PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Wir beginnen um 19 Uhr.
Laura : Was bedeuten echoarme Areale der Sonographie? Es ist aber sonst nichts festzustellen, was auf Knoten o.ä. hinweisen würde.
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Echoarme Areale sind zunächst einmal eine sonographische Beschreibung einer Region in der Schilddrüse. Wenn sich bei einem echoarmen Areal kein Knoten abgrenzen lässt, dann besteht immer der Verdacht auf eine Entzündung. Bei diesem sonographischen Befund bei der Schilddrüse handelt es sich dann häufig um Schilddrüsen-Autoimmun-Erkrankungen. Das ist ein Zustand des Immunsystems, bei dem sich das Immunsystem gegen die Schilddrüse wendet und die Schilddrüse zerstört. Meist handelt es sich dann um eine so genannte Hashimoto Thyreoiditis (eine autoimmune Schilddrüsenentzündung). Und diesen sonographischen Verdacht kann man sehr einfach erhärten durch eine Blutuntersuchung auf Antikörper gegen ein Enzym der Schilddrüse, welches Schilddrüsenperoxidase heißt. Diese so genannten TPO-Antikörper sind in ungefähr 90 % der Fälle einer autoimmunen Schilddrüsenentzündung positiv. Auf diese Weise ließe sich dann also dieser sonographische Befund näher klären.
Esther : Kann der Tumormarker Thyroglobulin im Fall eines papillären Karzinoms auf Metastasen hinweisen?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Dieser Tumormarker Thyroglobulin ist in der Nachsorge des Schilddrüsenkarzinoms erst dann verwendbar, wenn die Schilddrüse durch eine Operation vollständig entfernt ist. Dies wird in der Regel bei einem Schilddrüsenkarzinom durchgeführt. Und die zweite Bedingungen ist, dass nach dieser chirurgischen Entfernung der Schilddrüse der immer - auch bei einer guten Operation - verbleibende Schilddrüsenrest mit einer Radio-Jod-Therapie entfernt wird. Wenn also ein Schilddrüsenkarzinom auf diese Weise therapiert wurde, dann kann der Anstieg des Thyroblobulins auf Metastasen eines Schilddrüsenkarzinoms hinweisen.
Hilli : Wann muss eine Schilddrüse operiert werden, wann geht es mit Tabletten?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Eine absolute Schilddrüsenoperationsindikation ist der Nachweis eines Schilddrüsenkarzinoms. Sehr häufig wird jedoch auch aus diagnostischen Gründen operiert, nämlich dann, wenn der Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom durch Anamnese, Ultraschall und Feinnadelpunktion des Knotens nicht eindeutig zu entscheiden ist. Eine weitere Ursache für Schilddrüsenoperationen können Raumforderungen, bzw. besser Verdrängungen, durch eine gutartige knotige Schilddrüsenvergrößerung sein. Wenn diese Beschwerden des Patienten nicht anders zu beherrschen sind, eine Alternative zur Operation ist bei gutartigem knotigen Schilddrüsenerkrankungen auch die Radio-Jod-Therapie. Mit Tabletten ist eine Behandlung von Schilddrüsenvergrößerungen im jugendlichen Alter sehr effektiv möglich. Bei Schilddrüsenvergrößerungen bei Jugendlichen wird Jod eingesetzt. Die Behandlung von knotigen Schilddrüsenvergrößerungen bei Erwachsenen mit Medikamenten ist in der Regel problematisch. Es kann ein Versuch mit Jod gemacht werden. Dieser ist bei Erwachsenen aber deutlich weniger häufig erfolgreich als bei Jugendlichen. Schilddrüsenhormone sind in der Vergangenheit häufig mit dem Ziel der Verkleinerung von Schilddrüsenknoten eingesetzt worden. Die Effektivität dieses Therapieansatzes ist jedoch gering und dieser Therapieansatz wird daher in aktuellen Leitlinien heute nicht mehr empfohlen.
der interessierte Be: Hallo, Bei mir (30 Jahre) wurde letzte Woche bei einem Bluttest festgestellt dass meine Thrombozyten Anzahl viel zu niedrig ist. Ich habe einen Wert von 41 bei einem angegebenen Normbereich von 178 ? 412. Als ich näher darüber nachdachte ist mir eingefallen dass ich vor zwei Jahren schon mal beim Arzt war und dabei ein ebenfalls zu niedriger Thrombozyten Wert von 51 festgestellt wurde. Sträflicher weise wurde damals nicht darauf reagiert und nichts weiter unternommen. Nun zu meinen Fragen: Wie gefährlich ist dieser Wert für mich aktuell. Kann es zu spontanen lebensgefährlichen Blutungen kommen? Ist davon auszugehen dass dieser Wert in Zukunft immer noch weiter sinken wird, sprich sich das Krankheitsbild weiter verschlimmern wird? In den letzten beiden Jahren ist mein Wert ja bereits weiter gesunken ?. Natürlich habe ich nun Angst dass der Hintergrund dieser Erkrankungen etwas dramatisches ist (Leukämie usw.) Daher wollte ich sie fragen wie groß ihrem Erfahrungswerten zu Folge die Gefahr ist dass sich hinter meinem viel zu niedrigem Thrombozyten Wert etwas lebensbedrohliches verbirgt? Ich weiß diese Frage ist aus der Ferne natürlich nicht wirklich zu beantworten ? aber so ein grober Überblick über die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Möglichkeiten wäre wünschenswert. Zudem würde mich noch interessieren ob der niedrige Wert eventuell mit einer Schilddrüsenerkrankung im Zusammenhang stehen könnte? Ich meine mich daran zu erinner dass bei mir kurzzeitig mal der Verdacht von Hashimoto-Thyreoiditis im Raum stand dann aber so glaube ich rasch wieder verworfen wurde. Könnte darin ein Zusammenhang bestehen? Vielen Dank Der interessierte Betroffene
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Dieser über Jahre beobachtete Befund der Erniedrigung der Thrombozytenanzahl sollte durch einen Hämathologen abgeklärt werden. Für diesen Laborbefund kommen viele Ursachen in Frage. Zur Prognose kann daher naturgemäß nichts ohne Kenntnis der Ursache gesagt werden. Unter den möglichen Ursachen für erniedrigte Thrombozytenanzahlen kommen zunächst ganz andere Erkrankungen als eine Schilddrüsenerkrankung in Frage und ich denke, es ist richtig, dass der Zusammenhang mit Hashimoto-Thyreoiditis verworfen wurde. Eine hämathologische Ursachenabklärung ist dringend erforderlich.
Kathen-Thyrox : Sollte man in jedem Fall die Schilddrüse erhalten und erstmal alles andere ausprobieren, oder lieber diese ganze try-and-error Behandlung lassen, das krankhafte Organ entfernen und dann halt substituieren?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Die Schilddrüse sollte nie in jedem Fall entfernt werden. Für eine Schilddrüsenoperation muss immer ein eindeutiger Grund (eine Indikation) vorliegen. Eine try-and-error-Behandlung kenne ich nicht. Jede Diagnosestellung hat aufgrund unserer leider immer noch beschränkten medizinischen Kenntnisse eine gewisse Unsicherheit. Das gilt auch für Schilddrüsenerkrankungen. Nur dann, wenn sich durch die Entfernung der Schilddrüse eine klare diagnostische Frage klären lässt, die anders nicht zu beantworten ist, oder wenn ein therapeutischer Grund für die Schilddrüsenentfernung, wie z. B. ein Schilddrüsenkarzinom vorliegt, oder wenn Beschwerden durch eine vergrößerte Schilddrüse vorliegen, nur dann ist eine Schilddrüsenentfernung sinnvoll (indiziert). Und nur dann sollten die Folgen durch eine Schilddrüsenhormon-Ersatztherapie in Kauf genommen werden, welche insbesondere in der Abhängigkeit von der lebenslangen täglichen Einnahme einer Schilddrüsenhormontablette bestehen.
Jelena : Basedow-Rezidiv- was tun? Fast 3 Jahre nach meiner subtotalen Schilddrüsen-operation habe ich ein Rezidiv mit vielfältigen Symptomen wie Störungen des Glukose-Haushaltes, Haarausfall und Gewichtsabnahme. Außerdem psychische Symptome mit Angstzuständen und Depressionen. Bin im europ. Russland geboren und später mit meinen Eltern nach Deutschland gekommen. Besteht da eine Verbindung?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Rezidive eines Morbus Basedow nach einer richtig durchgeführten subtotalen Schilddrüsenoperation treten selten auf. Für Rezidive werden zahlreiche mögliche Ursachen diskutiert, ohne dass dafür letztendlich Beweise vorliegen. Gesichert ist jedoch, dass der Morbus Basedow einen phasenhaften Verlauf nehmen kann. Es können sich Remissionen und Rezidive abwechseln. Oder es kann zu einer dauerhaften Spontanremission (Heilung) kommen. Die Ursache des Rezidivs für Ihren Morbus Basedow wird sich mit großer Sicherheit nicht klären lassen. Jedoch ist eine gut untersuchte mögliche Ursache für häufigere Rezidive nach einer Operation des Morbus Basedow ein zu großer postoperativer Schilddrüsenrest. In Ihrem Fall kommt als Therapieoption des Rezidivs wahrscheinlich am ehesten eine Radio-Jod-Therapie in Frage, insbesondere dann, wenn keine aktiven Augenbeschwerden bestehen.
Rolf : Wie kann eine Immunopathie der Schilddrüse entstehen? Was das genau ist konnte mir meine Schwester nicht erklären, aber dass es bei ihr keinen Hinweis auf eine Überfunktion oder Unterfunktion gibt. Zu was führt das? Ist das gefährlich?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Immunopathie der Schilddrüse ist zunächst ein sehr genereller Begriff, der weiter präzisiert werden muss, wenn man sich mit möglichen Ursachen beschäftigen möchte. Die wichtigsten Immunopathien der Schilddrüse sind der Morbus Basedow und die Hashimoto Thyreoiditis (autoimmune Schilddrüsenentzündung). Generell kann gesagt werden, dass es sich bei beiden Erkrankungen um eine Fehlregulation des Immunsystems handelt. Dass Immunsystem richtet sich gegen das eigene Schilddrüsengewebe und führt so im Falle des Morbus Basedow durch die Bildung von Antikörpern, welche sich gegen den TSH-Rezeptor richten, zu einer Stimulation der Schilddrüsenhormonproduktion und damit zur Schilddrüsenüberfunktion. Im Falle der Hashimoto Thyreoiditis richtet sich die Fehlsteuerung des Immunsystems überwiegend gegen das Schilddrüsenenzym Schilddrüsenperoxidase (TPO). Im Fall der Hashimoto Thyreoiditis ist der Autoimmunprozess eher auf eine Zerstörung der Schilddrüse ausgerichtet. Im Rahmen dieser Zerstörung kann es zu kurzen - bis zu sechs Wochen dauernden - Phasen einer Schilddrüsenüberfunktion kommen, durch die Zerstörung der Schilddrüsenhormonspeicher. Im weiteren Verlauf der Hashimoto Thyreoiditis, kann es dann zu einer Schilddrüsenunterfunktion oder auch zu einer lange Zeit bestehenden normalen Schilddrüsenfunktion führen.
Miriam : Was muss vor einer Radiojodtherapie alles beachtet werden, z.B. jodarme Ernährung?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Hier müsste zunächst geklärt werden, aus welchem Grund die Radio-Jod-Therapie durchgeführt wird. Möglichkeiten sind z. B. die Behandlung eines Morbus Basedows oder die Behandlung einer Schilddrüsenautonomie oder eine Radio-Jod-Therapie zur Verkleinerung einer Schilddrüsenvergrößerung mit normaler Schilddrüsenhormonstoffwechsellage oder zur Behandlung eines durch totale Thyriodektomie operierten Schilddrüsenkarzinoms. Im Falle der Radio-Jod-Therapie eines operierten Schilddrüsenkarzinoms sollte eine jodarme Ernährung vorausgehen. Bei einer Radio-Jod-Therapie des Morbus Basedow sollte nach einer aktiven endokrinen Orbitopathie (Augenerkrankung bei Morbus Basedow) gesucht werden, da sich eine endokrine Orbitopathie unter einer Radio-Jod-Therapie ohne begleitende Behandlung mit Kortikoiden verschlechtern kann.
Hornstein : Was ist mit Nexavar für die Schilddrüse? Ist das wirklich eine echte Alternative? Ich gehöre nämlich zu den Radiojod-Resistenten. Funktioniert einfach nicht mehr. Hab gehört so was gibt es auch bei anderen Erkrankungen, dass eine Therapie erst wirkt und dann nicht mehr. Ich war da nicht drauf vorbereitet, weil man mir das nicht vorher gesagt hatte, dass das eintreten könnte. Warte darauf, dass endlich die Zulassung für Nexavar kommt. Hatte recherchiert, dass es diese Tabletten auch für andere Krebserkrankungen schon gibt. War also schon auf dem Markt, aber mein Doc wollte es mir nicht geben. Was für Chancen bieten sich mir jetzt damit?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Eine Therapie mit Nexavar kommt bei Patienten mit Radio-Jod-resistenten metastasiertem Schildrüsenkarzinom in Frage. Zunächst muss eine eindeutige Diagnose der Radio-Jod-Resistenz gestellt werden. Das Auftreten einer Radio-Jod-Resistenz kann nicht vorhergesagt werden. Für Patienten mit Radio-Jod-resistenten Schilddrüsenkarzinomen gab es bis vor zwei Monaten keine aussichtsreiche Therapiemöglichkeit. Das hat sich mit der Zulassung von Nexavar in Amerika und vor zwei Monaten in Europa geändert. Für die Zulassung von Nexavar für die Behandlung des Radio-Jod-resistenten Schilddrüsenkarzinoms wurde eine internationale placebokontrollierte Studie durchgeführt. Diese Studie zeigte eine Zunahme des progressionsfreien Überlebens (kein Tumorwachstum) von 5,8 Monaten in der Placebo-Gruppe auf 10,8 Monate in der Nexavar Therapiegruppe. Insbesondere Lungenmetastasen sprechen sehr gut auf Nexavar an. Dies ist eine deutliche Veränderung der Situation für Patienten mit Radio-Jod-resistenten metastasierten Schilddrüsenkarzinomen. Es ist richtig, dass Nexavar bereits seit einiger Zeit für die Behandlung des Nierenkarzinoms und auch für die Behandlung des Leberkarzinoms zugelassen ist. Nun können seit zwei Monaten auch Patienten mit Radio-Jod-resistentem Schilddrüsenkarzinom behandelt werden. Da bei der Behandlung mit Nexavar auch unerwünschte Wirkungen auftreten können und da immer auch bei bestimmten Metastasenlokalisiationen andere zusätzliche Therapiemöglichkeiten geprüft werden müssen, sollte eine Therapie mit Nexavar nur in einem interdisziplinären Tumorzentrum mit Nexavar Therapieerfahrung und Spezialisierung auf Schilddrüsenkarzinome durchgeführt werden. Unter diesen Bedingungen kann die bisher schlechte Prognose von Patienten mit Radio-Jod-resistenten metastasierten Schilddrüsenkarzinomen erheblich verbessert werden.
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Tabea : Ich bin ursprünglich aus Weißrussland und als Kind nach Deutschland gekommen. Ab meinem 14. Lebensjahr - bin jetzt 45 wurde ich fast 10 Mal wegen einer Unterfunktion behandelt. Die meiste Zeit ging es mir gut, aber dann bekam ich regelmäßig Lymphknotenschwellungen. Es folgte eine Medikamentenumstellung. Irgendwann hatte ich kalte Knoten, die nach einigen Jahren aktiv wurden. An Stelle einer Operation soll ich eine Radio-Jod-Therapie bekommen. Ich bin entsetzt, wie sich diese Krankheit aufgebaut hat. Hängt das mit dem damaligen Reaktorunglück zusammen? Wo führt das hin, kann man da jetzt mal durch eine entsprechende Behandlung einen Endpunkt setzen?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Ihre Krankheitsschilderung ist etwas ungewöhnlich. Zunächst wäre zu fragen, warum zehn Mal wegen einer Unterfunktion behandelt wurde. Wurde eine Schilddrüsenentzündung (Hashimoto Thyreoiditis) ausgeschlossen? Das Auftreten von Lymphknotenschwellungen, welche nicht durch eine Infektion erklärt werden können, muss bei Schilddrüsenknoten immer abgeklärt werden. Kalte Knoten sind mit einer Radio-Jod-Therapie schwer zu behandeln. Zudem sollten bei Schilddrüsenknoten immer sonographische Malignitätskriterien erhoben werden. Bei Vorliegen sonographischer Malignitätskriterien und insbesondere bei verdächtigen Lymphknotenvergrößerungen sollten diese verdächtigen Schilddrüsenknoten mittels einer Feinnadelpunktion abgeklärt werden. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sollte über die weitere Therapie entschieden werden.
Dorle : Bin 36 Jahre alt, habe seit ca.3 Jahren Hashimoto Thyreotitis zusätzlich ca. 3 kalte Knoten auf der linken Seite. Alle 6 Mon. Werden die kontrolliert. Mal werden sie größer, mal kleiner. Ich nehme zusätzlich Euthyrox 75, 1 Tablette täglich. Mir geht es gut, habe keine Beschwerden. Müssen diese Knoten unbedingt entfernt werden? Würde lieber noch warten und weitere Entwicklung abwarten. Der Chirurg sagt aber weg damit.
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Bei der Hashimoto Thyreoiditis kommt es nach längerem Krankheitsverlauf sehr häufig zu einer knotigen Umwandlung der Schilddrüse. Selbst, wenn man zweimal den gleichen Schilddrüsenknoten mit einem Intervall von zwei Tagen misst, wird man unterschiedliche Größen messen. Dies liegt an der Messungenauigkeit bzw. dem Messfehler der sonographischen Größenbestimmung. Eine tatsächliche Größenveränderung des Schilddrüsenknotens muss von diesem immer auftretenden Messfehler abgegrenzt werden. Grundsätzlich ist das einfache Vorhandensein eines Knotens nie ein Grund für eine Schilddrüsenoperation. Sonst müssten 20 % der deutschen Bevölkerung an der Schilddrüse operiert werden. Denn so häufig sind Schilddrüsenknoten in Deutschland. Darüber hinaus treten Schilddrüsenknoten bei Hashimoto Thyreoiditis, wie gesagt, bei längerem Verlauf fast regelhaft auf. Da also nicht alle Schilddrüsenknoten operiert werden können, müssen die Schilddrüsenknoten weiter abgeklärt werden. Dies erfolgt mittels der Schilddrüsenultraschalluntersuchung, durch welche insbesondere sonographische Malignitätskriterien der Schilddrüsenknoten untersucht werden müssen. Wenn sonographische Malignitätskriterien vorliegen, wenn eine eindeutige Größenzunahme des Knotens auftritt oder wenn andere klinische Hinweise auf ein erhöhtes Malignitätsrisiko vorliegen und wenn der Schilddrüsenknoten nicht heiß ist, dann sollte eine Feinnadelpunktion durchgeführt werden. Ergibt die Feinnadelpunktion ein verdächtiges oder ein unklares Ergebnis, dann sollte in der Regel eine Schilddrüsenoperation durchgeführt werden. In 60 bis 70 % der Fälle ist das Ergebnis der Feinnadelpunktion jedoch gutartig. Zudem lassen sich ca. 50 % der Schilddrüsenknoten durch den Schilddrüsenultraschall als gutartig charakterisieren und bedürfen keiner Feinnadelpunktion. Diese nach Ultraschallkriterien oder nach dem Ergebnis der Feinnadelpunktion gutartigen Schilddrüsenknoten sollten weiter mittels Ultraschall nachbeobachtet werden. Der Abstand der Ultraschalluntersuchungen sollte in der Regel ein Jahr betragen. Nach zwei bis drei Jahren kann der Abstand zwischen den Ultraschalluntersuchungen vergrößert werden.
Klärchen : Ich schwanke in der Entscheidung, mir wurde eine Radiojod-Behandlung vorgeschlagen, alternativ Tabletten. Stimmt es, dass diese Strahlentherapie das Problem der Überfunktion einmalig löst? Dann wäre das sicherlich der einfachste Weg. Andererseits habe ich Angst vor Strahlen. Was ist mit einer Tablettenbehandlung? Löst die das Problem, oder muss man die dauerhaft nehmen, bzw. wie lange kann man die überhaupt nehmen?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Zur Beantwortung dieser Frage müsste zunächst geklärt werden, welche Form der Schilddrüsenüberfunktion bei Ihnen vorliegt. Davon hängt die Beantwortung Ihrer Frage ab. Wird Ihre Schilddrüsenüberfunktion durch einen einzelnen heißen Knoten verursacht, so ist Radio-Jod-Therapie eine sehr effektive Therapiemöglichkeit. Sie führt in mehr als 95 % der Fälle zu einer Heilung der Erkrankung bzw. zu einer Ausschaltung des heißen Knotens. Bei mehreren heißen Knoten tritt der Therapieerfolg nach einer einzigen Radiotherapie etwas weniger häufig ein. Etwaige weitere nicht heiße Schilddrüsenknoten müssten vor einer Radio-Jod-Therapie hinsichtlich ihres Malignitätsrisikos durch Schilddrüsenultraschall und ggf. Feinnadelpunktion abgeklärt werden. Abhängig von den Ergebnissen dieser Untersuchungen ist dann bei heißen Knoten in Schilddrüsen mit mehreren Schilddrüsenknoten ggf. auch eine Schilddrüsenoperation erforderlich. Ist die Ursache für Ihre Schilddrüsenüberfunktion ein Morbus Basedow und ist Ihre Schilddrüse nicht knotig verändert und wenn keine Hinweise auf eine aktive endokrine Orbitopathie bestehen, so ist auch bei Morbus Basedow die Radio-Jod-Therapie eine gute Therapiemöglichkeit mit hoher Erfolgsrate. Die medikamentöse Therapie ist bei heißen Knoten keine Alternative, da sie lebenslang durchgeführt werden muss und häufig angepasst werden muss und auch häufig zu unerwünschten Wirkungen führen kann. Bei Morbus Basedow sollte die medikamentöse Therapie mit Thyostatika für ein bis ca. zwei Jahre durchgeführt werden und dann abgesetzt werden. Unter dieser Therapie kann sich bei Morbus Basedow in bis zu ca. 50 % eine Spontanheilung der Schilddrüsenüberfunktion einstellen. Dann ist keine weitere Therapie, sondern nur eine Kontrolle der Schilddrüsenfunktion in größeren Abständen erforderlich. Kommt es zu einem Rezidiv nach Absetzen der thyostatischen Therapie nach ein bis zwei Jahren, so sollte entweder eine Radio-Jod-Therapie oder eine subtotale Schilddrüsenresektion durchgeführt werden. Das Risiko für die Auslösung von Krebserkrankungen durch eine Radio-Jod-Therapie ist äußerst gering bis nicht vorhanden.
Kiki : Wie errechnet der Endokrinologe wie viel Thyroxin man einnehmen muss, wenn die Schilddrüse ganz entfernt wurde und man 100% substituieren muss? Ist das gewichts- und größenabhängig, oder was sind da die Referenzpunkte?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Generell ist die Berechnung der Thyrosindosis abhängig vom Körpergewicht und beträgt bei Erwachsenen ca. 1,5 ug pro Kilogramm Körpergewicht. Andere Richtwerte gelten für Kinder und insbesondere bei Schwangeren muss die Schilddrüsenhormonersatzdosis möglichst bereits sofort bei Eintritt der Schwangerschaft um ca. ein Drittel der Dosis erhöht werden. Zudem werden bei Patienten mit operierten und Radio-Jod-behandelten Schilddrüsenkarzinomen mit hohem Rezidivrisiko höhere Schilddrüsenhormondosen eingesetzt, um das das Wachstum möglicher Metastasen zu hemmen.
Rotzolk : Warum wirkt die Radiojod-Behandlung bei einigen Patienten und bei mir nicht? Kann man genau sagen, woran das liegt. Bin gerade sehr entmutigt. Aber es soll eine weitere Möglichkeit geben mit einem neuen Medikament. Die Substanz heißt Sorafenib. Vor solchen neuen Sachen habe ich immer Angst, weil ich denke, die sind vielleicht noch nicht ausreichend erprobt. Wie kann man da sicher sein?
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Warum die Radio-Jod-Behandlung bei bis zu 10 bis 30 % der Patienten mit metastasierten Schilddrüsenkarzinomen im weiteren Verlauf nicht wirkt, ist bisher weitgehend unbekannt. Letztendlich lässt sich nur die Tatsache feststellen, dass in diesen Fällen kein Radio-Jod mehr in den Schilddrüsenmetastasen aufgenommen wird bzw. die Schilddrüsenkarzinommetastasen nicht mehr durch Radio-Jod verkleinert bzw. am Wachstum gehindert werden können. Es ist richtig, dass es für diese Patienten mit so genannter Radio-Jod-Resistenz in Europa seit zwei Monaten eine neue Therapiealternative gibt. Sorafenib wurde vor zwei Monaten in Europa zur Behandlung von Radio-Jod-resistenten Schilddrüsenerkrankungen zugelassen. Die Zulassung von Medikamenten für bestimmte Therapieindikationen erfolgt grundsätzlich nur dann, wenn in placebokontrollierten randomisierten Studien eine Wirksamkeit und eine Verträglichkeit des Medikaments nachgewiesen wurde. Nachdem Sorafenib bereits für die Behandlung von Nierenkrebs und Leberkrebs seit einigen Jahren zugelassen ist, konnte in einer internationalen placebokontrollierten randomisierten Studie die Wirksamkeit von Sorafenib auch für Patienten mit Radio-Jod-resistenten metastasierten Schilddrüsenkarzinomen nachgewiesen werden. Leider muss dieser Therapieeffekt auch durch unerwünschte Wirkungen erkauft werden. Bei entsprechender Erfahrung mit diesem Medikament und in einem interdisziplinären Tumorzentrum mit Erfahrung mit Schilddrüsenkarzinomen kann diesen unerwünschten Wirkungen jedoch vorgebeugt werden und sie lassen sich in der Regel durch Medikamente gut behandeln. Nur in wenigen Fällen ist eine Reduzierung des Medikaments wegen unerwünschter Wirkungen erforderlich.
PROF. DR. MED. R. PASCHKE: Ich bedanke mich bei allen Teilnehmern dieser Sprechstunde für die rege Teilnahme und die vielen interessanten Fragen und wünsche Ihnen allen noch einen angenehmen Abend.
Ende der Sprechstunde.