PROTOKOLL

DR. MED. KNUT BEHLE: Wir beginnen um 19 Uhr.

Christiane : Warum haben Frauen grundsätzlich ein doppelt so hohes Osteoporoserisiko als Männer?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Das hängt grundsätzlich mit erst mal der Knochenverteilung zusammen. Ähnlich der Muskelmasse besitzt die Frau auch eine geringere Knochenmasse. Hinzukommen nun verschiedene Faktoren, die in der Regel in der persönlichen Lebensführung begründet sind. Z. B. ist ein spätes Eintreten der ersten Regelblutung, der Verzicht auf Kinder und Stillen ein zusätzlicher Faktor, der bei den Männern naturgemäß keine Rolle spielt.

Jonas : Bitte einmal Hilfe bei der Begrifflichkeit. Was ist Osteoporose, was ist Knochenerweichung? Gibt es die überhaupt, oder stammt der Begriff aus einer Zeit, als die meisten Menschen sich noch nicht mit ihrer eigenen Gesundheit befasst haben und die Beschreibung von Krankheiten in Allgemeinplätzen zussammengefasst wurde?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Osteoporose ist definiert als Reduktion der Knochenmasse, Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochens und einer dadurch erhöhten Bruchgefährdung. Der Begriff Knochenerweichung ist kein Fachbegriff. Es gab früher verschiedene Knochenerkrankungen, bei denen tatsächlich der Knochen "weich" wurde, z. B. Knochentuberkulose. Heute wird der Begriff in der Regel nicht mehr verwendet.

Gressmer : Unser Vater hatte nach einer Chemotherapie das Gefühl, dass er alle Zähne ausspucken könnte. Alles war locker. Das hat sich etwas gebessert. Richtet sich das wieder von allein, oder kann oder muss man das durch eine entsprechende Behandlung zusätzlich unterstützen?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Es gibt verschiedene Chemotherapien, die in der Tat den Knochen (also auch den Zahnhalteapparat) schädigen können. Das hängt allerdings sehr von der Art der Chemotherapie ab. Insbesondere bei einer Kombinationstherapie des Prostatakarzinoms beim Mann kann der Knochen erheblich angegriffen werden. Hier könnte eine Dexa Knochendichtemessung hilfreich sein.

Jean : Ich weiß, dass es eine Vielzahl Medikamente gibt, die das Osteoporose-Risiko fördern. Gehören Antidepressiva auch dazu?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Ja, Antidepressiva gehören auch dazu, ebenso wie Antiepileptika, Glitazone, Cortison (auch als Inhalat), Neuroleptika und Protonenpumpeninhibitoren (vor allem bei Langzeiteinnahme).

Barbara : Es gibt unterschiedliche Methoden, die Knochendichte zu messen. Wenn kein Anfangsverdacht vorliegt ist das eine Zusatzleistung, die auch zusätzlich bezahlt werden muss. Jeder Arzt behauptet, seine Art der Messung sei aufschlussreich. Angeboten wurde mir eine Messung, bei der ich meine Hacke in ein Gerät stellen sollte. Was mir komisch erscheint, weil da ja nicht besonders viele Knochen sind, sondern vorrangig die dickste Sehne des Körpers. Wo erfahre ich, welche Methode wissenschaftlich akzeptiert ist?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Bei der Knochendichtemessung der Ferse wird ein Ultraschallverfahren angewendet. Dies wird international als Standardmethode nicht empfohlen. Der Goldstandard ist die Osteodensitometrie mittels Dexa-Verfahren. Alle anderen Methoden (Ultraschall, quantitative Computertomographie und ähnliches) sind zur Zeit noch nicht ausreichend untersucht.

Katta : Was versteht man unter einer knochenfreundlichen Ernährung?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Bei der knochenfreundlichen Ernährung geht es insbesondere darum, den Calciumhaushalt günstig zu beeinflussen. Neben Milchprodukten kommen auch Gemüsesorten und calciumreiche Mineralwässer zur Anwendung. Zusätzlich sollte die Zufuhr von phosphatreichen Lebensmitteln (Cola, konservierte Wurstwaren etc.) minimiert werden.

WIEN (Regen) : Was ist eine Rankelhemmung? Habe diesen begriff in Zusammenhang mit zerbrochenen Wirbeln/anderen Brüchen und dem Medikament Denosumab gehört. Ist es bei Brüchen nicht zu spät für so eine Behandlung?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Der korrekte Ausdruck ist Rank-Ligand-Hemmung. Der Begriff beschreibt den Wirkmechanismus von Denosumab. Dieses Medikament greift als so genannter monoklonaler Antikörper in den Signalweg der Knochenzellen ein, so dass es zu einer Hemmung des Knochenabbaus kommt. Wenn es zu einem Bruch gekommen ist, ist es höchste Zeit für eine Behandlung, weil unbehandelt die nächste Fraktur droht.

Rosser : Man liest immer wieder, dass man mit Calcium und Vitam. D viel erreichen kann. Aber zu viel Calcium ist auch schädlich. Was ist denn die richtige Einheit?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Über den Daumen kann man sich merken, der Körper braucht unter normalen Umständen 1.000 mg Calcium und 1.000 internationale Einheiten Vitamin D pro Tag. In der Tat wird die früher propagierte hohe Calciumeinnahme inzwischen kritisch gesehen. Mit 1.000 mg pro Tag liegt man in der Regel gut im Rennen. Eine zusätzliche Calciumzufuhr wird nur empfohlen, wenn die Nahrungscalciumzufuhr zu gering ist.

Ronja : Meine Mutti bekommt schon durch einen leichten Stoß einen blauen Fleck. Dass soll am Kortison liegen, dass sie bekommt, weil dadurch die Gefäße dünner sein sollen, als bei anderen. Außerdem liegt bei ihr eine leicht fortgeschrittene Osteoporose vor. Wie kann man die Osteoporose. in diesem Stadium aufhalten? Kann man die Gefäßwände wieder stärken, oder bleiben die jetzt so?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Es liegen zwei typische unerwünschte Wirkungen des Cortisons vor. Zum einen wird das Cortison für eine Schwäche des Bindegewebes verantwortlich gemacht. Zum zweiten führt eine regelmäßige Cortisoneinnahme zu einer so genannten sekundären Osteoporose. In jedem Fall kann man aufgrund einer durchzuführende Dexa-Messung erkennen, in welchem Maß eine Therapie erforderlich ist. Die Frage der Gefäßwände kann man nur beantworten, wenn man weiß, ob es sich um eine Langzeit-Cortison-Behandlung handelt (z. B. bei rheumatoider Arthritis) oder um eine Kurzzeit-Cortisoneinnahme.

Herzchen : So wunderbar die Forschung und Weiterentwicklung für viele Krankheiten ist, manche Dinge nerven mich kolossal. Ich soll möglichst windschnittig, sprich nicht übergewichtig sein. Das schone die Gelenke. Gleichzeitig darf ich keinesfalls zu wenig wiegen, das macht die Knochen instabil. Gewünscht ist die Mitte. Es geht immer und überall nur um die Mitte, dann ist man in sicherem Fahrwasser. In anderen Bereichen würde man sagen, wir reden von Mittelmaß. Die Mitte wird immer kleiner eingeengt, damit rechts und links möglichst viele aus dem Raster fallen und in die Therapiestufe eingeordnet werden können. Was ist mit der Medizin los? Sind wir da wirklich auf dem richtigen Weg?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Diese Frage finde ich richtig gut, obwohl sie mehr philosophische Aspekte anspricht als medizinische Aspekte. In der Tat ist nach meiner persönlichen Auffassung in der Gesellschaft ein "normatives" Denken weit verbreitet. Diejenigen, die nicht der Norm entsprechen, weil sie entweder leicht übergewichtig sind oder den falschen Haarschnitt haben oder keine Mainstream-Kleidung tragen, sind im Prinzip auffällig. Aber, es sind ja gerade diejenigen Menschen, die nicht der Norm entsprechen, die eine Gesellschaft häufig weiterbringen, weil sie eben das Außergewöhnliche darstellen, mag es auch noch so verschroben aussehen. Die meisten Nobelpreisträger passen in kein Mainstream-Schema.

Ida Stein : Vor 7 Jahren wurde mein rechter Schilddrüsenlappen entfernt und ich substituiere, weil die linke Hälfte allein nicht ausreicht. Meine Werte sind im oberen Toleranzbereich, ich lasse sie regelmäßig überprüfen. Besteht grundsätzlich die Gefahr eine Osteoporose zu entwickeln, wenn man keine komplette eigene Schilddrüse mehr hat, oder nur, wenn die Werte nicht gut sind?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Solange die Werte im Normbereich sind, haben Sie nichts zu befürchten. Es wird ja bei Ihnen nur das Hormon substituiert, was Sie nicht mehr in ausreichender Menge selbst bilden können.

Stralsund : Unter welchen Bedingungen und wie lange reicht ein normales Kombinationspräpart aus dem Dromarkt zur Vorbeugung von Osteoporose aus?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Mit dem Kombinationspräparat meinen Sie wahrscheinlich eine Kombination aus Calcium und Vitamin D. Wenn Sie die oben angegebenen Mengen einhalten, haben Sie erst mal bereits eine gute Basistherapie. Ob das zur Langzeitvorbeugung von Osteoporose ausreicht, hängt von vielen Begleitfaktoren ab: Alter, Aktivität, Ernährung usw.

Kasperl : Wie macht sich eine Osteoporose-Erkrankung bemerkbar? Gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Das Problem der Osteoporose ist ja eben genau das, dass die Erkrankung sich erst bemerkbar macht, wenn es z. B. zu Brüchen gekommen ist. Manchmal ist aber bereits der Hinweis auf eine deutliche Reduktion der Körperhöhe wichtig, um rechtzeitig der Osteoporose auf die Spur zu kommen. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen hatte ich bereits in der ersten Frage behandelt. Bitte lesen die Antwort dort nach.

Jetsetter : Stimmt es wirklich, dass man keinen Knochenaufbau mehr erreichen kann, wenn die Osteoporose bereits eingesetzt hat? Man kann doch ganz viel rückgängig machen, warum geht das bei Knochen nicht, wenn die eine zusätzliche Versorgung durch Medikament und verstärkte Bewegung erhalten?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Der Knochenabbau ist ja ein schleichender Prozess, der von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Sicher kann man den Knochenabbau stoppen und durch zusätzliche Maßnahmen wieder Knochen aufbauen. Als gutes Beispiel können die Astronauten dienen, die bereits nach einigen Wochen fast 30 % ihrer Knochenmasse durch den Einfluss der Schwerelosigkeit verlieren, diese jedoch unter dem Einfluss der Schwerkraft, ausgewogener Ernährung und ausgeklügeltem Bewegungsprogramm wieder normalisieren können.

Ella : In den letzten zwei Wintern habe ich eine zunehmende Ängstlichkeit an mir festgestellt. Ich lebe allein und wüsste nicht, wie es weitergehen könnte, wenn ich mir etwas brechen würde. Dabei bin ich überhaupt kein ängstlicher Typ und stehe mit 64 Jahren Vollzeit im Beruf als Chefsekretärin. Ich habe meine Knochendichte untersuchen lassen, alles bestens. Trotzdem merke ich, dass ich mich vorsichtiger bewege. Letztlich führt vielleicht gerade dieses unsichere Verhalten zu Fehltritten. Wie kann ich die Angst loswerden?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Obwohl die Begründung für ihre Angst letztendlich im Unklaren bleibt, kann in dem Fall eine zielgerichtete körperliche Aktivität, z. B. mit Koordinationsschulungen, Ihnen wieder die nötige Sicherheit geben.

Gunda : Früher war ich sportlich sehr aktiv. Das wurde dann so ab 50 Jahre weniger und weniger. Es fehlt mir nichts und ich fühle mich ausgesprochen wohl. Das kann doch kein schlechtes Zeichen sein. Habe mich Zeit meines Lebens erfolgreich auf mein Bauchgefühl verlassen können. Verlässt einen dieses Gefühl, wenn man älter wird?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Ich persönlich glaube, dass man sich auf sein Bauchgefühl sehr gut verlassen kann. Wenn Sie sich wohlfühlen, ist das doch perfekt. Sicherlich ist eine ausgewogene Aktivität hilfreich, aber wenn Sie sich so wohlfühlen oder keinen Antrieb dazu haben, wäre es unsinnig, sich zu einer solchen Maßnahme zu "zwingen".

Culcha : Wie hoch ist der genetische Faktor zu bewerten?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Die familiäre Häufung von Osteoporose ist heute einer der wichtigsten Risikofaktoren. Insbesondere, wenn in der Familie bereits Brüche aufgetaucht sind, z. b. Schenkelhalsfraktur bei Vater oder Mutter, ist das Risiko deutlich erhöht.

Sakkra : Was passiert, wenn man zu viele Calciumtabletten einnimmt? Ich bin der Meinung, dass meine Mutter das völlig übertreibt.

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DR. MED. KNUT BEHLE: In der Tat wird die übertriebene Calciumeinnahme heutzutage zunehmend kritisch betrachtet. Zu der empfohlenen Menge habe ich bereits weiter oben Stellung bezogen. Es werden heute insbesondere Gefäßverkalkungen, Nierensteine und Herzprobleme mit der erhöhten Calciumeinnahme in Verbindung gebracht.

Birgit : Ist die Kritik an Calciumtabletten+D von Aldi oder Rossmann wirklich berechtigt? Sind das denn alles Placebos?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Die Kritik an Calciumpräparaten mit Vitamin D der Discounter ist weitgehend unberechtigt. Es handelt sich in der Regel bei den angebotenen Präparaten um diätetische Lebensmittel, die einer strengen Prüfung unterliegen. Lediglich Unterschiede in der Chemie, z. B. Calciumcarbonat und Calciumgluconat, spielen eine gewisse Rolle.

Marlies : Gibt es ein Alter, ab dem man eine Knochendichtemessung machen lassen sollte?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Eine Altersfestlegung ist eher wenig sinnvoll, da das Frakturrisiko von vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist. Grundsätzlich wird eine Knochendichtemessung empfohlen, wenn das geschätzte 10-Jahres-Risiko für Wirbelkörperfrakturen und Schenkelhalsfrakturen über 20 % liegt. Das bedeutet, dass für Frauen nach den Wechseljahren in jedem Fall eine Knochendichtemessung empfohlen wird, wenn es zu Frakturen gekommen ist, eine Cortisontherapie für mehr als drei Monate geplant ist, ein Diabetes mellitus Typ I besteht sowie eine rheumatoide Arthritis vorliegt. Hinzu kommen noch einige seltenere Risikofaktoren.

Abt : Bin 43 und habe angeblich Knochen wie ein 80jähriger. Eine klare Aussage, die mich schockiert hat. Ursache sind wohl unterschiedliche Psychopharmaka, die ich seit gut 20 Jahren nehmen muss. Es gab immer mal wieder einen Wechsel. Aber ich komme trotzdem gut klar. Die Osteoporose ist jetzt ein unerwarteter Hammer. Wie damit umgehen?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Nach Ihrer Beschreibung gehe ich davon aus, dass es sich um eine Röntgendiagnostik gehandelt hat, bei der Ihnen das Knochenalter mitgeteilt wurde. Wichtig ist natürlich, dass Sie auf der einen Seite die Psychopharmaka - auf die Sie gut eingestellt sind - regelmäßig nehmen. Eine wirklich verlässliche Aussage zur Knochendichte kann aber nur die Osteodensitometrie liefern.

zürich-osteo : Hallo aus der Schweiz! In Deutschland gibt es ein Medikament mit Namen Prolia, das 2 x im Jahr gespritzt wird. Was ist das für ein Wirkstoff und was ist das Besondere an dieser Behandlung? Zweimal pieksen im Jahr ist ja viel besser als jeden Tag irgendwelche Tabletten schlucken. Wie geht das eigentlich, dass der Wirkstoff sich so lange gleichmäßig im Körper hält und nicht ausgeschieden wird?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Der Wirkstoff in Prolia ist Denosumab (siehe oben). Im Gegensatz zu den oralen Darreichungsformen der Bisphosphonate wird - wie Sie richtig geschrieben haben - Prolia alle sechs Monate unter die Haut gespritzt. Im Gegensatz zu den Tabletten (in der Regel Bisphosphonate) handelt es sich bei Denosumab um einen monoklonalen Antikörper, der den Signalweg der Knochenzellen beeinflusst und nicht, wie bei den Bisphosphonaten, direkt die Osteoklasten hemmt. Dadurch, dass Denosumab in den Signalweg eingreift, ist auch nur eine Wiederholung der Injektion alle sechs Monate erforderlich. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Therapien häufig über mehrere Jahre gehen, ein wichtiger Gesichtspunkt.

MODERATOR: Unser Experte macht eine kurze Pause. Wir setzen die Beantwortung Ihrer Fragen in wenigen Minuten fort.

Steiner : Was tun, wenn man wie ich eine komplette Testosteron-Unterdrückung hat, wegen Prostatakrebs? Das bleibt auch erst einmal so. So lange die Therapie erfolgreich ist. Hat zur Folge, dass es meinen Knochen immer schlechter geht. Da die antihormonelle Therapie in der Regel eine zeitliche Begrenzung hat, weil sie irgendwann aufhört zu wirken die Frage, ob überhaupt etwas gegen die Entmineralisierung meiner Knochen gemacht werden muss?

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DR. MED. KNUT BEHLE: In der Tat ist die antiandrogene Therapie wegen des Prostatakarzinoms ein erheblicher Risikofaktor für die Entstehung einer Osteoporose beim Mann. Auch hier stehen entsprechende Medikamente zur Verfügung, um die fortschreitende Reduktion der Knochenmasse aufzuhalten. Dies sollte der behandelnde Urologe ggf. in Absprache mit einem Osteologen veranlassen. Hier wäre z. B. an Denosumab in deutlich höherer Dosierung als bei Frauen zu denken.

Ute : Wüsste gern ob sich bei Osteoporose die Knochen gleichmäßig entkalken, oder ob das punktuell unterschiedlich ist.

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DR. MED. KNUT BEHLE: Prinzipiell gibt es ja zwei verschiedene Knochenstrukturen. Einmal der so genannte kortikale Knochen, wie z. B. bei der Wand größerer Röhrenknochen, wie beim Oberschenkelknochen. Zum anderen gibt es so genannten trabekulären Knochen, der aus kleinen verzweigten Knochenbälkchen besteht. Dieser ist z. B. in den Wirbelkörpern zu finden. In der Tat gibt es Unterschiede bei verschiedenen Formen der Osteoporose. Die Osteoporose aufgrund von Cortisoneinnahme greift z. B. vorwiegend den trabekulären Knochen in der Wirbelsäule an. Grundsätzlich handelt es sich bei der Osteoporose aber grundsätzlich um eine generalisierte Skeletterkrankung.

Karina58 : Wann meine Osteoporose angefangen hat kann keiner so richtig sagen im Nachhinein. Fest steht, dass mein Gynäkologe bei meiner jährlichen Routinekontrolle eine Knochendichtemessung vorschlug. Das Ergebnis war Osteoporose und nicht mehr im Anfangsstadium. Ich war völlig platt. Es geht jetzt um Medikamente in Verbindung mit Bewegung. Medikamentös schlägt er mit zwei Spritzen im Abstand von 6 Monaten vor. Das finde ich sehr komfortabel. Lieber so, als jeden Tag etwas einnehmen. Dann soll ich mich zusätzlich mehr bewegen, als bisher. Ich fand mich vorher schon nicht bewegungsarm und habe jetzt das Problem, dass ich Angst habe mich zu bewegen, damit nichts bricht. Soll ich Sport nur noch unter Aufsicht machen?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Wichtig ist erst mal, dass die Osteoporose offensichtlich erkannt ist und man jetzt entsprechende Behandlungsmaßnahmen einleiten kann. Die Denosumab-Therapie ist sicherlich komfortabel. Die Basistherapie mit Calcium und Vitamin D (siehe oben) sollte nicht vergessen werden. Sollten Sie bereits zweimal in der Woche für ca. 90 Minuten Sport betreiben, ist das völlig ausreichend. Wenn allerdings eine behandlungspflichtige Osteoporose vorliegt, würde ich Risikosportarten mit erhöhter Sturzgefahr meiden.

Kornelia : Untergewicht wird neuerdings genannt als Risiko für Osteoporose. Da würde ich jetzt mal locker sagen ? betrifft immer weniger? Aber Spaß beiseite. Heisst das im Umkehrschluss, dass man mit leichtem Übergewicht auf der sicheren Seite ist?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein Risikofaktor, insbesondere, wenn er unter 20 ist. Das hängt damit zusammen, dass in dem Fettgewebe noch etwas Östrogen gebildet wird, das als Knochenschutz dient. Fehlt das Fettgewebe fast völlig, besteht dieser Schutz nicht mehr und das Osteoporoserisiko steigt. Bei einem leichten Übergewicht fällt dieser Risikofaktor natürlich weg. Aber es ist wie gesagt nur ein Faktor von vielen.

Gudrun_Molle : Bei mir liegt kein konkreter Anlass vor, aber trotzdem würde ich mich gern auf eine beginnende Osteoporose untersuchen lassen, weil ich in dem Alter bin und in den Wechseljahren. Wenn es keinen Grund gibt, soll ich das selbst bezahlen, sagt mein Hausarzt. Mir ist klar, dass er dann mehr verdient, als wenn er das mit der AOK über meine Karte abrechnet. Mich ärgert das, denn ich gehöre zu den verantwortungsvollen, wie ich finde und meine Versicherung spart voraussichtlich spätere Behandlungskosten. Soll ich zu einem anderen Arzt gehen und erzählen wie mir die Knochen weh tun? Das ist aber nicht mein Stil.

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DR. MED. KNUT BEHLE: Medizinisch gesehen ist die Knochendichtemessung bei Ihnen - wenn ich das richtig interpretiere - eine Wunschleistung. Es wird dann zur Kassenleistung, wenn vermutlich eine behandlungsbedürftige Osteoporose vorliegt. In jedem Fall würde ich als Knochendichtemessung nur die Dexa-Methode wählen, da hier die genauesten Untersuchungen vorliegen. Sie können aber gerne sich bei der AOK rückversichern, ob ggf. die Kosten gegen Einreichung der Rechnung übernommen werden können.

Sylle_K : Wie hoch ist der Testosteron-Anteil bei Frauen? Ist das das entscheidende Hormon für den Erhalt starker Knochen? Kann man ja schlecht einnehmen, wenn man keine Geschlechtsumwandlung will?..

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DR. MED. KNUT BEHLE: Der Testosteronanteil bei Frauen ist glücklicherweise gering, sonst gäbe es wahrscheinlich sehr viel mehr Frauen mit starkem Bartwuchs und tiefer Stimme. Bei Frauen übernimmt das Östrogen die Funktion, den Knochen zu erhalten. Insofern steht eine Geschlechtsumwandlung eigentlich nicht zur Disposition.

Schladerhammer : Früher habe ich mich sehr gern bewegt, das ist seit den Wechseljahren vorbei. Ich muss mich dazu zwingen. Die Folge: Ich habe ca. 10kg zugenommen. Optisch eine Katastrophe und bewegen möchte ich mich noch weniger. Wie komme ich aus diesem Kreislauf raus? Möchte gern versuchen Osteoporose auf natürliche Weise zu verhindern.

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DR. MED. KNUT BEHLE: Im Prinzip haben Sie die Frage sich schon selbst beantwortet. Wenn Sie einer Osteoporose vorbeugen und Ihr dezentes Übergewicht gleichzeitig angehen wollen, ist sicherlich Bewegung die ideale Variante. Sie schreiben jedoch, dass Sie sich dazu zwingen müssten. Das ist in der Tat eine sehr ungünstige Voraussetzung. Am besten wäre, etwas zu tun, was Sie in Gemeinschaft und mit Freude machen.

Marie76 : Ich kriege nichts runter, was mit Milch zu tun hat. Das war ein erhebliches Problem als Kind. Trotzdem bin ich gesund groß geworden. So soll das auch bleiben. Ich soll jetzt mehr Eier essen, nicht gut für das Cholesterin, Hülsenfrüchte - viele Ballaststoffe aber gasbildend. Man hat den Eindruck, man kann nicht gewinnen. Wie soll ich mich verhalten, wenn in ein paar Jahren die Wechseljahre bei mir beginnen?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Ich würde die Ernährungssituation eher entspannt betrachten. Es gibt viele Menschen, die entweder Milch nicht vertragen (z. B. wegen Laktoseintoleranz) oder einfach Milch nicht mögen (so wie ich). Es gibt genügend andere Calciumträger (siehe oben). Den Rat mehr Eier zu essen, kann ich nicht so richtig einordnen. Die knochengesunde Ernährung ist sicherlich ein wesentlicher Faktor, um den Knochen positiv zu beeinflussen, bevor es in die Wechseljahre geht, da in den Wechseljahren der Knochenabbau in der Regel am schnellsten erfolgt.

Senf : Was ist ein Osteologe, hat das was mit Osteoporose zu tun?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Ein Osteologe ist ein Arzt, der sich insbesondere mit den Erkrankungen des Knochens beschäftigt. In der Regel ist dies ein idealer Ansprechpartner zu allen Fragen, die mit Osteoporose zu tun haben.

Anki : Meine Mutter hat immer gesagt jedes Kind kostet einen Zahn. Der logische Rückschluss ist ja, dass Kinder auch Mineralien aus den Knochen nehmen. Ich habe meine Kinder zu einem Zeitpunkt bekommen, wo sich die Knochen sicherlich erholt haben, aber es interessiert mich doch, ob mehrere Kinder die Perspektive für die Knochen im Alter verändert, denn wir leben jetzt ja viel länger, als ursprünglich vorgesehen?

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DR. MED. KNUT BEHLE: In der Tat ist es so, dass Mütter während der Schwangerschaft oder kurz darauf einen Zahn verlieren. Das hat aber in der Regel mit anderen Dingen zu tun, als mit der Osteoporose, auch wenn es schwangerschaftsbedingt zu einer Minderung der Knochenmasse kommen kann. In der Regel wird diese Reduktion aber durch die hoffentlich lange Stillzeit konsequent ausgeglichen.

Lulu : Was ist das für eine Störung im Knochen, die durch die Chemotherapie ausgelöst wird. Ist das konkret ein Problem mit dem Kalziumstoffwechsel?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Verschiedene Chemotherapiemedikamente haben ganz verschiedene Auswirkungen auf den Knochen. Häufig ist es schon die Tumorerkrankung selbst, die Störungen im Knochenstoffwechsel hervorruft. Insbesondere Knochenmetastasen führen häufig zu einem Anstieg des Calciumspiegels im Blut, da das Calcium aus den Knochen im Prinzip durch die Metastasen oder auch durch Chemotherapeutika "ausgewaschen" wird.

Mayerhuber : Ich sehe welchen Weg meine Großmutter gehen musste mit Oberschenkelhalsbruch und Abhängigkeiten in der Selbstversorgung, bis hin zur Bettlägerigkeit. Das alles habe ich als junges Mädchen miterlebt und will das natürlich für mich nicht. Gegenwärtig bin ich in den Wechseljahren und ich weiß, jetzt fängt für mich die Zeit an, wo ich richtig aufpassen muss. Sicherlich gibt es einen oder mehrere Wege Osteoporose zu vermeiden, oder zumindest hinauszuzögern. Ich will das gern alles machen, was dafür erforderlich ist. Womit fange ich an?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Den ersten Schritt haben Sie im Prinzip schon gemacht, indem Sie die familiäre Disposition erkannt haben. Bedauerlicherweise haben Sie auch die katastrophalen Folgen eines Schenkelhalsbruches miterlebt. Die Knochenbrüche im hohen Alter sind in der Tat mit einer massiven Einschränkung der Selbstversorgung verbunden. Trotz ausgewiesen guter Operationsverfahren erreichen nur wenige Patienten wieder ihr altes Aktivitätsprofil. Insofern wäre es für Sie wichtig, eine Dexa-Messung rechtzeitig zu machen und ggf. auch eine begleitende Labordiagnostik durchzuführen.

berner oberland : Beeinflußt eine beidseitige Brustverkleinerung (nach den Wechseljahren) mein Osteoporose-Risiko? Es handelt sich um eine erhebliche Reduktion beidseits. Betrifft dies irgendwelche hormonellen Vorgänge, die ich im Auge behalten muss?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Normalerweise ist die Reduktionsplastik nicht mit einem erhöhten Osteoporoserisiko verbunden. Das hängt aber im Wesentlichen davon ab, welches Verfahren zur Anwendung gekommen ist.

Mary : Ich finde Fitness-Studios ganz schrecklich. Keiner bekommt mich dahin. Deshalb habe ich mir ein paar eigene Geräte gekauft. Dazu gehören ein Terraband, kleine Hanteln und ein Standrad, wegen meiner Gelenke. Jetzt hat mir jemand gesagt, dass radfahren keine Osteoporose-Prophylaxe sei. Stimmt das?

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DR. MED. KNUT BEHLE: In der Tat ist das Fahren auf einem Standrad zwar für verschiedene Kreislauffunktionen und deren Training hilfreich. Für die Osteoporoseprophylaxe gibt es sicherlich deutlich bessere Möglichkeiten. Es gibt gute Literatur für wirbelsäulenstabilisierende Übungen mit Theraband, Hanteln oder dem Gym-Stick. Dazu müssten Sie dann nicht in ein Fitness-Studio gehen, sondern könnten die Übungen zu Hause machen.

Günther : Ab welchem Stadium besteht die Gefahr von Brüchen? Wie lange besteht die Krankheit dann schon zirka?

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DR. MED. KNUT BEHLE: Das Risiko von Brüchen steigt mit zunehmender Osteoporose natürlich an. Das Risiko ist aber nie Null und demzufolge auch nie 100 %. Die wesentlichen Empfehlungen bezüglich Diagnostik und Therapie beruhen darauf, dass das geschätzte 10-Jahres-Risiko für Frakturen 20 % übersteigt. Die Dauer der Erkrankung spielt eine untergeordnete Rolle, da die Geschwindigkeit des Knochenmassenverlustes von sehr vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist.

DR. MED. KNUT BEHLE: Ich bedanke mich für die rege Teilnahme an dieser Sprechstunde und die vielen interessanten Fragen. Ihnen allen wünsche ich nun noch einen angenehmen Abend.



Ende der Sprechstunde.