Sodbrennen - nur lästig, oder krankhaft?
Dr. med. Klaus Peitgen
Chefarzt
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie – Zentrum für Minimal Invasive Chirurgie
Osterfelder Str. 157
46242 Bottrop
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PROTOKOLL
Sodbrennen - nur lästig, oder krankhaft?
Christa : Bin ganz überrascht, dass Sodbrennen als Krankheit gilt. Gibt es da auch unterschiedliche Schweregrade?
DR. PEITGEN : Jawohl. Man unterscheidet nach unterschiedlichen Kriterien und unterschiedlichen Stadien der Krankheit. Es gibt mehrere Klassifikationsmöglichkeiten. In der Regel richten sich die Klassifikationen nach der Schwere der Schädigung der Speiseröhrenschleimhaut. Im ersten Stadium der Krankheit findet man nur kleine Schleimhautverletzungen, die dann im zweiten Stadium der Krankheit größer werden, im dritten Stadium zusammenlaufende "Inseln" bilden und im vierten Stadium eine höchstgradige Entzündung der gesamten unteren Speiseröhre.
Anna_Braasch : Wie häufiges Aufstoßen gilt noch als normal?
DR. PEITGEN : Im Allgemeinen kann man sagen, daß im Laufe eines Tages mehrfache Aufstoßen (drei bis vier Mal) normal ist. Wenn Sie damit saures Aufstoßen meinen, so sollte das auf ein bis zweimal pro Woche beschränkt sein. Wenn man den Rückfluß von Säure über 24 Stunden mit einer Sonde mißt, so sollte weniger als 14 % der Tageszeit mit gemessenem Säurerückfluß gemessen werden. Hierfür muß aber eine Sonde über 24 Stunden durch die Nase in den Magen gelegt werden an der dann ein "Rekorder" befestigt wird.
Tiedemann : Kann das Brennen auch evtl. durch eine Nahrungsmittel-Allergie ausgelöst werden?
DR. PEITGEN : Durch Nahrungsmittelallergien oder besser gesagt, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, wie z. B. eine Milch-Eiweiß-Allergie o. ä., wird Sodbrennen nicht ausgelöst. Wohl aber sind Zusammenhänge bekannt, wie Nahrungsmittel Sodbrennen auslösen können. So kann man z. B. sagen, daß Weißwein, Kaffee, Tee, Nikotin, Kakao und andere Nahrungsmittel Sodbrennen auslösen oder verstärken.
anonym : Könnten Sie bitte einmal ganz genau beschreiben, was beim sauren Aufstoßen geschieht? Was geht denn da schief, dass ich Sodbrennen habe?
DR. PEITGEN : Der Speisebrei wird beim Schlucken durch die Speiseröhre in den Magen transportiert und von dort dann in den Zwölf-Finger-Darm und in den Dünndarm. Durch unterschiedliche Ursachen bedingt kann der Übergang der Speiseröhre in den Magen so gestört sein, daß auch Mageninhalt in die Speiseröhre zurückfließt. Das Problem ist nun, daß im Magen Salzsäure produziert wird, die sich mit dem Speisebrei vermischt, der Magen selbst ist darauf ausgerichtet, Säure zu tolerieren, die Speiseröhre aber nicht. Fließt nun Säure aus dem Magen in die Speiseröhre, so wird dies als unangenehm empfunden weil die Säure eine leichte Entzündung auslöst, die wiederum die Schmerzen und Mißempfindungen (Sodbrennen, saures Aufstoßen, Brennen hinter dem Brustbein, Schmerz im Bereich des Oberbauches) verursacht.
Dechow : Bis ich selbst damit zu tun hatte, habe ich gedacht, das kann doch kein größeres Problem sein, da nimmt man Renni und alles ist wieder okay. Bei mir hilft das aber nicht mehr und ich soll jetzt Säureblocker nehmen. Das geht doch dann aber auf die Organe. Oder wie lange kann man das nehmen?
DR. PEITGEN : Grundsätzlich helfen erst einmal alle Medikamente, die die Säure neutralisieren oder blockieren. Eines der bekannteren Medikamente könnte z. B. Rennie hier sein. Heute werden aber grundsätzlich die so genannten Säureblocker (auch PPI genannt) empfohlen weil sie wesentlich effektiver und wesentlicher länger die Säure blockieren können und damit die Beschwerden völlig zum Stillstand bringen können. Wichtig ist hierbei auch, daß die Säureblocker die Speiseröhrenentzündung zum Ausheilen bringen können, ohne so eine Ausheilung ist eine Heilung der Refluxerkrankung nicht denkbar. Im Allgemeinen kann man sagen, daß eine Dauerbehandlung mit Säureblockern nur äußerst selten zu Nebenwirkungen führt und auch gut über eine lange Zeit oder sogar lebenslang durchgeführt werden kann. In der Regel wird man eine Behandlung mit Säureblockern nach Diagnosestellung so lange durchführen, bis Beschwerdefreiheit eingetreten ist und dann mindestens über ein halbes Jahr weiter fortführen. Danach wird man einen so genannten Auslaßversuch machen bei dem dann die Medikamente abgesetzt werden und abgewartet wird, was passiert. Treten die Beschwerden wieder auf, muß man davon ausgehen, daß die Krankheit ein Leben lang bestehen wird. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist etwa 50 %. Mit anderen Worten können wir heute die Hälfte aller Patienten mit einer einmaligen Therapie über ein halbes Jahr dauerhaft heilen. Die andere Hälfte der Patienten wird die Erkrankung ein Leben lang haben und muß deswegen entweder ein Leben lang mit Säureblockern behandelt werden oder eventuell je nach individueller Situation einem geeigneten Chirurgen vorgestellt werden.
willi : Ich bin 67 Jahre alt und leide seit mindestens 20 Jahren an Sodbrennen und saurem Aufstoßen, das ich mit Gelusil lac notdürftig behandelte. Vor ca. 3 Jahren wurde festgestellt, dass ich mit Helicobacter pylori infiziert bin und bekam eine einwöchige Behandlung mit einem Kombipräparat (3 Wirkstoffe). Schon kurz nach Beginn der Tabletteneinnahme verspürte ich eine deutliche Verbesserung. Seit Jahren hatte ich zum ersten Mal keine Beschwerden mehr. Diese Wirkung hielt ein paar Wochen an, danach bekam ich jedoch, je nachdem was ich gegessen hatte, wieder Sodbrennen und saueres Aufstoßen, was bis heute so ist. Ich habe vor einem Jahr nochmals eine Nachuntersuchung durchführen lassen, der Test auf Heliobacter war dabei negativ. Jetzt nehme ich im akuten Fall Pantozol 20mg ein, dann habe ich fast keine Beschwerden. Kann dieses Präparat bedenkenlos im Sinne einer Kur über mehrere Wochen eingenommen werden oder ist es besser, es nur bei akuten Beschwerden zu nehmen? Was gibt es sonst noch für Möglichkeiten, Sodbrennen und saures Aufstoßen zu beheben?
DR. PEITGEN : Es gibt Zusammenhänge zwischen dem Helicobacter pylori und dem Auftreten einer Sodbrennenerkrankung. Einerseits verursacht der Helicobacter pylori bei einigen Patienten eine Magengeschwürserkrankung, andererseits schützt der Helicobacter pylori, wenn er nicht zu einem Magengeschwür geführt hat, vor dem Auftreten einer Refluxerkrankung in einem gewissen Ausmaß. Wenn nun, wie bei Ihnen offensichtlich geschehen der Helicobacter pylori mit einem Antibiotikum und anderen Präparaten behandelt worden ist, kann es schon sein, daß eine Sodbrennen entweder auftritt oder wieder neu auftritt. Dann sollte in jedem Fall die Säureblockergabe über eine längere Zeit weiter erfolgen, damit Sie keine Beschwerden im Sinne von Sodbrennen mehr haben. In jedem Fall sollte dann auch nach etwa sechs Monaten eine Kontrollendoskopie (Magenspiegelung) erfolgen, um keine Verschlimmerung der Entzündung der Speiseröhre zu übersehen. Es ist weniger ratsam, die Säureblocker nur bei Auftreten von Beschwerden über eine kurze Zeit zu nehmen, sinnvoller ist es, über die Dauer von drei bis sechs Monaten die Medikamente kontinuierlich zu nehmen und sie dann wegzulassen, um zu sehen, ob die Krankheit verschwunden ist oder wieder auftritt. In jedem Fall sollten Sie dies in enger Abstimmung mit Ihrem Hausarzt und ggf. einem Spezialisten durchführen. Tritt die Krankheit wieder auf, können Sie sich auch nach einem Chirurgen, der sich auf die Behandlung von Sodbrennen versteht umsehen und dort um ein Beratungsgespräch bitten.
Rados1 : Wie sicher ist eine Operation? Kann man danach ganz auf Tabletten verzichten?
DR. PEITGEN : Die operative Behandlung des Sodbrennens hat sich in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert. Heute werden nahezu alle Operationen minimal invasiv, d. h. ohne große Leibschnitte, durchgeführt. Das bedeutet für den Patienten weniger Schmerzen, deutlich bessere kosmetische Ergebnisse, kurze Krankenhausaufenthalte von etwa drei bis fünf Tagen und einen schnelleren Wiedereintritt in das normale Leben. Darüber hinaus können diese Operationen heute deutlich präziser durchgeführt werden, weil bei den Operationen alle Operationsschritte über eine sog. Videooptik, die einen Vergrößerungsfaktor von 2 bis 10 hat, durchgeführt werden. Komplikationen sind bei solchen Operationen sehr selten. Die meisten Patienten können nach einer Operation über eine sehr lange Zeit komplett auf Tabletten verzichten und gewinnen darüber hinaus ein hohes Maß an Lebensqualität zurück, weil sie wieder ohne Beschwerden alle Dinge essen und trinken können und insbesondere auch wieder flach schlafen können und sportlicher Betätigung oder anderer körperlicher Belastung nachkommen können.
HarryAbel : Kann man diese Operation gegen Sodbrennen auch ambulant machen lassen. Ich habe große Angst vor dem Krankenhaus, weil ich als Kind fast 3 Jahre im Krankenhaus war.
DR. PEITGEN : Nein, das macht wenig Sinn. Obwohl die Operation in der Regel minimal invasiv durchgeführt wird, wird doch unterhalb der Bauchdecke eine "große" Operation gemacht, die auch nur in Vollnarkose möglich ist. Wir können heute den Krankenhausaufenthalt auf ein Minimum beschränken aber ambulant macht diese Operation keinen Sinn, weil natürlich auch nach der Operation eine Überwachung nötig ist und in den ersten zwei Tagen eine Schmerzbehandlung erfolgen sollte.
SaskiaSchneider : Operation oder Protonenpumpenhemmer, woran macht man so eine Entscheidung fest?
DR. PEITGEN : Alle Patienten, bei denen die Erkrankung nach einer konsequenten medikamentösen Therapie und Auslaßversuch wiedergekommen ist, kommen grundsätzlich entweder für eine lebenslange Protonenpumpenhemmer-Therapie oder für eine Operation in Frage. Grundsätzlich kann man sagen, daß besonders junge Patienten, die gut auf Medikamente ansprechen, besonders von einer Operation profitieren können. Daneben gibt es besondere Patientengruppen, die aufgrund von Krankheitseinzelheiten besonders gut geeignet für die Operation sind. Patienten mit einem sog. Volumenreflux, das sind Patienten, bei denen große Mengen von rückfließendem Mageninhalt schnell in die Speiseröhre oder sogar in den Mund entleeren, sind ein Beispiel für so eine Patientengruppe, die sich gut für die operative Methode eignen. Ein weiteres Beispiel sind die Patienten, bei denen neben der Refluxerkrankung auch Asthma-Beschwerden oder andere Atemwegskrankheiten bestehen, weil es sehr wahrscheinlich ist, daß bei diesen Patienten das Asthma oder die chronische Bronchitis durch die Refluxerkrankung ausgelöst oder unterhalten werden. Hier können Medikamente nur unvollständig helfen und die operative Methode hat klare Vorteile. Auch Patienten mit einem sehr großen Zwerchfellbruch und mit bestimmten seltenen Formen von Zwerchfellbrüchen profitieren eher von der operativen Methode als von den Medikamenten.
anonym : Was genau machen Sie denn bei der Operation? Ich stelle mir die Speiseröhre als einen Schlauch vor, der in den Magensack mündet. Was können Sie da chirurgisch machen?
DR. PEITGEN : Bei der Operation wird zunächst in Vollnarkose eine kleine Röhre über die Bauchdecke in die Bauchhöhle gebracht. Dann wird die Bauchhöhle mit CO2-Gas aufgefüllt, damit die Bauchdecke sich von den Organen abhebt. Nun werden zwei bis drei weitere kleine Röhren (5 mm Durchmesser) durch die Bauchdecke in die Bauchdecke eingeführt, über die dann Instrumente in die Bauchhöhle eingeführt werden können, mit denen dann die Operation durchgeführt wird. Bei der Operation wird der Magen aus seinen Umgebungsverklebungen gelöst und die Speiseröhre wird aus dem Übergang durch das Zwerchfell freigelegt. Hier findet man in der Regel auch den oft vorhandenen Zwerchfellbruch, der gleichzeitig beseitigt wird. Dann wird der Zwerchfelldurchtritt der Speiseröhre durch Nähte eingeengt und anschließend eine sog. "Magenmanschette" (Fundoplicatio) durchgeführt. Hierzu wird ein Teil des oberen Magens hinter der Speiseröhre hergezogen und vor der Speiseröhre wieder an derselben vernäht. Dieses Manöver ähnelt der Bildung eines "Hemdskragen". Hierbei gibt es zwei Varianten, je nach dem ob die Magenanteile vor der Speiseröhre komplett verschlossen werden oder ob eine Lücke an der vorderen Speiseröhre belassen wird. Etwas einfacher ausgedrückt könnte man sagen, es gibt eine Operationsvariante, bei der "der oberste Knopf des Hemdskragen geschlossen wird" und eine andere Variante, bei der "Hemdskragen offen gelassen wird". Diese Magenmanschette funktioniert dann ähnlich einem Rückschlagventil, d. h. wenn Sekrete in Richtung Speiseröhre zurückfließen, wird durch den erhöhten Druck im Magen das Ventil geschlossen und der Rückfluß verhindert.
Hamkar : Warum muß vor der Operation noch eine Spiegelung gemacht werden? Könnte man das nicht während der OP machen, dann hätte ich einmal weniger diese Prozedur.
DR. PEITGEN : Vor einer Operation muß nicht unbedingt eine Spiegelung gemacht werden, wenn die letzte Spiegelung nicht länger als drei Monate zurückliegt und wenn bei mindestens einer Spiegelung im Verlauf des letzten Jahres eine Gewebeprobe entnommen wurde.
L_Grimm : Mein Arzt sagt, die Medikamente sind so gut, da gibt es keinen Grund für eine Operation. Kann ich das glauben?
DR. PEITGEN : Im Prinzip ja. Grundsätzlich hat Ihr Arzt Recht. Wenn die Medikamente helfen und Sie die Medikamente über lange Zeit vertragen und auch nehmen möchten oder können, gibt es zunächst einmal keinen Grund für eine Operation. Viele Patienten wollen aber die Medikamente nicht über Jahre hinweg nehmen und wollen auch nicht die Einschränkung der Lebensqualität, die sie trotz Medikamenten durch die Erkrankung haben, in Kauf nehmen. D. h. die Patienten möchten flach schlafen können und möchten - natürlich in Maßen - Weißwein, Bier, Kaffee, Kakao und andere Dingen trinken können und sich auch beim Essen nicht einschränken lassen. Bei einigen Patienten mit einem sog. Volumenreflux reicht die Wirkung der Medikamente auch nicht aus, d. h. es findet weiter Rückfluß statt, trotz Medikameten, der dann eben nicht mehr sauer, sondern eher eklig fahl schmeckt. Anekdotisch darf ich Ihnen die Geschichte eines Busfahrers erzählen, der sich in meiner Sprechstunde vorstellte und mir sagte, daß die Schmerzen hinter dem Brustbein und das eigentliche Sodbrennen durch Medikamente schon in den Griff zu bekommen seien. Aber das er jedes Mal beim Bremsen seines Autobusses Mageninhalt im Mund hatte, hat ihn sehr gestört, auch wenn dieser nicht mehr sauer, sondern fahl schmeckte.
Ludwig : Ich habe kein Brennen aber regelmäßig Druck in der Speiseröhre. Jetzt hat mich unser Hausarzt zu einer Spiegelung geschickt, die noch aussteht. Ist das nicht überzogen, deshalb so viel Aufwand zu treiben. Ach so hab ich vergessen zu erwähnen, unser Hausarzt meint dass ich eine Art verstecktes Sodbrennen haben könnte. Ist das nicht trotzdem bisschen viel des Guten?
DR. PEITGEN : Ich denke, Ihr Hausarzt hat sehr weise entschieden, Sie zu einer Magenspiegelung zu schicken, damit genau entschieden werden kann, welche Art von Erkrankung hinter dem Druck in Ihrer Speiseröhre steckt. Neben dem Sodbrennen (Refluxerkrankung) gibt es noch andere Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden verursachen können. Wird an der Speiseröhre nichts gefunden, muß auch über andere Ursachen, wie z. B. Herzbeschwerden, nachgedacht werden. All dies kann Ihr Hausarzt dann besser, wenn er genau weiß, wie es um Ihre Speiseröhre bestellt ist.
Mevessen : Wir sind gut 4 Monate im Jahr in unserem zweiten zu Hause an der Costa del sol. Ich müßte immer eine Menge Medikamente mitnehmen, bekomme die aber nicht. so ist es manchmal schwierig das hinzubekommen. Würden sie mir zu einer Operation raten? Ich bin 56 Jahre alt.
DR. PEITGEN : Vorausgesetzt, daß die Einzelheiten Ihrer Erkrankung so geartet sind, daß grundsätzlich eine Langzeitmedikamententherapie oder eine Operation in Frage kämen, könnte dies ein Argument sein, sich operieren zu lassen. Die Frage, ob Sie lieber Medikamente in größeren Mengen nach Spanien transportieren oder dort kaufen oder sich doch lieber operieren lassen, sollten Sie mit einem Arzt in einem persönlichen Gespräch klären, der Sie über beide Optionen umfassend aufklären kann.
Frage : Wann ist der Punkt gekommen, wo man aufhören sollte mit Medikamenten und eine Operation sinnvoll ist? Kann man so einen Punkt festlegen? Ich nehme inzwischen die doppelte Menge Medikamente, im Vergleich zu vor 2 Jahren. Normal ist das nicht, oder?
DR. PEITGEN : Doch - das ist normal. Wir wissen heute, daß über eine lange Zeit gesehen die Menge der Medikamente, die zur Erreichung einer Beschwerdefreiheit bei Sodbrennen erforderlich ist, oft steigen kann. Manchmal ist auch der Wechsel auf ein anderes Medikament erforderlich. Wann nun der Zeitpunkt gekommen ist, über eine Operation nachzudenken, entscheiden letztendlich auch Sie.
Gülcan_Aras : Habe gehört, dass man Sodbrennen mit einer Operation beseitigen kann und man dann keine Tabletten mehr nehmen muß. Für wen ist so eine Operation geeignet?
DR. PEITGEN : Jawohl, es gibt neuere operative Methoden, mit denen man das Sodbrennen behandeln kann. Nach solch einer Operation sind dann auch keine Tabletten mehr erforderlich. Für so eine Operation geeignet sind prinzipiell alle Patienten, bei denen eine Medikamentenbehandlung über ein halbes Jahr konsequent durchgeführt wurde und dann die Krankheit, nachdem die Medikamente ausgelassen wurden, wieder erneut aufgetreten ist. Dies sind etwa die Hälfte aller Patienten. Daneben gibt es besondere Gruppen von Patienten, die besonders von einer operativen Behandlung profitieren. Dies sind vor allem die Patienten, bei denen mit einem Mal große Mengen Mageninhaltes sich in die Speiseröhre oder in den Mund entleeren und alle Patienten, bei denen neben der Sodbrennenerkrankung auch eine Atemwegserkrankung, z. B. Asthma oder chronische Bronchitis, bestehen.
Hanno_Plötz : Ich leide unter Gelenkbeschwerden und Rheumatismus und nehme nicht-steroideale Antirheumatika. Sind diese Medikamente mit verantwortlich für mein Sodbrennen, und was kann man dagegen tun oder was würden Sie empfehlen?
DR. PEITGEN : Diese Medikamente können sehr wohl für Ihr Sodbrennen mit verantwortlich sein. Noch wesentlicher ist aber die Gefahr der Entstehung von Magengeschwüren bei diesen Medikamenten. Schon aus diesem Grunde sollte man zusätzlich zu den nicht-steroidealen Antirheumatika einen Magen-Säure-Blocker verordnen. Die Frage, ob eine Operation zusätzlichen Schutz vor Sodbrennen bieten kann, kann man prinzipiell mit ja beantworten. Die Entscheidung hierzu sollten Sie aber in enger Absprache mit Ihrem Hausarzt treffen, der Ihre Gesamtsituation besser kennt oder versteht.
Rudi : Ich nehme seit etwa 2 Jahren Nexium mups 20mg. 1/2 Tablette am Abend. bei Versuchen, die Tablette auszusetzen kamen wieder beschwerden. kann man auch mit Azuranit 150 die gleiche Wirkung erzielen (kombinieren?) oder erst jeden 2. Tag Nexium eine Tablette. Bei mehr schließt der Schließmuskel nicht vollständig. Dies wurde bei einer Spiegelung festgestellt. Habe Bedenken, ob Nexium auf Dauer eingenommen werden kann.
DR. PEITGEN : Grundsätzlich ist ein Säureblocker, wie z. B. Nexium in Ihrem Fall, das bessere Medikament. Azuranit ist eine ältere Wirkstoffklasse (sog. H2-Blocker), die weniger wirksam ist. Eine Kombination beider Medikamente macht keinen Sinn, hier würde eher die Steigerung der Nexium-Dosis weiterhelfen. Grundsätzlich ist die Einnahme von Säureblockern auf Dauer kein Problem. Wenn Ihr Schließmuskel nicht richtig schließt, könnte dies ein Hinweis darauf sein, daß eventuell bei länger andauernden Beschwerden zumindest über eine Operation nachgedacht wird.
Maggy : Bin im 7. Monat schwanger. Hatte nie Probleme mit dem Magen oder Aufstoßen. Vor 6 Wochen fing das an und wird mehr. Der Frauenarzt sagt, das geht vorbei nach der Schwangerschaft, aber was kann ich jetzt die letzten 2 Monate machen? Medikamente möchte ich nicht.
DR. PEITGEN : Herzlichen Glückwunsch, wir freuen uns mit Ihnen auf die Geburt und können Sie beruhigen - Ihr Frauenarzt hat Recht, die Beschwerden werden nach der Geburt schlagartig aufhören. Sodbrennen während der Schwangerschaft entsteht durch den erhöhten Druck des wachsenden Kindes im Bauch, läßt dieser Druck nach, hören auch die Beschwerden auf. In der Zwischenzeit können Sie sich mit Hausmittelchen, z. B. Kamillentee und anderen Getränken behelfen, bedenkenlos können Sie auch Talkum-Präparate, wie z. B. Maaloxan oder andere nehmen, da diese nicht in den Blutkreislauf aufgenommen werden und nur lokal an der Speiseröhre wirken.
RosiHannenberg : Ich habe den Eindruck, dass mein 11 jähriger Sohn manchmal Sodbrennen hat. Kann das überhaupt sein? Woran könnte das dann liegen? Was macht man jetzt?
DR. PEITGEN : Das ist ein sehr spezielles Problem. Es gibt tatsächlich Kinder, bei denen aus den unterschiedlichsten Gründen Sodbrennen besteht. Dieses Problem ist insofern besonders gravierend weil hier auf die Dauer eines Lebens gesehen die Speiseröhrenentzündung über einen langen Zeitraum Schäden verursachen kann und nicht alle Kinder die säureblockenden Medikamente nehmen können oder wollen. Ich empfehle Ihnen, Ihren Sohn gründlich untersuchen zu lassen, dieses sollte ein Kinderarzt tun, der sich auf Magen-Darm-Erkrankungen spezialisiert hat (gastroenterologischer Pädiater). Die Untersuchungen sollten eine Magenspiegelung, eine 24-Stunden-Säuremessung, eine Röntgendarstellung der Speiseröhre und des Magens und eine Druckmessung im Bereich der Speiseröhre (Manometrie) beinhalten. Danach sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Kinderarzt entscheiden, welcher Weg zu gehen ist. Unter Umständen könnte dieses tatsächlich eine Operation sein, die bei Kindern im Wesentlichen in gleicher Technik wie bei Erwachsenen durchgeführt wird, wie sie im Verlauf dieser Sprechstunde zu einem früheren Zeitpunkt beschrieben wurde.
Ihlfeldt : Ich habe einen Zwerchfellbruch, der operiert werden soll. Ich hatte gehofft, so etwas verwächst sich, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Stimmt es, dass dann auch das Sodbrennen aufhört?
DR. PEITGEN : Ja - das stimmt. Bei den meisten Patienten wird der Zwerchfellbruch nur wegen des Sodbrennens operiert. D. h. hier ist der Zwerchfellbruch eigentlich mehr oder weniger ein Zufallsbefund, der zwar das Sodbrennen mit verursacht aber wegen seines Vorhandenseins alleine ohne Sodbrennen nicht operiert werden müßte, aber - zu jeder Regel gibt es Ausnahmen: Etwa 5 bis 10 % der Patienten haben einen Zwerchfellbruch, der eine besondere Form hat (sog. paraösophageale Hernie). Bei dieser Form des Zwerchfellbruchs sollte immer operiert werden, da er gravierende Komplikationen verursachen kann, wie z. B. Einklemmung, akute Blutung oder chronische Blutarmut (Anämie). Interessanterweise steigt das Risiko, einen Zwerchfellbruch zu haben, alle 10 Jahre um 10 %. Einfach ausgedrückt, haben die Hälfte aller 50jährigen und alle 100jährigen einen Zwerchfellbruch. Wohlgemerkt, bei den meisten Menschen mit Zwerchfellbruch handelt es sich nicht um Patienten, hier ist der Zwerchfellbruch eine eher zufällige Erscheinung.
DR. PEITGEN : So, wie Sie das beschreiben, haben Sie einen Zwerchfellbruch. Denn genau das, was Sie sagen, ist die Definition eines Zwerchfellbruchs, bei dem Magen ein Stück in den Brustkorb rutscht. Das reguliert sich nicht wieder von allein, d. h. der Zwerchfellbruch wird von allein nicht ausheilen. Hier wäre auch zu klären, ob Sie nicht vielleicht auch die seltene Form des Zwerchfellbruchs haben, der für sich alleine schon operiert werden sollte. Wenn Sie aber den "normalen" Zwerchfellbruch haben (auch axiale Hernie genannt), den die meisten Patienten haben, sollte zunächst Ihr Sodbrennen behandelt werden. Hier sind in erster Linie Medikamente (sog. Säureblocker, PPI) gefragt.
Fotreich_Linz : Habe gehört Sodbrennen entsteht, durch einen Gewebebruch im Brustbereich. Ist das immer der Fall, oder gibt es auch Sodbrennen ohne diesen Bruch? Wie ist das mit der Ernährung wenn man Tabletten nimmt. Muß man dann auch Diät halten?
DR. PEITGEN : Jawohl, ein Sodbrennen ist auch ohne Zwerchfellbruch möglich. Vor allem jüngere Patienten haben diese Form der Sodbrennen-Erkrankung. Grundsätzlich ist eine gesunde Ernährung für uns alle wichtig, egal ob wir Tabletten nehmen oder nicht. Patienten mit Sodbrennen sollten vor allem Nahrungsmittel meiden, die diese Erkrankung bei ihnen auslöst. Welche Nahrungsmittel dies sind, muß jeder Patient ein wenig für sich selbst herausfinden. Oft sind dies Weißwein, Bier, Kaffee, Tee, Kakao, saure Früchte, Fruchtsäfte und vieles mehr. Ob man diese Nahrungsmittel nun alle meiden kann und will, muß jeder für sich selbst entscheiden.
anonym : Das ist ja doch eine etwas merkwürdige Operation. Deshalb die Frage ist man danach, wenn da so ein Teil Magen herumgewickelt wird, wirklich dauerhaft geheilt von Sodbrennen?
DR. PEITGEN : Allein mit Worten beschrieben mag die Operation tatsächlich etwas merkwürdig klingen. Das legt sich aber, wenn man sich die Operation von einem Fachmann, vielleicht anhand von Bildmaterial oder sogar Videomaterial erklären läßt. Tatsächlich ist es so, daß weit über 90 % der operierten Patienten nach der Operation frei von Sodbrennen sind und sich wieder normal ernähren und normal vorhalten können - ohne Medikamente! Wie die Operation funktioniert, haben wir im früheren Verlauf der Sprechstunde erklärt. Im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, daß eine Art Rückschlagventil konstruiert wird.
anonym : Als das mit dem Sodbrennen anfing, habe ich nachts auf doppelten Kopfkissen gelegen. Das war unbequem, aber besser als das Brennen. Jetzt ist mein Rücken total verspannt und das Sodbrennen schlimmer geworden. Zu wem muß ich, wer kümmert sich darum und ist auch spezialisiert auf so etwas?
DR. PEITGEN : Die Tatsache, daß Sie bereits mit erhöhtem Kopfteil schlafen müssen, läßt darauf schließen, daß die Erkrankung in Ihrem Fall bereits länger besteht und fortgeschritten ist. Sie sollten unbedingt zunächst Ihren Hausarzt aufsuchen und ihn fragen, ob er sich mit dieser Erkrankung auskennt oder Sie vielleicht zu einem Magen-Darm-Spezialisten (Gastroenterologe) überweisen möchte. In jedem Fall sollte unbedingt in nächster Zeit eine Magenspiegelung gemacht werden, bei der auch Gewebeproben aus der unteren Speiseröhre entnommen werden und anschließend eine Behandlung durchgeführt werden. Diese sollte zunächst mit säureblockierenden Medikamenten durchgeführt werden.
Antje : Sodbrennen soll ja ganz weit verbreitet sein. Gibt es darüber Aufzeichnungen, wie das in Deutschland ist. Mein Mann meint nämlich, er hätte etwas ganz besonderes.
DR. PEITGEN : Sodbrennen ist tatsächlich sehr weit verbreitet. Die Häufigkeit der Erkrankung hat sich in den letzten 25 Jahren dramatisch erhöht. Wir gehen davon aus, daß die Zahl der Sodbrennenbetroffenen, die ins Krankenhaus kommen, in den letzten 25 Jahren um das 15-fache zugenommen hat. 14 Millionen Deutsche leiden gelegentlich an Sodbrennen, etwa 5 Millionen Patienten suchen jährlich den Arzt wegen Sodbrennen auf, 1,3 Millionen Patienten haben bereits nachweisbare entzündliche Veränderungen im Bereich der Speiseröhre. Die Kosten der Behandlung dieser Patienten sind immens. Die Krankenkassen geben jährlich 3 bis 4 Milliarden Euro alleine für Refluxpatienten aus. Trotzdem ist die Erkrankung Ihres Mannes für ihn etwas Besonderes - was auch Ihr Mann für Sie sein sollte. Ich rate Ihnen die Beschwerden Ihres Mannes ernst zu nehmen und nicht zu verharmlosen, auch wenn dieser Rat eher zwischenmenschlich als ärztlich gemeint ist.
DR. PEITGEN : Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucher der Expertensprechstunde, in den vergangenen zwei Stunden sind viele Fragen gestellt worden zu allen möglichen Aspekten der Sodbrennen-Erkrankung. Wir alle - Ärzte wie Patienten und Betroffene - müssen die Symptome, die Auswirkungen und die Behandlung dieser Erkrankung sehr ernst nehmen. Dies setzt einen verantwortungsvollen Umgang miteinander voraus. Die Bandbreite der möglichen erfolgreichen Behandlungsstrategien ist groß. Ich empfehle allen Betroffenen, sich einen geeigneten Arzt ihres Vertrauens zu suchen und an der Behandlung aktiv und vertrauensvoll mitzuwirken. Sowohl die medikamentöse Therapie als auch die chirurgische Behandlung haben spezifische Vor- und Nachteile. Diese müssen im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. In der Regel sollte eine konsequent durchgeführte medikamentöse Behandlung nach sorgfältiger Diagnosestellung durchgeführt werden. Ist eine Langzeittherapie erforderlich oder liegen besondere Formen des Sodbrennens (Volumenreflux, Reflux mit Atemwegserkrankungen, Reflux bei jungen Patienten mit gutem Ansprechen auf Medikamente) vor, sollte möglichst früh über eine Operation nachgedacht werden. Dies bedeutet nicht, daß die Operation auch früh durchgeführt werden muß, sondern das frühe Nachdenken über eine Operation räumt genug Zeit ein, eine ausgewogene Entscheidung zu treffen. Wir hoffen sehr, Sie in Ihrem Entscheidungsfindungsprozess ein wenig unterstützt zu haben und würden uns freuen, wenn Sie die Experten-Sprechstunde auch bei anderen Gelegenheiten nutzen würden.
Ende der Sprechstunde.