Familiäre Cholesterinämie

Prof. Dr.med. Gerald Klose 
Praxis für Endokrinologie Dres. I. van de Loo & K.W. Spieker
Ehem. Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Klinikum Links der Weser, 
Gesundheit Nord Bremen
Innere Medizin, Gastroenterologie, Präventivmedizin
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Schwerpunkte 
 
•Diagnostik und Therapie von Stoffwechselrisiken für 
•Herz- und Kreislauferkrankungen
•Diagnostik und Therapie von Fettstoffwechselstörungen, fachgebundene 
•genetische Beratung
 
 
Lipid-Apherese (Klinikum Links der Weser)
 
Lipidsprechstunde
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PROTOKOLL

Familiäre Cholesterinämie

Kathi Finnern: Ich gönne mir einmal am Tag ein leckeres Getränk, wie Milchkaffee oder heiße Schokolade. Darauf würde ich nur sehr ungern verzichten. Wie schlägt sich das nieder auf meinen Cholesterinwert?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Die Angewohnheit, einmal am Tag ein leckeres Getränk zu genießen, auch wenn in dem Getränk Fette enthalten sind, macht keine relevante Veränderung des Cholesterinspiegels. Die Empfänglichkeit für Cholesterin in der Nahrung variiert darüber hinaus genetisch bedingt ohnehin von Mensch zu Mensch. Man macht sicher nichts falsch, wenn man seinen Hausarzt um eine Vorsorgeuntersuchung bittet. Der erhobene Messwert gibt dann noch präziser Auskunft ob man Ernährungsfaktoren zur Kontrolle seines Cholesterinwertes stärker beachten muss.

Wassermann: Kann es sein, dass ich einfach nicht reagiere auf cholesterinsenkende Mittel, obwohl die bei anderen funktionieren? Woran könnte das liegen?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Ein komplettes Nicht-Ansprechen auf Cholesterin senkende Mittel ist sehr selten und wäre dann am ehesten bedingt durch die genetische Ursache eines erhöhten Cholesterinwertes. Es gibt Betroffene von einer genetischen Abweichung im Cholesterinstoffwechsel, der Familiären Hypercholesterinämie, die manchmal sehr ungenügend auf die Standardtherapie ansprechen. In der Regel prüft der Hausarzt wie tief Cholesterin in Abhängigkeit von einem Risiko gesenkt werden soll und versucht durch Dosisanpassungen für den Patienten einen therapeutischen Nutzen zu erreichen. Es kann dann vorkommen, dass als nächster Schritt eine Kombinationsbehandlung erforderlich wird. Wenn auch diese nicht hilft und die Cholesterinsenkung wirklich erforderlich ist, kommen heute bestimmte Antikörper in Frage, die den Cholesterinspiegel bei den meisten Menschen um mehr als 50% senken. Bei ganz seltenen extremen Ausprägungen der genetischen Störung kann in einzelnen Fällen eine Blutwäsche, eine LDL-Apherese, die erforderliche Maßnahme sein.

Neuperlach: Leider habe ich ca. 15kg Übergewicht. Bedeutet das automatisch, dass ich auch einen erhöhten Cholesteringehalt im Blut habe? Bin länger nicht beim Arzt gewesen, weil er mir immer das Gleiche sagt, ich es aber unter Alltagsbedingungen nicht hinbekomme, dauerhaft abzunehmen.

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Übergewicht hat mit der Cholesterinkonzentration im Blut im Allgemeinen nicht viel zu tun. Bei Übergewicht können sich in erster Linie die Triglyceride erhöhen. Cholesterinerhöhungen kommen auffällig häufig bei Menschen vor, die eher schlank sind. Eine Gewichtsreduktion ist oft wirklich schwer zu erreichen. Sie sollte aber dennoch vor allem langfristig angestrebt werden, um die mit dem Übergewicht verbundenen Risikofaktoren zu kontrollieren. Ein bestimmtes Zusammentreffen solcher Risikofaktoren, nämlich Übergewicht, erhöhte Triglyceride, vermindertes HDL-Cholesterin, Diabetes-Neigung und arterielle Hypertonie werden als metabolisches Syndrom bezeichnet. Dieses bedeutet leider ein sehr hohes Herz-Kreislauf-Risiko.

Woo: Wenn das Cholesterin gemessen wird, dann geht es ja immer um HDL und LDL. Jetzt erfahre ich, dass auch weitere Werte wichtig sein können. Was wird bei einer normalen Cholesterinbestimmung einbezogen an Werten, sind auch die Triglizeride dabei?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Zur Diagnostik einer eventuellen Fettstoffwechselstörung gehört die Bestimmung von Gesamtcholesterin und, wie Sie sagen, der Cholesteringehalt in HDL und LDL. Weiterhin gehört zur Analyse die Bestimmung der Triglyceride und in Fällen eines schon bekannten erhöhten Risikos für Herzkreislauferkrankungen in der Familie, die Konzentration von Lp(a). Die Erhöhung einer oder mehrerer dieser Werte kennzeichnet bestimmte Formen von Fettstoffwechselstörungen und bestimmt die Auswahl einer eventuellen Behandlung. Im Prinzip ist eine Erhöhung von Cholesterin auf dem Boden einer Erhöhung der LDL ein bedeutsames Risiko, während eine Cholesterinerhöhung, die sich aus hohen HDL-Konzentrationen ergibt, ein niedrigeres Risiko beinhalten kann. Erhöhung der Triglyceride können häufig durch einen gesunden Lebensstil beeinflusst werden. In Einzelfällen können Triglyceride aber sehr massiv erhöht sein und erfordern dann Maßnahmen, um damit verbundene Komplikationen zu verhindern. Solche Komplikationen bei Triglyceriden über 800 oder 1.000 ml/dl können Bauchspeicheldrüsenentzündungen sein.

Tomasz: Das mit dem Cholesterin ist Frauensache. Ich fühle mich total bekloppt, wenn ich im Restaurant die Karte angucke und dann auf Gerichte mit Soße verzichten soll. Kann mir nicht vorstellen, dass es darauf wirklich ankommt?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Der Risikocharakter erhöhter Cholesterinkonzentrationen betrifft Männer und Frauen gleichermaßen. Im Prinzip kommt es bei Entscheidung für einen gesunden Lebensstil darauf an, im Allgemeinen eine Ernährung auszuwählen, die gesund ist. Vereinzelte Ausreißer haben ähnlich wenig Bedeutung wie eine vereinzelte Überziehung des Bankkontos, wenn man sein Budget über das Jahr so einhält, dass nie längerfristig Schulden entstehen. In der Beratung von Menschen, die unter Übergewicht und Fettsucht leiden, spricht man von flexibler Kontrolle, um zu vermeiden, dass ein vereinzeltes "über die Stränge schlagen" nicht zum Aufgeben eines vernünftigen Lebensstils insgesamt führt.

Peter.Lange3: Ist da was dran, dass Übergewicht für einen erhöhten Cholesterinspiegel verantwortlich ist?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Nein, Übergewicht ist meistens nicht mit einer Erhöhung der Cholesterinkonzentration im Blut verbunden. Übergewicht kann aber zu einer Störung im Stoffwechsel der Lipoproteine beitragen, wobei es zu einer manchmal stärkeren Erhöhung von Triglycerid-reichen Lipoproteinen kommt, mit denen dann auch eine Erhöhung von Cholesterin einhergehen kann. Übergewicht begünstigt leider niedrige HDL-Konzentrationen, die wiederum auch ein erhöhtes Risiko für Herzkreislauferkrankungen ausmachen können.

W-Angela: Wer entscheidet über die Veränderung von Grenzwerten? Damit verknüpft sind ja ganze Patientenkarrieren und neue Bevölkerungsgruppen die möglicherweise therapiert werden müssen. Wem kann ich noch glauben?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Die Empfehlung bestimmter Grenzwerte für Cholesterin oder Triglyceride ist schon seit vielen Jahren verlassen. Dagegen werden Zielwerte für LDL-Cholesterin von Fachgesellschaften vorgeschlagen, die vom Risiko eines Individuums abhängen, zu dem nicht nur eine eventuelle Veränderung der Lipidspiegel im Blut gehört. Das bedeutet konkret, dass vor allem Menschen, die bereits von einer Herzkreislauferkrankung betroffen sind, zu möglichst niedrigen LDL-Cholesterinkonzentrationen geraten wird. Andererseits ist das Behandlungsziel für LDL-Cholesterin bei Menschen, die keine weiteren Risikofaktoren haben, und die vom Herzkreislaufsystem her gesund sind, nicht sehr ehrgeizig. Hier kann es oft vernünftig sein, lediglich durch einen gesunden Lebensstil LDL-Cholesterinkonzentrationen von wenigstens unter 190 ml/dl zu akzeptieren. Andererseits ist für Menschen, die beispielsweise einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt überstanden haben, ein LDL-Cholesterinwert unter 70 ml/dl entscheidend für eine bessere Prognose. Zusammengefasst werden also Grenzwerte nicht mehr vorgeschlagen, sondern Therapieziele in Abhängigkeit vom Risiko des Einzelnen empfohlen. Dies soll zu einer Senkung des Risikos für Herzkreislauferkrankungen beitragen, von dem ja leider immer noch 50% der Bevölkerung betroffen sind.

Docht: Bei uns ist das bekannt und als Familie versuchen wir danach zu leben, was nicht immer gelingt. Unsere Tochter 24J. hat ein Gesamtcholesterin zwischen 250 – 290. Das macht uns Sorgen. Wie hoch ist das Herzinfarkt oder Schlaganfallrisiko bei einer familiären Hypercholesterinämie?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Der Stellenwert der bei Ihrer Tochter gemessenen Cholesterinkonzentrationen muss anhand weiterer Parameter abgeklärt werden. Zu diesem gehört eine Bestimmung von LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyceriden. Weiterhin spielt für die Bewertung der Cholesterinerhöhung eine Rolle, ob diese familiär auftritt, oder ob familiär gehäuft Herzkreislauferkrankungen in jüngeren Jahren beobachtet wurden. Dies wären bei Männern Herzinfarkte vor dem 50. Lebensjahr und bei Frauen Herzinfarkte vor dem 60. Lebensjahr. Das Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko bei einer Familiären Hypercholesterinanämie ist mehr als dreimal so hoch als das Risiko bei Menschen, die nicht von dem genetischen Defekt betroffen sind, der eine Familiäre Hypercholesterinämie kennzeichnet. Das Riskio für Herzkreislaufkomplikationen bei Familiärer Hypercholesterinämie ist aber auch variabel. Es liegen epidemiologische Daten vor, nach denen 40% Betroffene von der Cholesterinstoffwechselstörung keine Realisierung des erhöhten Atherosklerose-Risikos befürchten müssen. Leider können wir im individuellen Fall medizinisch nicht vorhersagen ob, wie im Falle Ihrer Tochter, ein Betroffener erhöhter Cholesterinkonzentrationen immer von Herzkreislaufkomplikationen verschont bleibt, oder ob eine etwas intensivere Therapie ratsam ist. Im Idealfall kann Ihr Arzt Sie bei einer genetischen Diagnose unterstützen, um damit die Intensität einer Behandlung gut begründen zu können.

Ellerhold: Gibt es so was, wie einen angeborene Fettstoffwechselstörung?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Ja, Fettstoffwechselstörungen können angeboren sein, Folge anderer Erkrankungen oder eines ungünstigen Lebensstils. Die angeborenen Fettstoffwechselstörungen sind definiert nach der Ursache ihrer Entstehung, soweit diese bekannt ist, oder nach der Art, wie Cholesterin und/oder Triglyceride und Lp(a) verändert sind. Die Differenzierung einer solchen Fettstoffwechselstörung ist Ihrem behandelnden Arzt sicher geläufig und er kennt die Ratschläge, die ggf. erforderlich sind. Eine Faustregel für die Überlegung, ob eine angeborenen Fettstoffwechselstörung vorliegt, ist die Prüfung, ob Familienmitglieder ebenfalls von Fettstoffwechselstörungen betroffen sind. Diese können dann mit oder ohne Herzkreislaufkomplikationen vorliegen. Im gravierendsten Fall ist deutlich, dass von Vorfahren Fettstoffwechselstörungen geerbt werden, die auch mit einer Rate früheren Auftretens von Herzinfarkten verbunden sind.

Sieck: Tue mich schwer damit, den jeweils aktuellen Empfehlungen zu Cholesterin zu folgen. Viele Jahre war Butter der Bösewicht. Ich habe das immer für Quatsch gehalten, weil es ein natürliches Produkt ist und in der Natur passen die Dinger normalerweise. Jetzt ist Butter wieder unser Freund, hurra. Kann man davon ausgehen, dass auch die Grenzwerte irgendwann neu beurteilt werden?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Die Empfehlung für Cholesterin-Behandlungsziele, nicht für Grenzwerte, hängt vom Ehrgeiz, eine wirksame Prävention von Herzkreislauferkrankungen zu erreichen, ab. Die Bemühung, das Auftreten von Herzkreislauferkrankungen zu vermindern, ist der Treiber für Vorschläge zur Prävention. Diese beinhalten eine Senkung von Risikofaktoren und für Cholesterin gilt, je niedriger desto besser. Der von Ihnen angedeutete "Freispruch" von Butter ist nur bedingt begründet. Nach wie vor hat die Menge von Fetten tierischen Ursprungs einen wichtigen Einfluss auf die Cholesterinkonzentrationen in unserem Blut. Das Abrücken von sicher jahrelang etwas zu stark betonten Ernährungsempfehlungen hat etwas mit der heutigen Analysemöglichkeit und Bewertungsmöglichkeit der früheren Studien zu tun. Aus Bevölkerungsstudien wissen wir aber inzwischen, dass verhältnismäßig bescheidene Cholesterinverminderungen im Blut, die Ergebnis bestimmter Genvarianten sein können, eine deutliche Risikosenkung für die Betroffenen bedeuten, weil sie ein Leben lang anhalten. Insofern ist es pragmatisch, eine Ernährungweise zu wählen, die möglichst viele Lebensmittel pflanzlicher Herkunft und im Prinzip eher weniger Fette enthält.

Joram_Sacken: Wann muss man richtige Medikamente nehmen? Was sind die Voraussetzungen dafür?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Voraussetzung ist die Notwendigkeit für das Erreichen bestimmter Behandlungsziele. Die meisten Menschen in unserer Bevölkerung erreichen das nach einem Herzinfarkt gewünschte Behandlungsziel von LDL-Cholesterin mindestens unter 100, besser unter 70, optimal unter 50 ml/dl nicht ohne Medikamente. Voraussetzung für den Einsatz von Medikamenten sind also das Risiko für eine koronare Herzkrankheit oder für einen Schlaganfall und das Ausmaß einer Cholesterinerhöhung. Es kann eine angeborene Fettstoffwechselstörung mit Cholesterinerhöhungen von einem Vielfachen des Durchschnitts in unserer Bevölkerung vorliegen. Diese Situation kann selbst bei Kindern schon zum Auftreten von einem Herzinfarkt führen. In solchen Situationen ist man in der Medizin schon froh, wenn man mit Medikamenten überhaupt eine ausreichende Risikosenkung erreicht. In solchen glücklicherweise verhältnismäßig seltenen Einzelfällen kann aber auch eine technische Maßnahme zur Senkung des Cholesterins notwendig werden. Eine solche Apherese ist einer Dialyse-Therapie ähnlich und muss häufig wöchentlich vorgenommen werden. Die Notwendigkeit einer solchen Therapie beschränkt sich erleichternder Weise aber auf eine kleine Patientengruppe. Die Mehrheit erreicht mit den heute möglichen Medikamenten oder anderen Wirkstoffen die wünschenswerten Behandlungsziele. Ideal ist aber ein möglichst früh im Leben begonnener gesunder Lebensstil, der zur Vermeidung von Übergewicht beiträgt, und unter dem bei zahlreichen Menschen ausreichend niedrige Cholesterinspielgel vorliegen.

Engelhausen: Warum steigt der Cholesterin-Spiegel mit steigendem Alter? Ist das von der Natur so angelegt, um ältere Menschen ins Jenseits zu befördern?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Der Cholesterinspiegel ist bei der Geburt so niedrig wie er im weiteren Leben praktisch nicht mehr vorkommt. Ausnahme sind schwerwiegende Erkrankungen oder Ernährungsstörungen, die dann auch im späteren Leben zu sehr niedrigen Cholesterinspiegeln führen können. Der Cholesterinspiegel steigt bei den Menschen mit der Pubertät und hat ein Maximum in mittleren Lebensjahren. Die Cholesterinwerte die man in Gruppen mit hohem Lebensalter erfasst, sind tatsächlich niedriger. Hierzu tragen sicher viele Faktoren bei, wie die mit dem Alter verbundene Einschränkungen in der Ernährung aber auch sogenannte Selektionseffekte. Diese beinhalten, dass zumindestens in der Vergangenheit Menschen mit ungünstigem Stoffwechsel ein höheres Lebensalter seltener erreichten. Die Natur scheint aber erhöhtes Cholesterin nicht zu benötigen um unsere Lebenserwartung zu begrenzen. Sie wissen sicher, wie viele Faktoren zu Einbußen im höheren Lebensalter beitragen.

Kaja-Hunt: Habe gelesen, dass Cholesterin in der Leber abgebaut wird. Was ist, wenn die Leber das nicht ausreichend macht? Kann es sein, dass ich deshalb erhöhte Werte habe?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Tatsächlich nimmt die Leber Cholesterin aus dem Blut auf und verstoffwechselt Cholesterin weiter. Es ist durchaus möglich, dass die von Ihnen berichteten erhöhten Cholesterinwerte ihre Ursache in einer Funktionsstörung haben, die die Leberzellen betreffen. Unsere Leberzellen nehmen die Cholesterin im Blut transportierenden LDL über sogenannte Rezeptoren auf. Rezeptoren sind Moleküle auf der Oberfläche der Leberzelle, die im Blut zirkulierenden LDL erkennen und binden können. Wenn solche Rezeptoren LDL gebunden haben, können die LDL in das Zellinnere geschleust werden, wo der weitere Abbau erfolgt. Dieser Stoffwechselweg für LDL-Cholesterin ist von Wissenschaftlern erkannt worden, die dafür 1985 den Nobelpreis für Medizin bekommen haben. Die Wissenschaftler heißen Joseph Goldstein und Michael Brown. Eine Störung dieser Rezeptor-vermittelten Stoffwechselvorgänge ist das Kennzeichen der Familiären Hypercholesterinämie, einer leider gar nicht so selten auftretenden Ursache für Cholesterinerhöhungen.

Jara: Wann gibt es den Startschuss für Verklumpung? Das Blut fließt doch durchaus ziemlich lange mit vielen Fettanteilen. Wie beginnt die Verklumpung?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Unter "Verklumpungsvorgängen" im Blut versteht man meist das Auftreten von Blutgerinnseln. Die Fette im Blut werden an einer Verklumpung durch ihren Transport in Eiweißmolekülen, in Lipoproteinen gehindert. Ganz selten werden in der Medizin Vorgänge beobachtet, bei denen Fett in größerer Menge tatsächlich nicht in den Lipoproteinen vorkommt, sondern als regelrechte Fetttropfen, beispielsweise nach Knochenbrüchen aus dem Knochenmark. Diese Situation wird als Fettembolie sehr gefürchtet. Verklumpungen, die Gerinnseln entsprechen, sind aber für das Entstehen von Herzinfarkt oder Schlaganfall ebenfalls von großer und viel häufigerer Bedeutung. Diesem Risiko wird durch die Anwendung gerinnungswirksamer Medikmente Rechnung getragen. Nahezu alle Herzinfarkte und viele Schlaganfälle sind Folge von Gerinnseln, die das Blutgefäß verstopfen und zu einer nachfolgenden Durchblutungsstörung führen. Als Konsequenz ist die Einnahme von Medikamenten, die einen Zusammenballen der Blutplättchen verhindern, sogenannte Aggregationshemmer, obligat. Dies sind Maßnahmen, die aber keinen Bezug zum Fettstoffwechsel haben.

Astra11: Man liest viel im Intrnet, aber warum genau das LDL so gefährlich sein soll finde ich nicht. Was macht es so gefährlich?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Im Internet könnte man auch Hinweise finden, die die Gefährdung durch LDL erklären. Hierzu gehören beispielsweise extra für Laien geschriebene Beiträge der deutschen Herzstiftung. LDL können deshalb gefährlich sein, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen zu Cholesterinablagerungen in den Arterien führen. Diese Ablagerungen werden als Plaque bezeichnet. Sie können zu einer Verengung und zu einem allmählichen Verschluss der Arterie führen. Häufiger ist jedoch, dass eine solche Plaque einreißt, und dass sich daraufhin ein Gerinnsel an der Stelle des Einrisses bildet. Wenn das Gerinnsel so groß ist, dass es ein wichtigeres Blutgefäß verstopft, erklärt dies das plötzliche Auftreten eines Herzinfarktes aus scheinbar völliger Gesundheit. Der Stellenwert des LDL-Cholesterins ergibt sich aus bestimmten genetischen Störungen, die mit sehr hohem LDL-Cholesterin und einem besonderen Risiko für vorzeitige Herzinfarkte verbunden sind. In extremen Formen können schon bei Kindern Herzinfarkte auftreten. Auf der anderen Seite weiß man, dass Stoffwechselveranlagungen mit niedrigeren LDL-Cholesterinwerten vor vorzeitigen Herzinfarkten schützen können. Schließlich beruht der heutige Erfolg in der Bekämpfung von Herzkreislauferkrankungen zu einem erheblichen Teil auf dem standardmäßigen Einsatz von Cholesterinsenkern, in erster Linie den sogenannten Statinen.

Hernandez: Kann eine Hypercholesterinämie durch eine ganz andere Krankheit ausgelöst werden, oder muss es sich immer gleich darum drehen, dass die Disposition vererbt wurde? Meine Eltern machen sich deshalb einen ziemlichen Kopf und haben Schuldgefühle.

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Eine Hypercholesterinämie kann durch verschiedene andere Krankheiten ausgelöst werden. Relativ charakteristisch ist das Zusammentreffen einer Schilddrüsenunterfunktion mit Cholesterinerhöhung. Weiterhin können bestimmte Nierenerkrankungen auch zu ausgeprägten Cholesterinerhöhungen führen. Schuldgefühle sollten Ihre Eltern auf keinen Fall haben, denn sie können ja nichts für eine von ihnen diskutierte Disposition. Im Zusammenhang mit Ihrer Frage steht eine Initiative, Menschen mit Cholesterin-bedingtem Risiko früher zu erkennen. Diese Initiative kann man unter "CareHigh" googeln. Dabei wird ein Register für die Häufigkeit und die Vererbung und die Folgen erhöhter Cholesterinwerte erarbeitet. Die Daten zu diesem Register werden von dem Betroffenen zusammen mit seinem behandelnden Arzt erbeten.

G-Knocke: Ich habe da die Frage, ob bei einem Schlaganfall immer zu viel Fett im Blut beteiligt ist, oder ob Blut auch einfach so verklumpen kann, ohne zu hohen Fettanteil?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Erhöhte Cholesterinkonzentrationen können über eine Atherosklerose der Gefäße, die zum Gehirn führen, zu einem Schlaganfall führen. Erhöhte Cholesterinkonzentrationen haben aber für das Schlaganfallrisiko einen vergleichsweise geringeren Stellenwert. Am häufigsten ist ein Schlaganfall mit jahrelang erhöhten Blutdruckwerten verbunden. Schlaganfälle können aber auch durch Gerinnsel aus dem Herzen entstehen, wie sie bei der Herzrhytmusstörung Vorhofflimmern häufiger sind. Bei Vorhofflimmern werden deshalb Maßnahmen verordnet, die die Bildung von Tromben verhindern. Die wichtigste Maßnahme zur Schlaganfallverhinderung ist eine gute Blutdrucktherapie. Wenn man aber leider von einem Schalganfall betroffen war, schützt eine Cholesterin senkende Therapie zusätzlich vor einem Wiederauftreten von Schlaganfällen.

Amazonas: Es gibt diese besonders wirksamen Medikamente, aber wie das Schicksal es will vertrage ich keine Statine. Gibt es trotzdem was für mich?

Prof. Dr. med. Gerald Klose: Für Patienten, die Statine nicht vertragen, kommen andere Substanzen in Frage. Zu diesen gehören einmal Tabletten, die die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm hemmen, sogenannte Cholesterinresorptionshemmer. Ein besonderer Fortschritt sind die neuen Antikörper, die zu einer Abnahme des LDL-Cholesterins um mehr als 50% führen. Diese Antikörper muss man als Spritze anwenden. Im Gegensatz zu Insulin oder Heparin genügen aber Anwendungen alle 14 Tage oder sogar nur alle 4 Wochen. Mit der Anwendung dieser Antikörper konnte kürzlich in einer großen weltweit durchgeführten Studie eine Senkung des Risikos für Herzkreislauferkrankungen nachgewiesen werden. Diese Therapie mit Antikörpern ist beispielsweise auch in der Lage, Menschen die bis jetzt auf eine Blutwäsche-Therapie angewiesen sind, von dieser Maßnahme zu entlasten.



Ende der Sprechstunde.