Diagnose Darmkrebs: Welche Behandlung?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar          
Oberarzt
Klinikum St. Georg in Leipzig   
und MVZ Mitte in Leipzig
internistische Onkologie und Hämatologie im  Klinikum St. Georg    
Delitzscher Straße 141
04129 Leipzig
 
Tel.:0341  9092350 - 4934
albrecht.kretzschmar@sanktgeorg.de
 
und
 
MVZ Mitte; Onkologie und Palliativmedizin
Johannisplatz 1 
04103 Leipzig
 
Tel.: 0341 20053611
 
 
Schwerpunkte
 
Behandlung von soliden Tumoren
Darmkrebs andere gastrointestinale Tumoren

PROTOKOLL

Diagnose Darmkrebs: Welche Behandlung?

Jaerniks: Vor ein paar Jahren haben alle davon geredet den Krebs auszuhungern und die Blutversorgung abzuschneiden. Das klingt sehr logisch. Ist das immer noch eine vielversprechende Therapie? Evtl. Auch für Darmkrebs?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Das hier beschriebene Konzept des Aushungerns betrifft die Blutversorgung von Tumoren. Wenn ein bösartiger Tumor oder aber  seine Metastasen wachsen, so muss bereits ab einer Größe von wenigen Millimetern ein Blutgefäßsystem für den wachsenden Tumor zur Verfügung stehen. Die Tumorzellen selbst können Blutgefäße nicht bilden. Sie sondern einen Botenstoff ab - der heißt VEGF -, mit dem sie quasi Blutgefäße anlocken. Diese Erkenntnisse sind vor etwa 15 bis 20 Jahren gewonnen worden und vor etwa 10 Jahren sind erstmalig Medikamente in die Krebsbehandlung eingeführt worden, die auf dem Konzept beruhen, in die Blutgefäßneubildung von Tumoren einzugreifen. Dabei wird der Botenstoff VEGF durch einen monoklonalen Antikörper gehemmt. Bei Darmkrebs wird das Medikament Bevacizumab (Antikörper gegen VEGF) schon seit mehr als 10 Jahren zusammen mit Chemotherapie eingesetzt.

Inzwischen gibt es noch zwei weitere Medikamente. Auch heute noch haben diese Medikamente bei der Behandlung von Darmkrebs einen klaren Stellenwert. Allerdings werden sie grundsätzlich mit Chemotherapie kombiniert.

Maria: Schönen Guten Tag. Mein Name ist Maria und mache eine Ausbildung zur Krankenschwester an der Universitätsklinik in Magdeburg und habe folgende Frage für die Schule: Weshalb ist das Infektionsrisiko bei Zytostatika Patienten so hoch? und was kann man präventiv machen um dieses risiko zu vermindern?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Grundsätzlich muss man bezüglich des Infektionsrisikos unterscheiden, ob der Patient an einer so genannten hämatologischen Erkrankung leidet (Blutkrebs, Lymphdrüsenkrebs) oder ob er an einem soliden Tumor leidet (Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs und viele andere). Bei der Behandlung von hämatologischen Erkrankungen werden besonders stark die Abwehrzellen des Körpers in Mitleidenschaft gezogen, so dass bei diesen Patienten ein starkes Infektionsrisiko besteht. Bei den Chemotherapien gegen so genannte solide Tumoren (Karzinome) wird die Abwehr im Allgemeinen nicht ganz so stark beeinträchtigt. Jedoch kann es auch bei den hier verwendeten Chemotherapieprotokollen zu einem meist vorübergehenden starken Abfall von bestimmten weißen Blutkörperchen kommen. Wenn es in dieser Phase zu einer Ansteckung kommt, so verläuft diese häufig sehr schwerwiegend und der Patient muss starke Antibiotika bekommen. Durch bestimmte Wachstumsfaktoren (GCS-F-Präparate) kann man den Abfall der Granoluzyten (bestimmte weiße Blutkörperchen) abmildern und verkürzen und das Risiko für schwerwiegende Infektionen wird verringert. Die Medikamente werden unter die Haut gespritzt (subkutan). Entweder man muss das Medikament mehrere Tage als Patient selbst spritzen oder aber es wird ein elegantes Depotpräparat verwendet, welches nur einmal nach der Chemotherapie gegeben werden muss. Das Risiko für schwerwiegende Infektionen ist vor allem vom Chemotherapieprotokoll abhängig. Der behandelnde Arzt entscheidet, ob die GCS-F-Präparate prophylaktisch eingesetzt werden.

Billy: Hatte 2013 ein laparoskopisch assistierte Pankreaslinksresektion mit Splenektomie, danach 6 Zyklen Gemcitabin wöchendlich. 02.2015 mechanischer Dickdarmileus bei kurzstreckiger Stenose im Colon transversum infolge Metastase des Pankreaskarzinom mit auch Infiltration der großen Kurvatur des Magens, danach 3 Zyklen Gemcitabin und Oxaliplatin, vorzeitige beendigung wegen starker Nebenwirkung. 12.2015 hochsitzender Dünndarmileus: ausgiebige Dünndarmadhäsiolyse, Segmentresektion im oberen Jejunum mit End-zu-End Anastomose und Entnahme peritonaler PE: Histologisch kleinherdige Infiltrate eines Adenokarzinoms , seit 22.01 2016 Palliative CTX mit NAB-Paclitaxel 125mg in Kombination mit Gemcitabin1000mg/m2 d1, 8, 15. (Habe alles aus meinen Arztbrief abgeschrieben). Meine Frage ist: Kommt für mich vielleicht die HIPAC Methode in Frage?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Sie leiden an einem metastasierten Bauchspeicheldrüsenkrebs, was nicht ganz in die Darmkrebs-Sprechstunde passt. Gerne versuche ich trotzdem zu antworten, da ich selbst auch viele Patienten mit dieser Erkrankung betreue. Die Methode HIPEC wird in Deutschland nur von einigen spezialisierten Zentren angeboten. Bei diesem Verfahren, welches ausschließlich zur Behandlung von Krebsfällen mit Absiedlungen am Bauchfell geeignet ist, wird im Rahmen einer Operation eine teilweise umfangreiche chirurgische Entfernung von Krebsherden am Bauchfell vorgenommen und anschließend wird eine stark erwärmte Chemotherapie, während der Patient in Narkose liegt, durch die Bauchhöhle gepumpt. Wie man schon mitbekommt, ist dies ein aufwändiges und kompliziertes Verfahren, welches bei bestimmten Fällen jedoch durchaus sehr erfolgreich sein kann. Der Erfolg ist im Wesentlichen vom Ausmaß der Peritonalkarzinose abhängig. Bei Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs ist nach meiner Erfahrung eher selten ein Krankheitsausmaß vorhanden, das wir z. B. diese Methode vorschlagen würden. Sie sollten sich an ein Zentrum wenden, wo die Methode angeboten wird. Ich denke, diese Zentren können Sie im Internet finden.

Ehrich Fallingbostel: Was ist Vectibix?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Vectibix ist der Handelsname von dem Medikament Panitumumab. Dies ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen eine Oberflächenstruktur auf vielen Krebszellen gerichtet ist. Das Medikament wird zusammen mit Chemotherapie (Folfox- oder Folfiri-Schema) eingesetzt. Panitumumab und ein ähnlicher anderer Antikörper Cetuximab können aber nur bei 50 % der Darmkrebspatienten eingesetzt werden, da zunächst nachgewiesen werden muss, dass die Krebszellen bestimmte Merkmale aufweisen. Hierzu wird ein Präparat aus der Pathologie nochmal gesondert untersucht (so genannte molekulare Pathologie) und man erhält die Antwort: RAS Wildtyp (normal) oder RAS mutiert. Bei Patienten mit metastasiertem Darmkrebs und RAS Wildtyp ist die Behandlung mit Chemotherapie + Panitumumab sehr erfolgreich, führt meistens zu einer eindrucksvollen Verkleinerung der Metastasen und zu insgesamt recht erfreulichen Verläufen. Manchmal kann auch eine zunächst nicht zu operierende Erkrankung durch diese wirksame Kombinationstherapie so stark eingedämmt werden, dass dann doch noch eine Operation von Metastasen (insbesondere in der Leber) sinnvoll ist.

Glasshoff: Was sagt der Experte zur Immuntherapie, die ja gerade der ganz große Star auf dem Deutschen Krebskongress war?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Diese  Frage musste kommen. Die Immuntherapie ist seit ein / zwei Jahren in aller Munde. Wir sind auch in der letzten Sprechstunde mehrfach darauf eingegangen. Das Immunsystem unseres Körpers erkennt Krebszellen bzw. Tumoren leider meist nicht als fremd, böse und zu bekämpfenden Feind, da hemmende Einflüsse die entsprechenden Immunzellen (bestimmte weiße Blutkörperchen) dämpfen. Dies ist wiederum sehr wichtig, da wenn das Immunsystem körpereigene Zellen plötzlich als fremd und zu bekämpfen identifiziert, schwere Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden (Beispiele: Rheuma, Schuppenflechte, chronische entzündliche Darmerkrankungen, Multiple Sklerose und viele andere). Nachdem man mehr und mehr die einzelnen Signalwege, die das Immunsystem hemmen oder aber anstacheln erforscht hatte, gelang es monoklonale Antikörper zu entwickeln, die diese dämpfenden Signale quasi wegblocken. Zunächst war man sehr erfolgreich mit dem Einsatz dieser Medikamente bei schwarzem Hautkrebs (malignes Melanom) und bei bestimmten Formen von Lungenkrebs. Inzwischen sind fast alle bösartigen Erkrankungen untersucht worden. Bei Darmkrebs ist es so, dass der überwiegende Teil der Darmkrebsfälle leider gar nicht für dieses neue Konzept geeignet ist. Es gibt eine seltene Unterform von Darmkrebs (hier liegt die so genannte Mikrosatelliteninstabilität vor) bei der tatsächlich mit der Immuntherapie tolle Erfolge erzielt wurden. Zusammenfassend halte ich die Immuntherapie für definitiv sehr erfolgversprechend aber leider nicht für Darmkrebs im Speziellen.

Dynamo: Wenn man die T-Zellen stärkt führt das bei bestimmten Patienten zu einer wirksamen Tumorabwehr. Das funktioniert aber nicht bei allen Patienten. Gibt es da inzwischen Marker, um herauszufinden für wen das eine gute Therapie ist? Ich wüsste gern mehr Details dazu für meinen Vater.

DR. MED. KRETZSCHMAR: Auch bei  dieser Frage geht es um die Immuntherapie. Wie oben aufgeführt, spielt sie bei Darmkrebs bisher eigentlich keine Rolle. Patienten mit metastasiertem Darmkrebs und Mikrosatelliteninstabilität sind sehr selten. Zwar gab es für diese kleine Untergruppe vielversprechende erste Ergebnisse, aber von einer Zulassung der Medikamente sind wir noch weit entfernt. Die Immuntherapie, die die T-Zellen quasi auf die richtige Spur führt, ist bis jetzt nur für das maligne Melanom und das Plattenepitelkarzinom der Lunge (Unterform Lungenkrebs) zugelassen. Aktuell sind noch keine Marker etabliert, die uns sagen würden, ob die Therapie erfolgreich sein wird oder nicht. Allerdings ist in den nächsten Monaten mit neuen Medikamenten bzw. neuen Zulassungen zu rechnen, bei denen tatsächlich bestimmte Marker im Krebs gemessen werden. Da Sie nicht sagten, an welcher Erkrankung Ihr Vater leidet, kann ich schlecht im Detail hierauf eingehen. Sie sollten unbedingt den behandelnden Onkologen fragen, denn möglicherweise sind ja tatsächlich Medikamente in Kürze verfügbar, die Ihrem Vater helfen könnten.

Bobhardt: Ist der okkulte Bluttest nicht Augenwischerei? Wenn man sich damit befasst kommt man eigentlich darauf, dass das ein sehr grober Test ist, der eher zufällig Darmkrebs entdeckt. Ich frage mich ernsthaft, warum das immer noch gemacht wird? Das erscheint mir eine trügerische Sicherheit, wenn der Test negativ ausfällt.

DR. MED. KRETZSCHMAR: Sie haben völlig recht. Es gibt definitiv etwas besseres als den Test auf verborgenes Blut im Stuhl (z. B. Hämoccult). Wenn der Test durchgeführt wird und Blut nachgewiesen worden ist, so empfiehlt man eine Darmspiegelung, um nach der Blutungsquelle zu suchen. Hierbei kann man idealerweise einen Darmkrebs entdecken, der noch nicht so weit fortgeschritten ist, aber bereits etwas zu bluten begonnen hat. Auch Vorstufen von Darmkrebs können entdeckt werden. Wie Sie richtig anmerken, ist ein negativer Test jedoch keinesfalls eine Garantie, dass keine Polypen oder kein Darmkrebs vorliegt. Ideal ist es, den Menschen, der zur Früherkennung bereit ist, zu motivieren, direkt eine Vorsorgekoloskopie durchführen zu lassen. Der Stuhltest ist besser als nichts, erreicht jedoch in keinem Falle den Nutzen der Vorsorgekoloskopie. Menschen, die keine Risikopersonen (Darmkrebsfälle in der Verwandtschaft) sind, wird die Vorsorgekoloskopie ab dem 55. Lebensjahr angeboten.

Rugenstein: Da ja wesentliche Bereiche des Immunsystems im Darm liegen, kommt der Immunabwehr bei Darmkrebs eine besondere Bedeutung bei. Das Hauptproblem ist offenbar das erhebliche Ungleichgewicht zwischen Tumorwachstum und Immunabwehr. Ist dieser Ansatz nur einer von vielen?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Wie bereits oben ausgeführt, ist der Einsatz von Immuntherapien bei Darmkrebs bisher wenig erfolgreich. Das Problem ist, dass die Darmkrebszellen sich nur sehr geringfügig von normalen Darmzellen unterscheiden und deshalb vom Immunsystem nicht als böse und fremd erkannt werden. Da hilft es noch nicht einmal, wenn man den T-Zellen mit den monoklonalen Antikörpern versucht, die hemmenden Signale wegzunehmen. Vermutlich wird man auch bei Darmkrebs in den nächsten Jahren weiterkommen, allerdings gibt es bis jetzt noch keine konkreten Ansätze.

DR. MED. KRETZSCHMAR: Der Experte macht eine kurze Pause. Wir setzen die Beantwortung Ihrer Fragen in wenigen Minuten fort.

Hannover: Die Krankenkassen bezahlen im Abstand von 10 Jahren eine Darmspiegelung. Das sind richtig lange Intervalle. Reicht das aus? Schadet eine Darmspiegelung mit kürzerem Abstand dem Darm?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Dies ist eine sehr schwierige Frage. Wenn bei einer Darmspiegelung ein Tumor gefunden wird oder aber mehrere oder große Polypen, so empfiehlt man eigentlich, die nächste Darmspiegelung nach drei Jahren durchzuführen. Manchmal kann sogar ein Intervall von drei Jahren zu kurz sein und man findet dann schon wieder ein neues kleines Karzinom. Zum Glück ist dies sehr selten. Man muss gut abwägen, dass der Abstand zwischen den Darmspiegelungen nicht zu kurz und nicht zu lang ist. Häufige Darmspiegelungen kosten natürlich auf der einen Seite Geld, jede Darmspiegelung birgt aber auch ein kleines Risiko, dass es zu einer unerwünschten Komplikation kommt. Dies ist der Grund, warum man eine Darmspiegelung auch erst ab 55 oder ggf. 50 empfiehlt. Je kleiner die Chance ist, bei einer Spiegelung etwas zu entdecken, desto zurückhaltender sollte man mit der Vorsorgeuntersuchung sein. Falls es Sie betrifft und Sie gerne nach weniger als 10 Jahren eine Kontrollkoloskopie durchführen lassen wollen, so sollten Sie mit einem Gastroenterologen darüber sprechen. Ich möchte unbedingt anmerken, dass auf ganz Deutschland bezogen das Hauptproblem der Vorsorgekoloskopie nicht die unzureichende Bezahlung durch die Kassen ist, sondern dass die angebotenen und bezahlten Vorsorgekoloskopien von den Bürgern nicht wahrgenommen werden.

Doro: Mir bekommen Abführmittel zur Darmentleerung nicht. Ich bekomme allergische Reaktionen. Jetzt steht wieder eine Untersuchung an, weil ich Divertikel habe. Ich lebe allein und habe Angst, dass ich umfalle. Kann man das auch stationär machen?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Eine allergische Reaktion im engeren Sinne auf die Abführmittel ist - soweit mir bekannt - extrem selten. Wenn ein einzelner Patient die Abführmaßnahmen jedoch nicht verträgt, so ist selbstverständlich eine Durchführung unter stationären Bedingungen denkbar und wird auch von den Krankenkassen bezahlt. Sie sollten  das mit dem Gastroenterologen besprechen, der die Koloskopie durchführen möchte.

StanislawskiS: Vor 2 Jahren hatte ich eine teilweise Leberentfernung, als Folge von Metastasen. Ursprünglich ging es mit Rektum CA los. Alles bestens nach OP, aber dann kamen Metas in der Leber, worauf ein Teil meiner Leber entfernt wurde. Jetzt sieht es so aus, als wenn sich da wieder etwas gebildet hätte. Bin Ende der Woche zum CT. Das wäre dann der 2. Rückfall. Kann der Experte daraus Rückschlüsse ziehen, wie sich die Lebenszeit dadurch verkürzt?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Nein, aufgrund dieser Angaben würde ich ungerne etwas zur Prognose sagen. Wenn ein Rückfall etwa zwei Jahre nach einer Lebermetastasenoperation auftritt, so besteht prinzipiell eine realistische Chance, dass der Patient auch nochmal operiert werden kann, wenn es sich um eine umschriebene Anzahl von Metastasen handelt. Selbst, wenn ich alle Details und sämtliche Bilder vor mir hätte, wäre eine Prognose schwierig. Zumeist werden Fälle wie Ihrer in einem Tumorboard besprochen, an dem Onkologen, Chirurgen, Radiologen, ggf. auch Strahlentherapeuten oder so genannte interventionelle Radiologen teilnehmen. Man wird dann versuchen, dem Patienten die beste Behandlungsstrategie vorzuschlagen. Danach kann ihr behandelnder Onkologe sicher auch seine Einschätzung zur Heilungschance mit Ihnen besprechen. Gelegentlich können wir ja auch durch eine so genannte Induktionschemotherapie (oder Chemoimmuntherapie) eine zunächst nicht operabel erscheinende Metastasierung soweit zurückdrängen, dass doch noch eine Operation der Metastasen möglich ist.

Kahliesowsky: Mein Vater hat Darmkrebs, kommt damit aber ganz gut klar. OP, dann Chemo sind inzwischen abgeschlossen. Er geht zur regelmäßigen Nachsorge. Vor einer Woche hat man einen Schatten auf der Leber festgestellt. Jetzt geht die Diagnostik wieder von vorn los. Was für Möglichkeiten hat die Onkologie, ob und wie man eine weitere Metastasierung noch bremsen kann, damit Metastasen nicht in andere Bereiche, übergehen?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Die Leber ist der häufigste Ort von Metastasen bei Darmkrebs. Relativ häufig ist auch ausschließlich die Leber von Metastasen befallen. Wenn es zu einem Rückfall in Form von Lebermetastasen kommt, so wird zunächst der gesamte Bauchraum und der Brustkorb zusätzlich mit Computertomographie untersucht. Dann wird üblicherweise im Rahmen eines Tumorboards, wie in der vorherigen Frage bereits besprochen, entschieden, welches Behandlungskonzept für den Patienten geeignet ist. Handelt es sich um eine geringe Anzahl von Metastasen (eins bis drei) und sind diese operativ gut zu erreichen, so kann durchaus eine direkte Operation das geeignete Verfahren sein. Meist wird man vor und / oder nach der Operation zusätzlich eine Chemotherapie durchführen. Die Chemotherapie nach der Operation senkt das Risiko, dass es danach zu einem erneuten Rückfall kommt. Genauso wie bei der Chemotherapie, die nach der Darmoperation erfolgte, ist dies aber keineswegs eine Garantie.

Göncü: Mein Mann hat Darmkrebs und liegt noch im Krankenhaus nach der Operation. Die ist gut verlaufen. Wenn er rauskommt beginnt gleich die Chemotherapie. Leider hat er 2 Metastasen in der Leber. Die sollen auch operiert werden, aber erst nach der Chemo. Warum hat man das nicht gleich mitgemacht bei der Darmkrebs-OP? Das war nämlich eine offen Operation und wäre doch gegangen.

DR. MED. KRETZSCHMAR: Diese Frage kann ich Ihnen schlecht beantworten, ohne die genauen Details zu kennen. Tatsächlich kann man manchmal die Darmkrebsentfernung und eine Operation von Lebermetastasen in einem Eingriff durchführen, dies ist aber nicht in jedem Falle der bessere Weg. Warum man sich bei Ihrem Mann zu dem vorgeschlagenen Konzept entschlossen hat, müssen Sie bitte die behandelnden Ärzte fragen.

Berit: Könnte der Experte eine „partizipative Entscheidungsfindung“ erklären?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Dieser Begriff beschreibt etwas, was heutzutage eigentlich der Standard sein sollte. Wenn verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Auswahl stehen, so versucht der behandelnde Arzt den Patienten und ggf. seine Angehörigen durch laienverständliche Aufklärung auf einen Kenntnisstand zu bringen, dass der Patient mit entscheiden kann, welches der beste Weg ist. Hierzu müssen Arzt und Patient allerdings bereit sein. Lange Zeit war es üblich, dass der Arzt ohne Patientenbeteiligung sich für einen Weg entscheidet, diesen Weg dem Patienten beschreibt und dann quasi nur dessen Einverständnis einholt. Viele Patienten sind auch bei der partizipativen Entscheidungsfindung überfordert und sagen früher oder später: "Sie sind doch der Arzt, wozu haben Sie studiert, wozu soll ich das jetzt entscheiden?"

Aylin: Mein bester Freund ist 28 Jahre und hat schon Darmkrebs. Wie ist das möglich? Kein anderes Familienmitglied hatte so eine Krankheit bisher. Er ist operier worden und bekommt Chemo, aber die Chemo schlägt nicht an. Gibt es etwas neues, was ihm noch helfen könnte. Wir wissen, dass es nur noch um Lebensverlängerung geht.

DR. MED. KRETZSCHMAR: Es ist natürlich besonders hart, wenn ein 28-jähriger Mensch schon metastasierten Darmkrebs hat. Bei jüngeren Patienten ist Darmkrebs wesentlich seltener als bei älteren. Da die Erkrankung insgesamt sehr häufig ist, hat jedoch fast jeder Onkologe auch schon den ein oder anderen Patienten unter 30 Jahren behandelt. Dabei muss es sich nicht um familiären Darmkrebs handeln. Wie bei allen anderen Darmkrebsfällen sollte man versuchen, alle wirksamen verfügbaren Medikamente einzusetzen. Wie in anderen Fragen ausgeführt, sollten auch die monoklonalen Antikörper neben der Chemotherapie zum Einsatz kommen. Ggf. kann auch eine Operation oder andere so genannte lokale Verfahren erwogen werden. Im Laufe dieses Jahres wird noch ein weiteres Chemotherapiemedikament bei uns auf den Markt kommen, das auch nochmal eine Überlebensverlängerung bringen kann.

Kalle_Militzer: Ich erhalte immer am Donnerstag meine Chemo. Warum ist es wichtig, dass es immer der gleiche Wochentag ist? Hatte gerade die 5. nach Rückfall. Außerdem mache ich mir Gedanken was an Möglichkeiten besteht, wenn erneut Metastasen in der Leber auftreten?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Im Laufe der Jahre hat es sich eingebürgert, dass die Chemotherapieprotokolle im wöchentlichen, zweiwöchentlichen oder dreiwöchentlichen Rhythmus gegeben werden. Dies hat im Wesentlichen organisatorische Gründe. Man muss keinesfalls starr an einem bestimmten Wochentag festhalten. Ist z. B. der Donnerstag ein Feiertag oder möchte der Patient aus privaten Gründen lieber auf einen anderen Wochentag wechseln, so wird man mit einem gewissen Organisationsaufwand das sicher ermöglichen können. Welche Behandlungsmöglichkeiten für Sie noch zur Verfügung stehen, ist vom bisherigen Behandlungsverlauf und auch von bestimmten Faktoren der Tumorzellen abhängig. Sie müssen  das mit Ihrem behandelnden Onkologen besprechen.

Kirsten.Ignazios: Ich bin jetzt 32 Jahre und habe die Hälfte meines Lebens Darmprobleme mit Morbus Crohn. Seit ich erwachsen bin und mehr darüber nachdenke, habe ich Angst davor Darmkrebs zu bekommen. Kann aus MC Darmkrebs entstehen?

DR. MED. KRETZSCHMAR: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, insbesondere die Collitis Ulcerosa, erhöhen das Risiko an Darmkrebs zu erkranken ein wenig. Für den Morbus Crohn, an dem Sie leiden, gilt dies weniger. D. h. Sie müssen sich jetzt keine dollen Sorgen diesbezüglich machen. In welchem Intervall und in welcher Form Sie Darmspiegelungen in Zukunft wahrnehmen sollten, können Sie mit Ihrem betreuenden Gastroenterologen besprechen. Ich muss gestehen, dass ich selber keine Patienten mit Morbus Crohn oder Collitis Ulcerosa betreue.

DR. MED. KRETZSCHMAR: Ich bedanke mich für die rege Teilnahme an dieser Sprechstunde und die vielen interessanten Fragen. Zum Abschluss wünsche ich Ihnen nun  einen angenehmen Abend.



Ende der Sprechstunde.