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Prostatakrebs: Was kommt nach der Hormon-Therapie?

Dr. med. Wolfgang Hölzer
Praxis für Urologie - Onkologie
Prostatazentrum Berlin
Ärztehaus „Rudolf Virchow“
Reichenberger Str.3
13055 Berlin

Tel:030 9711511
Fax:030 97605264
E-Mail: praxis.hoelzer@gmx.de


 
Schwerpunkte
 
• Medikamentöse Tumortherapie
• Spezialisierte ambulante Palliativversorgung

PROTOKOLL

Prostatakrebs: Was kommt nach der Hormon-Therapie?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Wir beginnen um 19 Uhr.

Bast : Ist eine Bestrahlung mit Protonen eine zeitgemäße Behandlung? Wurde mir empfohlen, weil ich ein tiefsitzendes Karzinom habe und diese Art der Bestrahlung das Gewebe rundherum weniger in Mitleidenschaft ziehen soll.

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Art der Bestrahlung eine durchaus effektive Therapie sein kann. Zahlen dazu sind mir aber gegenwärtig nicht bekannt und meines Wissens ist diese Therapie auch nur an ganz wenigen Standorten möglich. Die Erfahrungen sind bisher sehr eingeschränkt. Langzeitüberleben ist meines Erachtens in dem Zusammenhang nicht untersucht. Richtig ist, dass durch Protonenbestrahlung die unerwünschten Wirkungen begrenzt werden könnten, was allerdings mit der modernen üblichen Hochvolt-Therapie ebenfalls möglich ist. Die Protonentherapie ist heute besonders durch einen hohen Aufwand noch gekennzeichnet.

Heidecke : Ist Prostatakrebs wirklich heilbar? Ich bin da inzwischen ganz unsicher, denn mein Bruder hat nach 6 Jahren nachweißlich einen Rückfall? keine Neuerkrankung - und es hieß bei ihm auch, dass er geheilt sei. Was genau heißt QUOT1Sie sind geheiltQUOT2, wenn ein Arzt das sagt?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Ja, zu dem Zeitpunkt einer frühen Therapie ist Prostatakrebs prinzipiell heilbar und der Erfolg dieser Heilung ist durch bestimmte Ergebnisse von Untersuchungen definiert. Hier ist insbesondere der PSA-Verlauf zu nennen. Natürlich ist auch das keine Gewähr dafür, dass zu einem viel späteren Zeitpunkt eben doch wenige verbliebene Prostatakrebszellen weiterwachsen und ein neuer - durch bildgebende Verfahren oder durch Laboruntersuchungen - festgestellter Tumor sich entwickelt. Das ist häufig ein schleichender Prozess und kann durchaus erst nach mehreren Jahren auffällig werden.

Gerber50 : Macht es Sinn wegen starker Nebenwirkungen die antihormonelle Therapie bereits jetzt abzubrechen, obwohl sie eigentlich noch wirkt und auf Jevtana umsteigen? Oder beraube ich mich dadurch wertvoller Monate?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Zum heutigen Zeitpunkt kann man auf diese Frage ganz klar mit einem Nein antworten, es macht keinen Sinn! Die antihormonelle Therapie hat zweifellos gewisse unerwünschte Wirkungen, bleibt aber auf absehbare Zeit die Erst-Linien-Therapie beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom. Das Ansprechen des Tumors auf diese Therapie ermöglicht ein weitgehend unproblematisches Leben und sollte nicht frühzeitig abgebrochen werden. Auch die folgenden Therapien haben ihre unerwünschten Wirkungen und ihren Platz deshalb in der Zweit- oder Dritt-Linie.

Sproleder : Ich bin 61 Jahre und voll im Arbeitsprozess. Das ging bisher mit einigen Fehlzeiten recht gut, aber ich merke, dass meine Konzentrationsfähigkeit nachlässt, seit ich in der Antihormonellen-Therapie bin. Ist das normal, kann man was dagegen machen? Meine Familie spricht mich schon darauf an, im Büro kann ich das aufgrund eines eigenen Zimmers einigermaßen kaschieren.

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Zweifellos ist es eine Belastung mit einem Tumor und der folgenden Therapie zu leben und man kann nicht leugnen, dass das Testosteron auch eine Rolle bei der Konzentrationsfähigkeit spielt. Die Tumortherapie hat hier natürlich den Vorrang. Vielleicht hilft Ihnen viel Bewegung und das Aufrechterhalten von sozialen Kontakten und das richtige Maß für die Arbeit ohnehin.

Barysnikow : Warum ist die Reaktion auf die antihormonelle Therapie so unterschiedlich. Bei mir wirkt das jetzt bereits nach 36 Monaten nicht mehr richtig, aber ich kenne einen Mitpatienten, der macht das schon erfolgreich seit über 10 Jahren. Was für ein Geschenk! Für mich gilt das nicht. Was bleibt für mich?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Leider kann man an Ihrem Beispiel recht gut erkennen, dass der Prostatakrebs keine einheitliche Erkrankung ist. Es gibt also Tumore, die mit einer hohen Aggressivität wachsen und deshalb nur begrenzt in ihrem Wachstum gehemmt werden können. Was Ihnen nach dem Versagen der antihormonellen Therapie in der Erstlinie bleibt, ist natürlich eine chemotherapeutische Option oder auch antihormonelle Ansätze der Zweit- und Drittlinie, wie sie auch kürzlich in Studien ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen konnten. Im Unterschied zu noch 10 Jahren verfügen wir heute über eine Fülle von therapeutischen Optionen. Das sollte Ihnen Mut machen.

Stolte : Ich liege durch eine antihormonelle Therapie bei 30 Nanogramm pro Deziliter Blut (30 ng/dl). Das ist meinem Onkologen zu wenig. Nach meiner Kenntnis lag der Grenzwert aber lange bei 50 Nanogramm Testosteron in einem Deziliter Blut (50 ng/dl). Warum sind dann 30 zu hoch? Wie kann dieser Wert erneut weiter heruntergedrückt werden?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Mit diesem Testosteronwert von 30 Nanogramm pro Deziliter liegen Sie im Kastrationsbereich, wie er auch durch unsere SIII-Leitlinie definiert ist. Ein weiter abgesenkter Testosteronwert kann mit einem längeren Ansprechen auf die antihormonelle Therapie verbunden sein. Häufig gelingt es aber auch nicht, tiefere Werte zu erreichen. In diesem Fall stehen weitere Therapieoptionen (Antiandrogene) zur Verfügung.

Mues : Stimmt es, dass man Prostatakrebs jetzt mit einem einfachen Urintest feststellen kann?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Nein, das stimmt so nicht. Auch dieser PCA3-Test, von dem Sie wahrscheinlich sprechen, gibt uns nur Hinweise

Hinrichs : Mir wurde eine Chemotherapie vorgeschlagen, weil ich als QUOT1hormontaubQUOT2 gelte (was für ein Begriff!). Das ist doch ein Rückschritt, der vorher mal gewirkt hatte, aber dann kam der Krebs ja wieder. Was soll also dieser Vorschlag? Könnte der Experte sich dazu äußern? Vielen Dank!

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Wir sprechen heute nach dem Versagen der Hormontherapie von einem kastrationsresistenten Tumor, für welchen gegenwärtig noch die Erst-Linien-Therapie, eine Chemotherapie mit Docitaxel ist. Der Vorschlag ist also richtig, wird aber in Zukunft sehr wahrscheinlich relativiert werden, weil eine Zulassungsstudie für Abiraterone die Indikation zum Einsatz dieses Medikamentes in genau dieser Erkrankungsphase festgelegt hat.

Juri : In Freiburg ist erstmalig die Wirkung von Homöopathie systematisch erforscht worden über einen längeren Zeitpunkt mit einer Patientengruppe von fast 400 Patienten. Es wurden eindeutige Erleichterungen in den Bereichen Angst und Erschöpfung festgestellt. Würde es schaden, wenn mein Bruder nach dem Ende der Hormontherapie und einer beginnenden Behandlung mit Jevtana parallel dazu auch homöopath. Mittel einsetzen würde?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Homöopathische Mittel sind dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration des Wirkstoffes in einer nahezu kaum noch definierbaren Menge vorliegt. D. h. mit anderen Worten, homöopathische Mittel sind prinzipiell einsetzbar und man muss nicht befürchten, dass durch diese ganz wenigen Moleküle, die vom homöopathischen Wirkstoff in den Körper eingebracht werden, die Wirkung oder Verträglichkeit der Jevtana-Therapie beeinflusst wird.

axenfeld : Vor 4 Jahren stieg mein PSA plötzlich stark an und war dann bei über 8. Diagnose Prostatakrebs. Es folgte eine Operation. Danach war alles ok mit weniger als 0,1. Aber nach 3 Jahren Ruhe ging es weiter. Der PSA stieg auf 0,9. Hormonbehandlung mit gutem Erfolg, der PSA ist wieder unten. Aber wie lange? Die Behandlung mit Zoladex hat bei mir auch so was wie Wechseljahre ausgelöst mit Schwitzanfällen usw. Ist das normal?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Ja, das ist leider eine häufige unerwünschte Wirkung dieser Präparategruppe. Dafür erkauft man sich aber hoffentlich lange Lebenszeit.

Highman : Mir sollen die Hoden entfernt werden, weil das noch effektiver sei als eine antihormonelle Therapie. Ich finde diesen Gedanken so unvorstellbar, dass ich gar nicht weiß, was ich machen soll? Was rät mir der Dr. Hölzer?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Als man vor ca. 70 Jahren entdeckte, dass Prostatakrebs durch die Entfernung des Hodengewebes für oftmals sehr lange Zeit im Wachstum gehemmt werden konnte, war das die einzige Methode, um das Ziel zu erreichen. Die heute meist angewandten Verfahren wirken zum Teil um wenige Wochen verzögert, haben bisweilen auch mehr oder weniger geringe unerwünschte Wirkungen bei der Applikation (Spritze), sind aber ansonsten gleichermaßen wirksam.

AKDrechsler : Meinem Vater (76J.) wurde empfohlen nichts zu machen. Statt dessen fiel ein Begriff ähnlich wie aktive Beobachtung (war englisch er konnte sich nicht mehr genau erinnern). Was heißt das jetzt? Bekommt er keine Therapie? Wie lange dauert diese Phase und passiert in dieser Zeit irgendetwas, oder gar nichts?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Ja, diese Form der Betreuung bei Prostatakrebs ist eine Möglichkeit. Bei dieser aktiven Beobachtung werden - insbesondere bei älteren aber auch bei schwer kranken Patienten - keine weiteren Therapiemaßnahmen verabreicht. Und die Hormontherapie wird für einen späteren Zeitpunkt - nämlich dem Zeitpunkt der symptomatischen Erkrankung - aufgespart. Das ist ein legitimes Vorgehen und führt zu weniger Belastung durch die unerwünschten Wirkungen einer Therapie.

Krienke : Ersetzt eine neoadjuvante Therapie eine Hormontherapie?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Neoadjuvant bedeutet: Der Einsatz einer Behandlung vor der definitiven Therapie. Wenn also die folgende definitive Therapie zur Heilung führt, dann erübrigen sich alle weiteren Behandlungsschritte. Ist das nicht der Fall, dann bleibt auch die antihormonelle Therapie eine Option.

Chlodu : Gibt es belegte Ergebnisse zur Wirkung von Omega-3-Fettsäuren und die Verhinderung von Prostatakrebs?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Statistisch sind Omega-3-Fettsäuren für die Verhinderung von Prostatakrebs ein Faktor. Da aber die Untersuchungen an einer sehr großen Bevölkerungsgruppe stattfanden, war hierbei nie nur ein Einzelfaktor zu eliminieren. Nicht auzuschließen ist, dass dieser Hinweis auf Wirksamkeit der Omega-3-Fettsäuren besonders in Verbindung mit anderen Faktoren, z. B. Vitamin D, Sonnenlicht, mediterrane Kost u. ä., zustande kommt.

Wessel : Was tun, wenn der Hormonspiegel unter der Hormontherapie wieder steigt auf einen Gleason über 8?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Der Gleason Score bezeichnet ein histopathologisches Bild (die Gewebetextur des Karzinoms) und ist nicht abhängig vom Hormonspiegel.

Berchthold : Bisher dachte ich immer, je höher der Gleason, desto aggressiver der Krebs. Hatte das zur Kenntnis genommen. Es verschlechtern sich aber die Werte bei meinem Bruder jetzt rapide und da wird man dann schon mal hellhörig, ob die Bewertung so einfach ist. Dabei bin ich auf den Wert einer sogen. DNA-Ploidie gestoßen, die den Wert offenbar relativiert. Es wäre sehr freundlich, wenn der Dr. Hölzer mir das erklären könnte. Beeinflusst das die Einschätzung der Perspektive und auch möglicherweise die resultierende Behandlungsart wenn die Hormonbehandlung nicht mehr wirkt?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Der Gleason Score ist ein sehr gutes Kriterium, um die Aggressivität des Tumors einschätzen zu können. Ein weiteres Kriterium, wenn auch nicht so häufig verwendet, ist die so genannte DNA-Zellkern-Ploidie. Beide Faktoren sind aber Momentaufnahmen und sagen uns nichts nur wenig darüber aus, wie sich der Tumor in Zukunft und besonders unter der Therapie verhält. Hierbei spielen so genannte Resistenzmechanismen, über die der Tumor als lebendes Gewebe verfügt, eine große Rolle. Ob sich die Risiken aber letztendlich verwirklichen, bleibt natürlich unklar, so dass man aber in jedem Fall die Hoffnung nicht aufgeben sollte. Über die Wirkung eines nächsten Therapieschrittes (Chemotherapie) sagen beide Faktoren nicht allzuviel aus.

Thom : Sehr geehrter Herr.Dr., auch wenn meine Frage etwas abweicht, stelle ich sie Ihnen: Nach RPE 06, IMRT 08, ist mein PSA wieder auf 4,3 hoch, d.h. Rezidiv.PET/CT hat ergeben, dass im Thoraxraum ein Lymphknotenpaket 3,2x 3,1 und im Beckenbereich mehrere vergröß. Lymphknoten existieren.Ist das so typisch? Mein Urol. empfiehlt Bicalutamid 150 für mehrere Wochen, damit der obere Tumor schrumpft und evtl. per CyberKnife entfernt werden kann. Später dann die einf. Androgenblockade GnRH-Analog-Depotspritze.Das alles bereitet mir Sorgen, zumal ich nicht weiss, was Sache ist und was nachhaltig Sinn macht. Daher bitte ich um Ihre Zusatzmeinung. Herzlichen Dank, mit freundlichen Grüßen

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Die alleinige Therapie mit Bicalutamid 150 ist keine Standardtherapie, kann im Einzelfall aber eine Option sein. Die GnRH-Analogon-Therapie hingegen ist der Standard in der Erstlinie. In jedem Fall aber zielt diese antihormonelle Behandlung darauf ab, dass das Tumorrezidiv zurückgedrängt werden soll. Dann erübrigt sich im erfolgreichen Fall auch eine weitere Strahlentherapie. Leider ist in Ihrem Stadium der Erkrankung eine Heilung zum heutigen Zeitpunkt prinzipiell nicht möglich.

Thesener : Wie kann man bei gleichwertigen Behandlungserfolgen , wenn es denn so etwas wirklich überhaupt gibt - entscheiden, welche Therapie die richtige für mich ist? Bin in der Hormontherapie, die noch erfolgreich ist, aber mein Arzt hat schon gesagt, nicht mehr lange. Dankenswerterweise bindet mich mein Urologe da intensiv ein und obwohl dieses Wissen, was da auf mich zukommt eine große Herausforderung für mich ist, finde ich es gut und fühle mich als Patient ernst genommen. Trotzdem suche ich nach weiteren Entscheidungshilfen. Deshalb möchte ich die zur Auswahl stehenden Verfahren auch nicht nennen, weil meine Frage eine grundsätzliche ist, die nicht von Vorlieben oder Antipathien des Experten beeinflusst werden sollte. Ich bitte sehr um eine Antwort.

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Ihre Frage zielt offensichtlich auf die Therapie nach dem Versagen der antihormonellen Behandlung ab und dort gibt es eine Reihe von zugelassenen Therapieformen. Sowohl der Chemotherapie als aber auch der nochmaligen Beeinflussung von androgenen Wachstumsmechanismen auf den Tumor. Hier verfügen wir, wie bereits in einer der vorigen beantwortet, über ein inzwischen größeres Instrumentarium und weitere Therapieoptionen sind gegenwärtig in der Prüfung bzw. in der Entwicklung.

MODERATOR: Unser Experte macht eine kurze Pause. Wir setzen die Beantwortung Ihrer Fragen in wenigen Minuten fort.

Wentorf : Wann sind Medikamente mit östrogener Wirkung und rein synthetischen Hormonen angesagt?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Vor ca. 25 Jahren neigte sich die Östrogentherapie des Prostatakarzinoms aufgrund von unerwünschten Wirkungen, insbesondere Thrombosen oder Embolien, definitiv ihrem Ende zu. Die heutige antihormonelle Therapie wird mit modernen Präparaten, die weniger unerwünschte Wirkungen aufweisen, durchgeführt.

Kindler : Wann sollte eine Kombination aus Östrogen mit Zytostatikum eingesetzt werden? Gibt es einen Unterschied in der Wirkweise bei Tabletten oder Injektion.

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Sie denken vermutlich an das Medikament Estramustinphosphat. Dieses Medikament stellt eine zugelassene Möglichkeit dar, das Prostatakarzinom auf einem überwiegend östrogenartigen Weg zu hemmen und ist in vielen Fällen durchaus über einen gewissen Zeitraum effektiv. Es spielt dabei eine weniger bedeutsame Rolle für die Wirkung, ob das Medikament als Tablette (oral) oder als Injektion verabreicht wird. Bei den unerwünschten Wirkungen hingegen haben wir aber doch durchaus Unterschiede. So sind die typischen Störungen des Leberstoffwechsels insbesondere bei der oralen Gabe ausgeprägt, da ein ca. 50 Prozentanteil des Medikamentes, welches dann zu 100 % vom Darm in die Leber geleitet wird , von der Leber verstoffwechselt wird und deshalb nicht am Tumor wirken kann.

Rueckert : Stimulation der Hirnanhangdrüse durch Katastrationstherapie führt zu mehr Testosteronausschüttungen und ist total kontraproduktiv. Kann man sich davor schützen, wenn das doch bekannt ist?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Die Kastrationstherapie ist ob medikamentös oder chirurgisch durchgeführt, die Standardtherapie für die Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Eine Stimulation der Hirnanhangsdrüse wird damit nicht erreicht.

Rubach : Wie gefährlich ist eine aktive Überwachung, dass der Zeitpunkt für Handlung verpasst wird und dann eine schwerwiegendere Operation folgt, die bei früherem Eingreifen nicht notwendig gewesen wäre?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Ihre Bedenken kann ich völlig nachvollziehen. Diese Gefahr besteht einerseits zurecht und es bedarf einer wirklich aufmerksamen und kritischen Überwachung seitens Ihres Urologen. Andererseits ist aber ein zu frühes Einschreiten möglicherweise mit einer idealen Heilungsrate verbunden, aber mit so hohen unerwünschten Begleiterscheinungen vergesellschaftet (wie Inkontinenz oder Impotenz), so dass man vernünftiger Weise auf Basis eindeutiger Kriterien, die niedergelegt wurden in unserer SIII-Leitlinie festgelegt wurden. Dieses Thema bewegt uns aber in der Sprechstunde sehr viel und ist noch ungewöhnlich, weil wir erst lernen müssen, dass Prostatakrebs in vielen Fällen auch keine tödliche Erkrankung ist, sondern der Betroffene mit seinem Tumor verstirbt aber nicht durch ihn. Mit anderen chronischen Erkrankungen, die ebenfalls in vielen Fällen tödlich verlaufen können (Diabetes Mellitus, Bluthochdruck mit Komplikationen etc.) hat man viel besser gelernt zu leben.

Pham : Was für eine Nachsorgen, welche Art von Bildgebung empfiehlt der Experte in der Nachsorge nach der Hormontherapie

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Bei laufender effektiver Hormontherapie biete ich meinen Patienten, neben der regelmäßigen PSA-Kontrolle, die Ultraschalluntersuchung an. Weitere bildgebende Diagnostik halte ich erst dann für angezeigt, wenn in der einen oder anderen Weise, z. B. auch Symptome Hinweise auf einen Tumorprogress geben. Anders ist die Situation, wenn wir bereits von einem PSA-Progress oder einer kastrationsrefraktären Erkrankung reden. Dann gehört sicherlich auch im asymptomatischen Stadium eine bildgebende Diagnostik mittels Skelettsyntigraphie, eventuellem CT oder MRT dazu.

Joos : Bei Routine-Termin wurde Anstieg von PSA-Wert festgestellt. Danach im Wochenrhythmus kontrolliert. Steigt weiter. Hormontherapie offenbar nicht mehr wirkungsvoll. Mein Arzt sagt er hätte noch was im Ärmel, was sagt der Dr. Hölzer hier?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Falls der Testosteronwert sich im Kastrationsbereich befindet, liegt bei Ihnen möglicherweise tatsächlich ein kastrationsrefraktäres Prostatakarzinom vor. Die zusätzliche Gabe von Flutamid oder Bicalutamid ist möglicherweise schon erfolgt oder sollte anderenfalls versucht werden. Auch dadurch kann ein Tumorwachstum nochmals gehemmt werden. Wenn auch diese Option versagt, ist der Zeitpunkt für eine Chemotherapie zweifellos nicht zu früh zu wählen, andererseits aber auch wiederum nicht zu verpassen. Denn wir wissen, dass verschieden Faktoren, wie Schmerzen, Lebermetastasierung und schlechtes Allgemeinbefinden, auf die Wirkung der Chemotherapie ungünstigen Einfluss haben. Typischerweise auch deren optimalen Einsatz behindert. Insofern sagen auch hier unsere Leitlinien, dass ein Einsatz der Chemotherapie bei rascher PSA-Verdopplung als Zeichen einer hohen Wachstumsgeschwindigkeit oder eine hohe Tumorlast auch im asymptomatischen Stadium bereits empfohlen wird.

Ovo : Bisher ist unser Vater bestrahlt worden, jetzt soll er plötzlich operiert werden. Wir verstehen das nicht, denn bisher kenne ich die Prostatakrebsbehandlung aus dem Freundeskreis so, dass erst operiert und dann bestrahlt wird. Ist da etwas versäumt worden?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Dieses Vorgehen bei Ihrem Vater ist im Unterschied zu den auch Ihnen bekannten nicht typisch. Die Prostata wird bestrahlt, um den Krebs zu heilen. Das ist eine gute und sehr oft auch sichere Möglichkeit. Wenn dann aber doch ein Hinweis auf ein lokales Tumorrezidiv besteht, ist im Einzelfall auch dieses Vorgehen, wie bei Ihrem Vater beabsichtigt, zu diskutieren.

Polay : Wenn man die Hormontherapie absetzt, erholt sich dann die Testosteronproduktion wieder? Ist das dann kontraproduktiv für die Erkrankung, oder muss ich damit leben, dass ich nie wieder mit meiner Frau normal schlafen kann?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Das zwischenzeitliche Absetzen der Hormontherapie ist heute kein Experiment mehr. Unter sorgfältiger Kontrolle Ihres Urologen ist dieses Vorgehen durchaus sicher und häufig auch mit weniger unerwünschten Wirkungen vergesellschaftet. Nach uns vorliegenden Untersuchungen leider aber auch nicht mit einem längeren Ansprechen verbunden.

Eckert : Gibt es eine zuverlässige Aussage zum Vergleich von Dauertherapie oder mit Unterbrechungen? Was ist besser?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Die intermittierende Androgenentzugstherapie ist im Vergleich zur kontinuierlichen mit einem geringen Überlebensnachteil verbunden. Diese wird in Anbetracht der Dauer der uns vorliegenden Studie (etwas über fünf Jahre) insgesamt als gering bewertet. Die Vorteile durch erneute Testosteronproduktion im Hinblick auf Lebensqualität sind von Fall zu Fall zu bewerten und mit jedem Patienten im Einzelfall zu besprechen.

Impex : Was ist eine kastrationsrefraktäre Situation.

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Wenn die Prostatakarzinomerkrankung durch die Hormonentzugstherapie nicht mehr zu kontrollieren ist, sprechen wir von einem solchen kastrationsrefraktären Stadium unter der Voraussetzung, dass der Testosteronwert kontrolliert im Bereich von 20 bis 50 Nanogramm pro Deziliter liegt.

Kasdorf : Wodurch erkennt mein Onkologe, dass in meinem Körper die Testosteronproduktion reduziert bzw. eingestellt ist? Geht das über einen Bluttest wie PSA. Was erbringt den Beweis, dass die Behandlung anschlägt?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Man erkennt die Absenkung des Testosteronspiegels durch die Bestimmung im Serum, was die Untersuchung von Venenblut bedeutet. PSA hingegen ist ein Produkt des Zellstoffwechsels im Prostatagewebe und gibt uns Hinweise auf die Aktivität sowohl von normalem Prostatagewebe als auch von Prostatakrebszellen.

Orkan : Neulich fiel in der Besprechung mit meinem Urologen ein Begriff, der mir neu war. Er meinte, Sie sind in dem Stadium, wo wir Therapien schichten sollten. Was wohl heißt verschiedene Therapien gleichzeitig. Ist das dann wirklich ein Vorteil? Viel hilft viel?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Völlig zu recht ist diese Bezeichnung sehr missverständlich und was konkret damit gemeint war, kann ich Ihnen jetzt nicht deuten. In jedem Fall sollten Sie dazu das Gespräch mit Ihrem Urologen suchen.

Nouri : Es ist ja ein Unterschied, ob eine Behandlung das Leben real verlängert, oder nur die Zeit verlängert, in der die Krankheit nicht fortschreitet. Was kommt nach der Hormontherapie? Gibt es da eine Therapie, die sowohl das Leben verlängert, als auch die Krankheit stoppt?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Wenn wir die Erkrankung stoppen, heilen leider können wir in diesem Stadium nicht, dann ist das heute theoretisch mit vielen Medikamenten möglich. Durch diese Beeinflussung des Tumorgeschehens gewinnt der Betroffene Lebenszeit und in aller Regel auch deutlich Lebensqualität. Hier gibt es sowohl für die Chemotherapie, (Docitaxel oder Cabazitaxel) als auch für Androgrenrezeptor attackierende Substanzen nachweislich im statistischen Mittel ca. drei bis fünf Monate Lebensverlängerung. Inwieweit aber der einzelne profitiert, kann man vorab schwer sagen. Im Einzelfall sind es viele Jahre, in manchen Fällen aber auch spricht die Therapie gar nicht an.

Üzgür : Kann ich als Patient davon ausgehen, dass sich meine urologisch-onkolische Behandlung streng an die Vorgaben der Richtlinien orientieren? Wie viel Spielraum ist in der Interpretation der Daten?

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Ja, als Patient sollten Sie davon ausgehen können, dass sich Ihre Behandlung an den Vorgaben der Richtlinie orientiert. Orientieren heißt aber auch, wie Sie richtig bemerken, dass hier Spielraum ist, der durch die Besonderheiten jedes einzelnen Falles, hinter dem sich ja der ganze Mensch verbirgt, eine unendliche Vielzahl an Situationen besteht, die berücksichtigt werden müssen.

DR. MED. WOLFGANG HÖLZER: Zum Abschluss der Sprechstunde wünsche ich allen hier Teilnehmenden, sofern Sie selbst betroffen sind, gesundheitlich alles Gute und denke, dass neben dem Wissen um die Prozesse ein gutes Vertrauensverhältnis zum behandelnden Arzt die Grundlage sind. Hiermit verabschiede ich mich von Ihnen und wünsche Ihnen allen noch einen angenehmen Abend.



Ende der Sprechstunde.


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