, ob Ihre Frau Mutter vielleicht ein bisschen übergewichtig ist oder bei Diabetikern tritt die Erkrankung häufiger auf oder aber im Zusammenhang mit einer durchgemachten Virusinfektion - wir nennen da vor allem die Hepatitis, d. h. die Entzündung hervorgerufen durch Viren - die wichtigsten Ursachen für ein primäre Leberkrebserkrankung.
Rimo : Mein Vater war die letzten Monate oft schlechter Laune und zog sich immer mehr zurück. Dann erfuhr ich durch Zufall, dass er rechts oben im Bauch standing Schmerzen hat. Aber er hat nichts dagegen getan. Irgendwann war er bei unserem Hausarzt und der hat ihn dann mal richtig untersucht. Am Ende hieß die Diagnose Leberkrebs. Unfassbar. Wir dachten, das bekommt man nur, wenn man über Jahre zu viel Alkohol trinkt, was nicht der Fall ist bei meinem Vater. Das hätten wir gemerkt. Er rocht nie nach Alkohol. Zusätzlich zum Leberkrebs hat er eine Fettleber. Was auch ein Hinweis auf Alkohol ware, wie ich inzwischen weiß. Was kann die Ursache sein. Wie fortgeschritten alles ist, wissen wir noch nicht genau. Worauf müssen wir achten, was die Methode der Behandlung anbelangt?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Bei Ihrem Vater, wie Sie mir mitgeteilt haben, ist eine schwere Diagnose gestellt worden: Leberkrebs. Bezüglich des Trinkens von Alkohol, glaubt man immer, die Ursache gefunden zu haben, aber leider ist die Natur nicht so einfach und plausibel. In der Angelegenheit Ihres Vaters müsste man bitte zuerst schauen, ist es ein lebereigener Krebs oder aber eine Tochterabsiedlung einer anderen Tumorerkrankung im Körper Ihres Vaters. Ich will damit sagen, dass die feingewebliche Untersuchung des Tumors neben der ärztlichen Untersuchung, die Sie beschrieben haben und eventuell eine Ultraschalluntersuchung, eine Computertomographie und Blutuntersuchungen Basis für die Charakterisierung der Erkrankung Ihres Vaters sein müssten. Dann, wenn die Erkrankung sich als Leberkrebs, d. h. lebereigener Tumor, herausstellt, kann man im Folgenden über die Methoden der Behandlung sprechen. Die von Ihnen angesprochene Fettleber, die bei Ihrem Vater festgestellt wurde, ist eine relativ unspezifische Reaktion des Körpers auf schädigende Einflüsse. Entscheidend ist, wie groß der Tumor in der Leber ist, wie viele Tumoren es sind, d. h. ob ein oder mehrere Tumore sich in dem Organ befinden. Des Weiteren müsste zur besseren Beschreibung der Erkrankung geschaut werden, ob andere Organe Ihres Vaters geschädigt sind. D. h. vor allem die blutversorgenden Systeme, die Leberarterien (die Lebervenen) verstehe ich darunter, ob die Lunge geschädigt ist oder aber im Bereich des Bauches oder des Bauchfelles Tumore zu sehen sind. Das Blutbild sollte man mit untersuchen und aus diesem Puzzle, basierend auf der feingeweblichen Untersuchung des Tumors, die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten abwägen. Nochmal auf die Ursachen eingehend, möchte ich auf Virusinfektionen verweisen, die Einnahme von Medikamenten, selten spielen giftige Absonderungen von Pilzinfektionen eine Rolle, so genannte Aflatoxine, und die Kombination zwischen Stoffwechselstörung, d. h. Diabetes und/oder Übergewichtigkeit, sind weit häufiger Ursachen für eine Leberkrebserkrankung, als der immer wieder angeschuldigte Alkoholmissbrauch.
M. Reikard : Mein Partner hat vor dreieinhalb Jahren die Diagnose Leberkarzinom bekommen. Die Leber war in beiden Lappen durch verschiedene größere und kleinere Tumore durchsetzt. Damals nannten die Ärzte eine zu erwartende Überlebenszeit von etwa sechs Monaten. In den vergangenen Jahren sind nach zwei schweren Operationen, fast ununterbrochener Chemo leider weitere Metastasen in Darm und Lunge aufgetreten. Wir befinden uns seit Monaten in palliativer Behandlung. Zusätzlich zum Morphium kommen jetzt auch erhebliche Tavordosen morgens, mittags, abends. Ich weiß, dass Sie keine genaue Prognose geben können. Aber sprechen wir hier von Wochen oder Monaten? Wann muss ich michums Hospiz kümmern bzw. wann muss er final ins Krankenhaus? Bitte eine sachliche Antwort, ich kann das ertragen. Unsere Trauer bearbeiten wir anderswo.
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Sie sprechen von der Leberkarzinomerkrankung Ihres Partners. Aus den Dingen, die Sie schreiben würde ich eher davon ausgehen, dass es eine Zweiterkrankung der Leber ist, d. h. Tochterabsiedlungen eines Tumors, der in einem anderen Organ sitzt. Dies ist nicht unbedingt nur von akademischem Interesse, sondern ist für die von Ihnen hinterfragte Prognoseeinschätzung sehr wichtig. Die palliative Behandlung, die Sie beschreiben, basiert derzeit auf der Gabe von Morphium und dem Beruhigungsmittel Tavor, bezieht sich wahrscheinlich auf vordergründige Symptome, an denen Ihr Partner leidet. Wenn es sich dabei vor allem um Schmerzen im Bereich des oberen Bauches handelt, d. h. vielleicht ein Leberkapselschmerz, würde ich davon ausgehen, dass wir von Wochen reden. Die Tavor-Dosierung, von der Sie sprechen, die morgens, mittags und abends eingenommen wird, könnte eventuelle Atemnot oder Unruhe lindern. Die Frage nach dem Hospiz würde ich gern so beantworten wollen: Hospize, die sich im Umkreis unserer Klinik befinden, sind Einrichtungen, wo der Patient im Endstadium der Tumorkrankheit zur Ruhe kommen kann, im Beisein auch von Angehörigen. Vor allem, wenn intensive Medikamentengaben oder aber schwere Symptome das Daheimbleiben verbieten oder nicht möglich machen. Man kann schon recht früh, wenn die Unheilbarkeit der Erkrankung und die Endlichkeit absehbar sind, die Möglichkeit der Aufnahme in ein Hospiz vereinbaren. Dies ist nicht nur ein Ort zum Sterben, sondern man kann auch eine finale Lebensphase dort gut und würdevoll verbringen. Alternativ besteht die Möglichkeit, in der Endphase der Erkrankung in ein Krankenhaus zu gehen, wobei man dies sorgfältig auswählen sollte. Möglichst eine spezialisierte Einrichtung, d. h. ein Klinikum mit einer Palliativeinheit sollte ausgewählt werden, um auch dort die Behandlungskompetenz wegen der Symptome und nicht unbedingt auf die Gründe der Erkrankung zu fokussieren. Ich betone dieses deshalb so sehr, weil es im Falle Ihres Partners wahrscheinlich nicht mehr darum geht, herauszufinden, wieso es zum Tumor gekommen ist und den Tumor zu heilen oder aufzuhalten, sondern die Beschwerden, die Ihr Partner tumorbedingt hat, zu lindern. Eine dritte Möglichkeit wäre, über eine ambulante hospizliche Betreuung, d. h. die Betreuung in der Häuslichkeit durch erfahrene Palliativmediziner anzusprechen, um so den Verbleib, d. h. das Leben zu Hause, im gewohnten Umfeld zu ermöglichen, ohne dass Sie als Angehöriger Angst haben müssen, in Situationen zu kommen, denen Sie dann nicht mehr gewachsen sein können.
Luca : Ich wäre dankbar, wenn Frau Dr. Krammer einmal erklären könnte wodurch die gesteigerte Wirksamkeit von Sorafenib in Verbindung mit der arteriellen Embolisation entsteht. Ich kann mir das nicht vorstellen, denn es ist ja eine systemische Behandlung, aber eigentlich müsste doch etwas, was direkt am Tumor wirkt eine viel bessere Wirksamkeit erzeugen. Ich will das alles gar nicht in Frage stellen, wir sind einfach nur froh, dass es wirkt. Aber schön ware, wenn ich das in der Familie mal verständlich erklären könnte.
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Sie fragen nach den Gründen für eine Kombinationstherapie aus arterieller Embolisation und der Gabe eines Chemotherapeutikums, was den Leberkrebs aufhalten kann. Der erste Schritt bei der Zulassung des Sorafenibs war, dass wir gelernt haben in ca. der Hälfte der Tumore in der Leber bei den betroffenen Patienten, kommt es zum Stillstand des Wachstums des Tumors. Das Sorafenib hat zwei Wirkprinzipien. Zum Einen wirkt es an den Tumorzellen, um gezielt den Zelltod - wir sagen Apoptose - herbeizuführen, zum Anderen bewirkt das Medikament den Untergang der Tumorgefäße, d. h. der Tumor wird zum einen am Wachstum gehindert, zum anderen ausgehungert. Dies ist ein sehr wirksames Prinzip und hat als einziges Medikament einen gewissen Stillstand von nichtoperablen Tumoren bewirkt. Gleichzeitig haben wir aber gelernt, dass trotzdem Anteile des Tumors in der Tumorumgebung Gefäßneubildungen bewirkt haben. Man muss sich das so vorstellen, wie eine Sonne, die drum herum Strahlen hat und die Strahlen sind durch das Medikament nicht vernichtet worden. Das kann man relativ gut sichtbar machen, indem man mittels einer MRT-Untersuchung, d. h. Magnet-Resonanz-Tomographie, schaut, ob in Zusammenhang mit der Chemotherapie diese Gefäßneubildungen nachweisbar sind. Wenn dies der Fall ist, ist vor ca. fünf Jahren versucht worden, zusätzlich zur Tabletten-Chemotherapie, eine Gefäßverödung, d. h. Embolisation, durchzuführen, um noch mehr Tumoranteile zerstören zu können. Wir sagen dazu multimodale Therapiekonzepte, d. h. den Leberkrebs von mehreren Seiten in die Zange nehmen. Das ist aber nur sinnvoll, wenn durch diese MRT-Untersuchungen nachgewiesen wurde, dass der Leberkrebs durch viele Gefäße versorgt wird. Wir sagen dazu, Hypervaskularisation. In unserem Hause haben wir dazu Untersuchungen durchgeführt und konnten herausfinden, dass genau bei diesen Tumorerkrankungen mit einer sehr guten Gefäßversorgung des Tumors die Kombination beider Therapien, also der Embolisation und der Chemotherapietablette die Tumore effektiver stoppen können.
Juris : Was bringt meinem Vater eine palliative Behandlung mit Nexavar? Palliativ heißt doch, dass er nicht mehr geheilt warden kann oder? Ist das eine Dauertherapie?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Der Rat an Ihren Vater, Nexavar einzunehmen, basiert wahrscheinlich darauf, dass der Leberkrebs Ihres Vaters über das gesamte Organ Leber ausgebreitet ist, an mehreren Stellen ausgebrochen ist und große Tumore verursacht hat. Damit ist eine Operation oder aber eine Lebertransplantation, die einzige Möglichkeit, die zu einer Heilung eines Leberkrebses führen können, wahrscheinlich ausgeschlossen. In der Situation, in der Ihr Vater ist, kann man mehrere Dinge überlegen, um ein Fortschreiten der Erkrankung eventuell aufhalten zu können und / oder Beschwerden, die Ihr Vater durch die Tumorkrankheit hat, zu lindern. Das Letztgesagte ist das Ziel einer Nexavar-Therapie. Wenn gelingen sollte, durch die Chemotherapietablette die Erkrankung aufzuhalten, wäre das ein guter Erfolg. Dies gelingt unter der Behandlung bei jedem zweiten Patienten. Man könnte auch versuchen, die Nexavar-Therapie mit anderen Behandlungsmöglichkeiten zu kombinieren, mittels Hitzeeinwirkungen, hochfrequentem Ultraschall, mit radioaktiv markierten Partikeln, die man in den Tumor einbringt oder auch mittels lokal wirkender Chemotherapeutika kann man den Effekt des Nexavars steigern. Wobei man sehr geschickt die aufeinanderfolgenden Therapiesequenzen zeitlich auffädeln muss. Wichtig dabei ist, ob es im Bereich der Leber auch andere Erkrankungen gibt, d. h. ob im gesunden Anteil der Leber vielleicht eine Zirrhose steckt, d. h. wie gut die nicht befallenen Anteile des Organs funktionieren und damit die Entgiftungsfunktion der Leber für den Körper möglich ist. Auch ist wichtig, ob die Tumore im Bereich der Leberhauptader, wir sagen Pfortader, eingebrochen sind oder aber, dass es durch Blutgerinnsel zu einem Verschluss der Pfortader gekommen ist. Dies ist Voraussetzung für eine Abwägung der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Grundsätzlich kann das Nexavar, wenn der Behandler die Indikation gestellt hat, nicht zur Heilung führen, wobei dies wirklich abhängig vom Ausmaß der Tumorerkrankung. Bei einzelnen Betroffenen, gelingt es - zugegebener Maßen selten - den Krebs verschwinden zu lassen und dann kann man vielleicht auch eine Therapiepause besprechen. Das ist aber sehr individuell unterschiedlich. Formal ist die Behandlung mit Nexavar eine Dauertherapie, die im viertel- bis halbjährlichen Intervall bezüglich des Effekts kontrolliert werden sollte. Wichtig ist aber - so handhabe ich das in meiner Sprechstunde - alle drei bis vier Wochen den Patienten zu untersuchen. Gemeinsam das Befinden und mögliche Beschwerden zu besprechen und davon abhängig die Dosierung des Medikamentes auszuwählen. Auch sind Blutbild- und Leberwertkontrollen wesentlich zur Beurteilung der Wirksamkeit des Medikamentes.
Istvan : Welche Art von Medikamenten begünstigen die Entstehung eines Lebertumors? Ich muss langfristig Antidepressiva täglich nehmen (Cymbalta 90mg) und bin männlich, 40 Jahre. Durch das AD bin ich psychisch wieder vollkommen symptomfrei, also in meiner Wahrnehmung "gesund" und genieße mein Leben, meine Berufstätigkeit und mein Privatleben sehr. ABer ich soll das AD noch bis mindestens Mitte kommenden Jahres einnehmen, sagt mein Facharzt. Hinzu kommt, dass ich vor Jahren eine Benzodiazepinabhängigkeit über merere Jahre hatte, seit 2011 allerdings erfolgreich entzogen habe. Trotzdem habe ich Angst, dass meine Leber geschädigt wurde/wird. Aktuelle Leberwertkontrollen sind allerdings von den Blutwerten her sehr gut.
Istvan2 : Sonographie beim Hausarzt kürzlich ebenfalls alles in Ordnung.
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Bei der Auswirkung von Medikamenten auf die Leber, die ursächlich auch eine bösartige Lebererkrankung hervorrufen können, stehen die Hormonpräparate ganz oben. Die von Ihnen angesprochenen Antidepressiva können sich auch auf den Leberstoffwechsel auswirken, wobei auch nach langfristiger Einnahme von Antidepressiva - wenn dies ausschließlich der Fall war - ein gehäuftes Auftreten von Leberkrebs bisher nicht beschrieben wurde, so dass ich in der von Ihnen geschilderten Situation empfehlen würde, die Einnahme der Antidepressiva fortzusetzen, gerade weil es Ihnen dadurch gelungen ist, mit sich selbst, Ihrem Beruf und Ihrem Privatleben zufrieden zu sein. Und, dem behandelnden Facharzt folgend, Blutuntersuchungen erfolgen sollten, um mögliche Effekte auf die Leber einschätzen zu können. Wir bestimmen bei der Einnahme von Antidepressiva die so genannten Leberenzyme, die dann ein sehr realistisches Bild über die möglichen schädigenden Einflüsse der Substanzen, aber auch zu den Reserven des Organs geben können. Die Abhängigkeit von Benzodiazepin ist bisher auch nicht ursächlich mit der Entstehung von einer Leberkrebserkrankung beschrieben worden. Dass es Ihnen gelungen ist, eine Unabhängigkeit von den Medikamenten zu erreichen, bewundere ich sehr. Wenn jetzt, zwei Jahre danach - d. h. nach dem Entzug - die Leberwerte im Normalbereich sind, d. h. wie Sie schreiben, sehr gut, denke ich, ist auch die Latenzzeit nach der Tablettenabhängigkeit eingehalten und ein nachträglich negativer Effekt der Benzos nicht mehr zu erwarten. Nochmal den Anfang Ihrer Frage aufnehmend, sind sowohl weibliche wie auch männliche Geschlechtshormone, d. h. Testosteron, Östrogene oder Gestagene, in sehr hohen Dosierung lebertoxisch und mit der Möglichkeit der Entstehung von Leberkrebs assoziiert. Die gesamte Klasse der Anabolika könnte auch eine Rolle bei der Entstehung von Leberkrebs spielen, wobei zuverlässige Daten über diese Kausalität - wie wir es nennen, sprich Ursächlichkeit - eher selten zu finden sind. Meist ist es ein Zusammenspiel von mehreren Risikofaktoren neben der Medikamenteneinnahme, die dann in der Summe zu einer bösartigen Lebererkrankung führen können. Noch ein kurzes Wort zur Sonographie, d. h. Ultraschalluntersuchung der Leber, die Ihr Hausarzt durchgeführt. Die Ultraschalluntersuchung ist eine sehr spezifischer und gute Methode zur Beurteilung der Leberstruktur und wird auch in der Leitlinie zur Überprüfung bei Lebervorschäden als Basisdiagnostik empfohlen.
Nawid : Eine TACE-behandlung mit Sorafinib sollte noch eine Chance bringen. Das war auch so, aber megahart erkäpft, weil die Nebenwirkungen so heftig sind. Meinem Papa geht es jetzt aber besser. Aber es bleibt die Frag wie lange hält das? Gibt es darüber Studien mit Mittelwerten, so dass man in beide Richtungen eine Vorstellung bekommt?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Die TACE-Behandlung mit Sorafenib hat - so wie ich es Ihrer Frage entnehme - bei Ihrem Vater einen Stillstand der Erkrankung bewirkt. Dies entspricht auch der Erfahrung, die wir sammeln konnten. Die Untersuchungen, die wir an nunmehr 36 Patienten mittels dieser beiden Behandlungsmethoden durchführen konnten, erbrachte bei der Hälfte der Patienten einen Stillstand der Erkrankung für ungefähr acht bis zehn Monate. Es waren dabei leider Patienten, die aufgrund der begleitenden Leberzirrhose dennoch Beschwerden bekommen haben, d. h. Gewicht verloren, Kraft verloren. Die Bildung von Bauchwasser, Aszites genannt, konnte nicht verhindert werden. Bei mehr als der Hälfte der Patienten konnte zum einen die Behandlung wiederholt werden, d. h. die TACE wiederholt werden, und zwei Patienten habe ich in meiner Behandlung, die nunmehr seit drei Jahren in dieser Kombination behandelt werden. Die europaweite Studie zur Bewertung des Effektes beides Behandlungsmethoden ist leider abgebrochen worden mangels Rekrutierung, d. h. es haben sich nicht genügend Patienten gefunden (vielleicht auch weil die Behandler nicht konsequent genug waren). Mein Eindruck ist, dass die Kombination beider Behandlungsmethoden, wenn die TACE korrekt und professionell gemacht wird, sicherlich um Wochen und Monate eine Stabilisierung der Erkrankung bewirken kann. Richtig schreiben Sie, dass die Nebenwirkungen - so, wie Sie es bei Ihrem Vater erlebt haben - sehr heftig sein können. Neben der Tatsache, dass mittels eines Katheters über die Leiste die Leber quasi punktiert werden muss, sind sicher nach der Behandlung Schmerzen aufgetreten, vielleicht sogar Übelkeit. Offensichtlich hat es aber einen guten Effekt gehabt. Am Stillstand der Tumore, d. h. an der CT-Kontrolle kann man sicherlich ablesen, ob es vielleicht sogar zu einer Tumorreduktion gekommen ist. Dann könnten vielleicht sogar die Monate an Lebensverlängerung erreicht werden. Wie gesagt, die Studie zur Kombination der beiden Methoden ist nicht wegen mangelnder Wirksamkeit, sondern wegen mangelnder Rekrutierung beendet worden. Unsere Arbeitsgruppe hat bei knapp über 30 Patienten die Untersuchungsergebnisse vor zwei Jahren auf der wissenschaftlichen Jahrestagung der Hämatologen und Onkologen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz publiziert. Und wir haben immer noch Patienten, die wir nach diesem Behandlungsplan therapieren, weil der Effekt ein guter ist.
Bergemann : Diese Frage bitte an die Expertin geben. Vielen Dank. Der Krebs meines Vater ist auf einen der beiden Leberlappen beschränkt. Warum kann man nicht diesen Teil der Leber nicht einfach entfernen. So weit ich weiß, würde der ja nachwachsen? Wäre das nicht eine ziemlich sichere Sache?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Wenn der Leberkrebs auf einen der Leberlappen beschränkt ist und dies dann auch sicher durch zwei Methoden bestätigt wurde - sicher heißt vor allen Dingen eine Magnet-Resonanz-Tomographie-Untersuchung mit spezifischem Kontrastmittel - sollte es vielleicht möglich sein, den Tumor komplett zu entfernen. Wobei, ohne Kenntnis der Schnittbilduntersuchungen (CT und / oder MRT) ist dies eine vage Aussage meinerseits. Entscheidend für die komplette operative Entfernung - wir sagen auch Resektion des Tumors - ist neben der Tatsache, dass nur ein Leberlappen befallen ist, auch die Größe des Tumors und die Reserve oder Größe des restlichen Lebergewebes ausschlaggebend. Um dies genauer zu erklären, muss man bei der Beurteilung der Operabilität oder Resektabilität - wie wir es nennen - kritisch das umgebende gesunde Lebergewebe beurteilen. Wenn sich der Leberkrebs auf der Basis einer Leberzirrhose entwickelt haben sollte, kann eine Entfernung des Tumors im gesunden, d. h. mit ausreichendem Sicherheitsabstand, und die sehr anspruchsvolle sehr große Operation zu risikovoll darstellen. So, dass ich Ihnen dazu rate, bei Ihrem Vater nochmals mit dem behandelnden Onkologen, gemeinsam mit dem Patienten die CT-Bilder oder auch MRT-Bilder anzuschauen und eventuell mit einem erfahrenen Leberchirurgen die Möglichkeit einer Resektabilität einschätzen zu können. Was die Patienten mitunter auch an einer Operation hindern kann, sind Nebenerkrankungen. Lungen-, Herz- oder Nierenerkrankungen können ein Hinderungsgrund sein für die sehr anspruchsvolle und risikoreiche Leberoperation. Sie sprechen das so genannte Nachwachsen an. Eine Möglichkeit, im Vorfeld die gesunden Leberanteile "nachwachsen zu lassen", ist eine so genannte Embolisation (Verschluss) des blutführenden Systems im betroffenen Leberlappen durchzuführen. Im Intervall würde dann der verbliebene Leberlappen hypotrophieren, d. h. sich vergrößern, und man könnte nach genauer Kenntnis der individuellen Situation Ihres Vaters eventuell ein Fenster für die Operation schaffen. Ich kann Ihnen nur Mut machen, diese Frage offen im Rahmen der Behandlung zu stellen.
Agnes_Mannheim : Hier ist mehrfach der Begriff TACE genannt worden, was genau bedeutet das denn? Ist das ausschließlich auf diese neue Tablettentherapie Nexavar beschränkt, oder ist das ein allgemeines Behandlungsprinzip?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Sie hinterfragen zu Recht nochmal den Begriff TACE, ausgesprochen heißt dies Transarterielle Chemoembolisation. Diese Behandlungsmethode ist unabhängig von der von Ihnen genannten Tablettentherapie mit Nexavar. Also ein allgemeines Behandlungsprinzip. Dahinter verbirgt sich die Gabe von Chemotherapeutika direkt an den Ort der Not. Über die versorgenden Gefäße wird ein Katheter in den Tumor der Leber gebracht, über diesen Katheter wird dann hochdosiert ein Chemotherapeutikum appliziert, z. B. Doxorubizin, ein bewährtes lange bekanntes Medikament, um direkt vor Ort die Tumorzellen zu vernichten. Man erreicht dadurch eine sehr hohe Chemotherapiedosis am Tumor. Um zu verhindern, dass das Medikament über den gesamten Körper abströmt, wird eine ölige Substanz danach gespritzt, um die Adern zu versiegeln. So, dass die Krebszellen dann vernichtet werden und sich eine Nekrose - wie wir es nennen - also ein Haufen toter Zellen bildet und dann vom Körper entsorgt wird. Nach einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen wird der Effekt der Behandlung überprüft, um eventuell benachbarte Tumore oder aber neu gewachsene ebenso behandeln zu können. Man kann diese lokale Behandlungsmöglichkeit also mehrfach anwenden. Voraussetzung ist die gute Blutversorgung des Leberkrebses. Die TACE ist eine von so genannten lokalen Therapieverfahren. Man kann auch über diese Gefäße hochdosierten Alkohol in die Tumore einbringen oder auch mittels Hitze, Ultraschall oder radioaktivmarkierten Mikropartikeln eine Zerstörung des Tumorpartikels regionale bewirken, so dass dieses allgemeine Behandlungsprinzip vor allem lokal wirksame zellzerstörende Stoffe beinhaltet.
Dodo : Lebereigenes Karzinom im re.LL durch Chemoembolisation von 7cm auf bisher 5,6cm geschrupmpft. 2 Metastasen von je 3cm im li.LL durch Chemoemnolisation sind nekroid. Wann könnte eine Lebertransplantation vorgenommen werden ( bestehende Leberzirrhose in den Anfängen )und wäre diese sinnvoll? Warum habe ich bei Aufregung Schmerzen im rechten Oberbauch? Bin psychisch sehr "weit unten"! Wäre dankbar für Beantwortung meiner Fragen! Mit freundlichen Grüßen Dodo
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Eine Lebertransplantation bei einem Leberzellkarzinom ist eine sehr gute effektive Behandlungsmöglichkeit. Man muss bedenken, dass für jede Transplantation auch ein passendes Organ zur Verfügung stehen muss. Vor diesem Hintergrund stellen Sie wahrscheinlich die Frage. Formal, um auf eine "Transplantationsliste" zu gelangen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Es dürfen nicht mehr als drei Knoten <=3 cm vorhanden sein, so dass der mittels Chemoembolisation von 7 auf 5,6 cm reduzierte wahrscheinlich für die Transplantation noch zu groß ist und man durch eine erneute TACE-Behandlung vielleicht dieses "Down Staging" erreichen könnte, um optimale Voraussetzungen für eine Transplantation zu haben. Wenn man die Transplantation bei zu großen Tumoren oder aber zu vielen anwendet, steigt das Risiko eines Rezidives der Erkrankung, d. h. das Wiederauftreten der Erkrankung im transplantierten Organ immens. Das wird nach den so genannten Milan-Kriterien beurteilt. Man sollte deshalb lieber kritisch lokale Behandlungsmethoden wählen, um den Effekt einer Transplantation nicht zu gefährden. Bei Tumoren, die größer als 7 cm sind, steigt das Risiko des Wiederauftretens der Erkrankung um das Dreifache. Denn, man darf nicht vergessen, dass nach einer Lebertransplantation lebenslang Medikamente eingenommen werden müssen, die das Immunsystem schwächen, d. h. dass der Wirt - also der Organempfänger - das Transplantat - sprich die transplantierte Leber - überhaupt im Körper behält. Die von Ihnen angesprochene Leberzirrhose im Anfangsstadium wäre nicht unbedingt ein Hinderungsgrund für eine Transplantation. Wichtig ist noch, ob die Lebererkrankung auf der Basis einer Virusinfektion entstanden ist. Wegen der Oberbauchbeschwerden bei Aufregung kann ich Sie ein bisschen beruhigen. Die Leber ist ein sehr gut durchblutetes Organ, wenn Sie aufgeregt sind, kommt es zur Blutdrucksteigerung, damit zur besseren Durchblutung der Leber und dies kann ein Spannungs- oder Druckgefühl vor allem im rechten Oberbauch bewirken. Dies sollte kein Grund zur Beunruhigung sein. Die von Ihnen angesprochene psychische Anspannung verstehe ich sehr gut. Deshalb wäre es sicher von Nutzen, wenn Sie mit Ihrem Onkologen nochmals über so genannte Downstaging-Therapien zur Überbrückung der Wartezeit auf ein Organ sprechen sollten.
Ahner : Wie funktioniert die Technik, wenn die Wärme durch die Haut gebracht wird, um Krebszellen zu zerstören?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Die von Ihnen hinterfragte Methode ist die so genannte Radiofrequenzablation, d. h. mit einer elektrischen Quelle oder aber mittels eines hochfrequenten Ultraschalls wird eine Sonde, die auch wieder über die Leiste bis in das Organ eingebracht wurde oder aber im Zusammenhang mit einer offenen Leberoperation platziert wurde, oder aber durch die Haut in den Tumor gebracht wurde, aktiviert. Dieses Prinzip erinnert an die Mikrowelle zu Hause. Es entsteht dann lokal nach Aktivierung der Sonde eine große Hitze und das Tumorgewebe im Umkreis der sich vor Ort befindenden Sonde, die ein bisschen aussieht, wie ein kleiner Regenschirm, verdampft das Tumorgewebe, das zum Teil dann abgesaugt wird oder aber in einer so genannten Nekrosehöhle - d. h. Tumorzerfallshöhle - dann vom Körper abgebaut wird. Der Vorteil dieser Methode ist, dass nicht zu viel gesundes Lebergewebe untergeht. Die Krebszellen werden sozusagen verkocht.
Sczybris : Ich habe gelesen, dass in Indien jetzt Nexavar als Billigmedikament hergestellt werden darf. Jeder weiß doch, dass diese Nachahmer-Medikamente keineswegs identisch sind mit dem Originalprodukt. Mir macht das total Angst, dass ich ohne es zu merken so was anderes bekomme. Was sagt Dr. Krammer-Steiner?
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Die Gefahr, dass Medikamente, die patentgeschützt sind in der Herstellung durch Nachahmer auf den Markt gebracht werden, ist sehr groß. Wobei ich Sie ein wenig beruhigen kann. Wenn Sie das Nexavar in Europa, vielleicht sogar in Deutschland, auf legalem Wege, d. h. über Apotheken, beziehen, greift das sehr strenge deutsche Arzneimittelgesetz und der Schutz vor Medikamenten, in denen keine Wirksubstanz enthalten ist, ist nahezu hundertprozentig. Der Hersteller - oder falls es Importpräparate sind, der Importeur - ist gesetzlich zur Überwachung der Substanz verpflichtet. Nach meiner Kenntnis ist es bei Chemotherapeutika in Deutschland, zumindest das, was man in der Literatur nachvollziehen kann, noch nicht zu substanzlosen Medikamentenimporten gekommen. Ich verstehe Ihre Angst und möchte Sie darin bestärken, in der Apotheke oder aber - so, wie ich es bevorzuge - gemeinsam mit Ihrem Behandler korrekte Bezugswege nachzuvollziehen. In aller Regel kann man aufgrund von Nebeneffekten der Medikamente relativ schnell beurteilen, dass die Tabletten auch die Wirksubstanz enthalten. Sprechen Sie bezüglich der Nebeneffekte Ihren Behandler an und bewerten Sie sie gemeinsam.
FRAU DR. B. KRAMMER-STEINER: Ich bedanke mich für die rege Teilnahme sowie die vielen interessanten Fragen in dieser Sprechstunde und wünsche Ihnen allen noch einen angenehmen Abend!
Moderator : Mit freundlicher Unterstützung von der Bayer Vital GmbH
Ende der Sprechstunde.