Multiples Myelom: Was tun wenn die Krankheit zurück ist – Ausblick und Therapie

Dr. med Manfred Welslau
Chefarzt der Medizinischen Klinik IV
Hämatologie/Onkologie
Am Hasenkopf 1
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PROTOKOLL

Multiples Myelom: Was tun wenn die Krankheit zurück ist – Ausblick und Therapie

Heiner_Fröhlich: Gilt ein Multiples Myelom als „Alterserkrankung“?

Dr. Welslau: Das Multiple Myelom ist tatsächlich wie die allermeisten Krebserkrankungen eine Erkrankung des älteren Menschen. Der Altersgipfel dieser Erkrankung liegt etwa um das 70. Lebensjahr. Somit sind die Hälfte der Patienten älter als 70 Jahre. Das bedeutet, dass für etwa die Hälfte der Patienten keine intensive Therapie in Frage kommt. Für die andere Hälfte der Patienten unter 65 Jahre kommt in der Regel eine intensivere Therapie in Frage. Die intensive Therapie bedeutet dabei im Verlauf eine autologe Stammzelltransplantation, die nichtintensive Therapie beinhaltet verschiedene moderne Medikamente, die die Erkrankung auch langfristig stabilisieren kann.

Söhrensen: Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Krankenhäuser in Deutschland verantwortungsvoll mit neuen Medikamenten und Verfahren umgehen. Bei meiner Frau geht es um eine Erhaltungstherapie, die wohl noch sehr neu ist. Das verunsichert uns. Andererseits, wenn meine Frau die nicht bekommt bleiben bei mir Zweifel, ob ihr vielleicht eine Möglichkeit entgeht. Wovon ist abhängig, ob ein neues Medikament empfohlen wird, oder ein Medikament, das schon länger erprobt ist? Wie überwinde ich meine Zweifel?

Dr. Welslau: Die Erhaltungstherapie ist heute bei der Behandlung des Multiplen Myeloms zum Standard geworden, der selbstverständlich in Abhängigkeit von möglichen Risiken bei jedem Patienten in Erwägung gezogen wird. Die Erhaltungstherapie heißt in der Regel, dass man eine niedriger dosierte Therapie oder die Kombination mit einem Antikörper in einem längeren Dosierungsintervall bis zur Verschlechterung der Erkrankung oder bis zum Auftreten von nicht tolerablen Belastungen empfiehlt. Dieser Standard gilt deutschlandweit in allen Zentren, die sich mit der Behandlung des Multiplen Myeloms befassen. Es gibt dabei auch neue Medikamente, z.B. Antikörper, die den Erfolg der Erhaltungstherapie deutlich verbessern können. Eine Erhaltungstherapie bedeutet zwar eine gewisse Belastung durch die Tatsache, dass die Medikamente auf unbestimmte Zeit angewendet werden müssen und dies möglicherweise mit der Belastung von wiederholten Terminen verbunden ist, andererseits stabilisiert die Erhaltungstherapie die Erkrankung möglicherweise über viele Jahre und kann damit die Belastung durch die Erkrankung in eine ferne Zukunft schieben. Wenn Sie Zweifel an der Entscheidung über die Zusammensetzung der Erhaltungstherapie haben, können Sie sicherlich eine Zweitmeinung in einem spezialisierten Myelomzentrum einholen.

Jürgen_Hommel: Meine Mutter hat ein Multiples Myelom. Sie geht da ganz tapfer mit um, bekommt eine Mischung aus unterschiedlichen Medikamenten. Mir fällt auf, dass ihre Denkleistung sich verändert. Gehört das dazu? Oder liegt das an ihrem fortgeschrittenen Alter? Meine Mutter ist 76 Jahre, war aber immer aktiv im Kopf.

Dr. Welslau: Die Hirnleistung des Menschen nimmt, wie Sie wissen, mit dem Alter ab. Wir wissen aber mittlerweile auch, dass eine medikamentöse Tumortherapie diesen Prozess beschleunigen kann. Wir nennen dieses Phänomen "chemo brain". Bei einem Menschen im 76. Lebensjahr liegen somit hier zwei mögliche Ursachen für eine Hirnleistungsstörung vor. Die medikamentöse Therapie des Multiplen Myeloms beinhaltet auch Medikamente, die den Prozess einer altersbedingten Funktionsstörung des Gehirns verschlechtern können. Sprechen Sie bitte mit Ihrem behandelnden Hämatologen über die Veränderungen, möglicherweise besteht unter Abwägung des Nutzens und der Belastung die Möglichkeit einer Anpassung der aktuellen Therapie.

Marie-Wiese: Mein Bruder hatte vor der Erkrankung schon angegriffene Nieren. Das macht es jetzt nicht leichter. Er hat eine STZ-Transplantation bekommen, die den Erfolg gebracht hat. Dennoch sehen wir eine Chemo als Rettungsanker für einen möglichen Rückfall. Was käme dann für ihn in Frage?

Dr. Welslau: Nach der Stammzelltransplantation kann eine Erhaltungstherapie als Rettungsanker zur Vorbeugung eines möglichen Rückfalls sinnvoll sein. Eine Erhaltungstherapie kann z.B. in Form von Tabletten eingenommen werden. Die Tabletten sind in der Regel gut verträglich und schützen auch die Nierenfunktion im Fall einer Verschlechterung der Erkrankung nach der Stammzelltransplantation. Dies kann insbesondere bei Patienten mit einer Einschränkung der Nierenfunktion durch die Eiweiße, die das Multiple Myelom produziert, vorbeugend wirken. Sprechen Sie bitte mit Ihrem behandelnden Hämatologen über die Möglichkeit einer Erhaltungstherapie nach der Stammzelltransplantation.

Lorade: Ich weiß leider nicht welche Chemotherapie meine Mutter bekommt und verstehe die vielen Begriffe nicht genug. Was ich gern wüsste ist, wie schnell setzt eine sichtbare Verbesserung ein, wenn die Behandlung von einem multiple Myelom begonnen wurde? Meine Mutter ist 68 Jahre alt.

Dr. Welslau: Am Beginn einer Behandlung für das Multiple Myelom steht heute in der Regel eine Kombination aus mindestens drei Medikamenten, die zu einer sehr schnellen Besserung der Erkrankung führen. Wir können diese Besserung durch die Bestimmung der sogen. freien Leichketten im Blut sehr früh sehen. So können wir oft schon 1-2 Wochen nach Beginn der Behandlung einen Rückgang dieser freien Leichtketten im Blut feststellen und somit viel früher, als es der Patienten durch eine Besserung seiner krankheitsbedingten Symptome merkt. Fragen Sie Ihren betreuenden Hämatologen nach der Entwicklung der freien Leichtketten.

Günther58: Erst Chemo, dann Rückfall. Mein Hämatologe rät mir zu einer Stammzelltransplantation. Davon habe ich ausreichend im Bekanntenkreis gehört, um zu wissen, dass es fürchterlich wird. Kann man sich darauf körperlich und psychisch vorbereiten? Momentan würde ich lieber Erneut eine Chemotherapie machen. Welche bietet sich da an?

Dr. Welslau: Vor der Stammzelltransplantation braucht man sich heute nicht mehr zu fürchten. In den Händen eines erfahrenen Zentrums ist diese Routinemethode in der Regel mit keiner großen Belastung mehr verbunden. Die hochdosierte Chemotherapie, die bei der Stammzelltransplantation verabreicht wird, wird erstaunlich gut vertragen. Der große Unterschied zu einer Stammzelltransplantation mit fremden Stammzellen ist hier, dass die eigenen Stammzellen nach der Chemotherapie zurückgegeben werden. Die Belastung durch eine Reaktion fremder Stammzellen gegen den eigenen Körper fällt somit komplett weg. Das Risiko, dass die Stammzellen nicht anwachsen ist ebenso sehr gering. In der Regel ist mit einem Krankenhausaufenthalt von 10-14 Tagen zu rechnen. Sie sind so jung, dass Sie, falls Sie keine schweren chronischen Erkrankungen haben, die Stammzelltransplantation sicher gut schaffen. Nach der Stammzelltransplantation kann dann eine wenig belastende Erhaltungstherapie mit Tabletten das Erreichte stabilisieren, so dass Sie möglicherweise sehr lange keine Verschlechterung der Erkrankung erleben müssen.

Alessandro: Mein Vater ist 78 Jahre alt, hatte vor 5 Jahren Chemo nach MM Diagnose, vor 3 Jahren eine SZT. Er soll sich nicht erkälten und insgesamt vor Infektionen schützen. Wie kann der behandelnde Onkologe zwischen einer „normalen“ Bronchitis o. ä – Vater hustet stark mit Schleim – und einem allergischen Husten unterscheiden? Allergien kommen ja auch in fortgeschrittenem Alter neu dazu.

Dr. Welslau: Patienten mit einem Multiplen Myelom können durch die Erkrankung und oder durch die Behandlungen einen Immundefekt haben. Somit ist das Risiko für Infektionen grundsätzlich erhöht. Eine Infektion kann mit Fieber und Schüttelfrost, sowie einer Lungeninfektion mit Husten und Luftnot einhergehen. Fieber und Schüttelfrost sind immer Alarmzeichen, die bei Patienten mit einem Multiplen Myelom einen schnellen ärztlichen Kontakt erforderlich machen. Eine entsprechende schnell eingeleitete antiinfektiöse Therapie kann dann Schlimmeres verhindern. Der behandelnde Onkologe wird verschiedene Messungen im Blut nach der klinischen Untersuchung vornehmen, die eine Infektion anzeigen. Dies kann helfen, eine leichte Infektion von einer schweren Infektion, die manchmal sogar einen Krankenhausaufenthalt nötig macht, zu unterscheiden. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass sich zusätzlich Allergien entwickeln. Allergien gehen aber in der Regel nicht mit Fieber und Schüttelfrost einher. Bei einem chronischen Husten sollte ggf. ein Lungenfacharzt zur Beurteilung hinzugezogen werden.

Lüwer: Stimmt es dass die Krankheit häufiger bei Männern vorkommt?

Dr. Welslau: Die Krankheit kommt tatsächlich etwas häufiger bei Männern vor, wobei die Geschlechterverteilung nicht wesentlich unterschiedlicher ist.

Stuhr12: Mein Bruder hatte Chemo, Stammzelltransplant, Chemo. Jetzt ist eine Ruhephase, die hoffentlich lange anhält. Wenn er noch mal ein Rückfall bekommt, geht es dann um eine Erhaltungstherapie, oder geht es dann trotzdem nochmal um Heilung?

Dr. Welslau: Wir können das Multiple Myelom zu einer chronischen Erkrankung machen, und das ist gut so. Noch vor 20 Jahren lag die mittlere Lebenserwartung der Erkrankten etwa bei 3 Jahren. Heute gelingt es durch die modernen Medikamente, die Lebenserwartung um viele Jahre zu verlängern. So darf ich Patienten hier betreuen, die zwar keine Heilung erreichen, aber mitlerweile 15 Jahre mit dieser Erkankung leben. Jede neue Therapie bietet mit neuen Medikamenten eine echte Chance, die Frist auf dieser schönen Welt zu verlängern.

Tomasic: Wir sind intensiv mit der Recherche zu Statistiken, Studien u.ä. befasst und stoßen immer wieder auf den Begriff der medianen Lebenserwartung. Was genau ist das?

Dr. Welslau: Der statistische Begriff der medianen Lebenserwartung bedeutet, dass nach der angegebenen Zeit in Monaten oder Jahren, die Hälfte der Patienten verstorben ist oder am Leben ist. Dabei sollten sie bedenken, dass die Statistik niemals auf einen Einzelfall anzuwenden ist. Jeder trägt sein eigenes Schicksal und somit sind Prognosen nur sehr unsicher möglich. Jeder Mensch hat die Chance, auf der Überlebenskurve sehr lange durchzuhalten und jeder Statistik ein Schnäppchen zu schlagen.

Rainer_Schöning: Bei mir war das MM ein Zufallsbefund, der mich völlig unvorbereitet traf. Ich bin erst 32 und bekam eine Hochdosis-Behandlung. Hat 4 Jahre gewirkt. Aber jetzt wird es wieder schlechter. Ist der nächste Therapieschritt aufgrund der vorangegangenen Hochdosis weniger belastend, eingeschränkter oder geht es nur noch um Erhaltung?

Dr. Welslau: Die erste Hochdosistherapie hat vier Jahre Ihres Lebens gerettet. Nach dieser Zeit kann insbesondere aufgrund Ihres jungen Alters durchaus ein erneutes Hochdosiskonzept überlegt werden. Für die erneute Chemotherapie stehen heute nach 4 Jahren wieder bessere Medikamente zur Verfügung, ohne dass die Belastung durch die Therapie stärker sein muss. Das Ziel in Ihrer Situation sollte aber wieder eine möglichst tiefe Remission sein. Dies ist aber durchaus mit einer verträglichen Kombination moderner Medikamente, möglicherweise mit einer nachgeschalteten erneuten Hochdosistherapie, sowie einer anschließenden Erhaltungstherapie durchaus zu erreichen. Auch stehen neue Therapiekonzepte, wie z.B. eine Immuntherapie mit zielgerichteten Antikörpern, oder eine Therapie, bei der Ihre Immunzellen durch eine spezielle Aufarbeitung gegen den Tumor gerichtet werden können (CAR-T-Zelltherapie) zur Verfügung. Das beste Konzept sollte für Sie das richtige Konzept sein. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Hämatologen. Er wird Ihnen sicher die beste Therapie für Ihre Situation empfehlen.

Barbi_Pothzek: Ist es von Vorteil, wenn man bei einer Studie mitmacht? Gibt es gegenwärtig welche für M.Myelom?

Dr. Welslau: Es gibt in Deutschland zwei große Myelom-Studiengruppen. Die eine Gruppe wird durch Prof. Goldschmid betreut, die andere Studiengruppe durch Prof. Einsele in Würzburg. Viele Myelomzentren in Deutschland haben sich diesen beiden Studiengruppen angeschlossen. Diese Studiengruppen entwickeln die Therapie des Multiplen Myeloms weiter, so dass die Menschen, die heute am Multiplen Myelom erkranken, bessere Möglichkeiten vorfinden, als die Menschen noch vor einigen Jahren hatten. Somit leistet jeder Patienten, der an einer Studie teilnimmt, einen Beitrag für zukünftige Patienten. Neben diesem Beitrag für andere, gibt es aber auch einen eigenen Nutzen für die Teilnahme an einer Studie. In einer Studie bekommen Patienten eine ganz besondere Qualitätssicherung. Somit wird jeder Schritt der Studie mehrfach überprüft und die Qualität der Behandlung sorgfältig auch von außen überwacht. Dies führt erwiesenermassen in der Regel zu einem Vorteil für Patienten, die sich in einer Studie behandeln lassen.

Feige: Meine Mutter hatte eine Autologe und bekommt nach einem Rückfall regelmäßig Bluttransfusionen. Ist das normal? Ich dachte, Transfusionen seien eine eher veraltete Therapie. Was wäre eine sinnvolle Alternative?

Dr. Welslau: Die Bildung der roten Blutkörperchen kann zum einen durch die Myelomerkrankung behindert sein, zum anderen durch die Nebenwirkung der Therapie. Schreitet die Erkrankung fort, so wird die Blutbildung durch eine Verdrängung der Produktion der roten Blutkörperchen im Knochenmark behindert, auch kann eine zusätzliche Einschränkung der Nierenfunktion durch eine verminderte Bildung von Erythropoietin, welches in den Nieren produziert wird, zu einer Verminderung der roten Blutkörperchen und somit zu einer Anämie führen. Manchmal lässt sich dadurch eine Bluttransfusion nicht vermeiden. Das blutbildende Hormon kann auch als Medikament verabreicht werden und kann somit helfen, Bluttransfusionen zu vermeiden. Das Hormon wird einmal wöchentlich in die Bauchdecke gespritzt und kann helfen die Blutarmut zu verbessern.

Neidhardt: Die zielgerichteten Therapien sind ein Segen von dem meine Frau und ich als Angehöriger bereits profitieren dürfen. Dafür bin ich total dankbar. Man hat uns das auch mit den vielen Myelomvarianten sehr gut erklärt. Ich habe verstanden, die Differenzierung wäre deutlich einfacher, wenn man gute Marker hätte. Wie kommt die Forschung da voran?

Dr. Welslau: Die zielgerichteten Therapien könnten noch zielgerichteter sein, wenn wir bessere Biomarker hätten. Dies gelingt Gott sei Dank zunehmend. Bei manchen Erkrankungen wie z.B. Lungenkrebs führt diese heute bereits dazu, dass etwa 30 Prozent der Patienten zielgerichtet und somit besser behandelt werden könne. Beim Multiplen Myelom kommt die Forschung auch voran, so dass wir zumindest prognostische Marker kennen, die die Wahl der Medikamente und die Behandlugnsstrategie auch schon heute beeinflussen. Wichtig sind dabei die genetischen Veränderungen in den Myelomzellen und so behandeln wir bei prognostisch ungünstigen genetischen Konstellationen - sofern dieses möglich ist - intensiver, also z.B. durch eine doppelte Stammzelltransplantation. Dies führt dann bei dieser Gruppe von Patienten zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens. Wir arbeiten aber fieberhaft an weiteren biologischen Markern, die in der Zukunft noch zielgerichtetere Therapien ermöglichen. Diese Arbeiten beschäftigen sich intensiv mit sogen. Gen-Signaturen, so dass in der Zukunft eine noch individuellere Therapie massgeschneidert für die Patienten entwickelt werden kann.

DetlefAndresen: Nach der Diagnose Multiples Myelom kam als erstes die Chemo. Dann Rückfall. Jetzt Stammzelltransplantation. Mein Vater (75) ist ein Hochrisikopatient in Coronazeiten? Er lebt allein in einer kleinen Wohnung und ist ganz viel allein. Wie groß ist die Gefahr, dass er unter diesen Bedingungen schneller einen Rückfall bekommt und was ist dann?

Dr. Welslau: Die Tatsache, dass Ihr Vater ganz allein lebt, und leider im Moment auch die Kontaktbeschränkungen aushalten muss, wirkt sich zunächst mal nicht auf das Rückfallrisiko aus. Nach der Hochdosistherapie und Stammzelltransplantation kann eine Erhaltungstherapie in Erwägung gezogen werden, die nach allem was wir aktuell wissen das Risiko für eine mögliche Corona-Infektion nicht erhöht. Der Rückfall der Erkrankung kann aber verzögert werden. Dennoch ist abzuwägen, ob Ihr Vater nicht z.B. mit modernen Medien die Nähe Ihrer Familie zumindest virtuell genießen kann. Eine Whatsapp-Gruppe mit den Enkelkindern kann sehr vorteihalft für kranke Menschen sein. In einem großen amerikanischen Myelomregister war eines der wichtigsten Risiken für ein früheres Sterben die Tatsache, ob die Patienten allein oder in einer Partnerschaft gelebt haben. Wir wissen, wie wichtig die menschliche Beziehung sein kann, weil wir soziale Wesen sind und ohne eine menschliche Beziehung verwelken. Versuchen Sie so oft wie möglich, mit Ihrem Vater in Kontakt zu treten. Sie leisten damit eine wertvolle Unterstützung.

Rostock: Was ist noch möglich bei MM an Therapie, wenn das Tumorgewebe schon ins Knochenmark eingedrungen ist?

Dr. Welslau: Das Multiple Myelom ist eine Erkrankung des Knochenmarks und findet nur selten außerhalb des Knochenmarks statt. Somit ist bereits bei der Diagnose in der Regel ein ausgedehnter Befall des Knochenmarks vorhanden. In seltenen Fällen kann das Myelom aber auch an anderen Körperstellen außerhalb des Knochenmarks auftreten. Wir nennen diese Situation ein Extrameduläres Myelom. Im Fall eines einzelnen Herdes sprechen wir dann von einem Plasmozytom. Das Plasmozytom kann im Gegensatz zu dem Multiplen Myelom durch eine Strahlentherapie ausgeheilt werden. Das Multiple Myelom kann in der Regel dauerhaft nicht geheilt werden. Die Behandlungsmöglichkeiten des Multiplen Myeloms sorgen aber für eine lange Lebenszeit auch ohne eine Ausheilung.

Lars_Leoni: Bei meinem Bruder kommen mehrere Erkrankungen zusammen. Er hat eine psychiatrische Erkrankung, die eigentlich ganz gut unter Kontrolle ist. Er kann sogar regelmäßig arbeiten und sich selbst erhalten. Aber er muss täglich Medikamente nehmen. Gegenwärtig ist es Lyrica und noch was anderes. Jetzt kommt neu ein Multiples Myelom hinzu. Glücklicherweise wohl noch ganz am Anfang. Er ist in der Beobachtungsphase. Aber es stellt sich mir natürlich die Frage, was ist mit einer möglichen Chemo und seinen psychiatrischen Medikamenten? Geht das überhaupt?

Dr. Welslau: Ihr Bruder ist im Moment in der Phase einer Vorstufe des Multiplen Myeloms, welches wir als schwelendes Myelom bezeichnen. Diese Phase kann sehr lange anhalten. In dieser Situation können prognostische Parameter die Länge dieser Phase ein wenig besser voraussagen. Es gibt aber Menschen, die in dieser Phase nie eine Behandlung brauchen. Falls Ihr Bruder eine Behandlung benötigt, ist dies auch unter Begleitmedikation der psychiatrischen Erkrankung möglich und notwendig. Es gibt wie immer, mögliche Wechselwirkungen und Risiken, dass die psychiatrische Erkrankung durch die Therapie sich verschlechtert. So kann z.B. durch hochdosierte Cortisonpräparate eine psychiatrische Erkrankung sich verschlechtern. Die Behandlung wird dann in enger fachärztlicher Abstimmung durch die Mitbehandlung des Psychiaters zusammen mit dem Hämatologen durchgeführt. Grundsätzlich ist die Behandlung aber genauso wirksam, wie bei Patienten, die keine psychiatrische Erkrankung haben.

Heidi_Hilmar: Meine Mutter (55) hat mir strahlend von dem guten Igg Wert von 4800 berichtet. Ist der Wert wirklich gut und wie wirkt sich das auf den Krankheitsverlauf aus? MM seit 5 Jahren, 1. Rückfall vor 9 Monaten

Dr. Welslau: Sie wissen sicherlich, dass der Wert über dem Normbereich liegt. Trotzdem freut sich Ihre Mutter, weil sie wahrscheinlich bei Beginn der erneuten Therapie einen viel höheren Wert hatte. Für Ihre Mutter ist dieser Wert verbunden mit der Hoffnung, dass die aktuelle Therapie wirkt. Ihre Mutter sollte also die aktuelle Therapie in Absprache mit Ihrem behandelnden Hämatologen fortsetzen und darf hoffen, dass der Wert sich im Verlauf noch weiter verringert. Falls dies nicht der Fall sein sollte, stehen bei Ihrer Mutter sicherlich weitere moderne Therapieoptionen zur Verfügung, die die Erkrankung auch nach vielen Rückfällen noch stabilisieren können.

Mit freundlicher Unterstützung von AMGEN GmbH, München




Ende der Sprechstunde.