Darmkrebs: Was passiert bei fortgeschrittener Erkrankung? – Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten

Dr. med. Albrecht Kretzschmar          
Oberarzt
Klinikum St. Georg in Leipzig   
und MVZ Mitte in Leipzig
Internistische Onkologie und Hämatologie im  Klinikum St. Georg    
Delitzscher Straße 141
04129 Leipzig
 
Tel.:0341  9092350 - 4934

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und
 
MVZ Mitte; Onkologie und Palliativmedizin
Johannisplatz 1 
04103 Leipzig
 
Tel.: 0341 20053611
 
 
Schwerpunkte
 
Behandlung von soliden Tumoren
Darmkrebs andere gastrointestinale Tumoren

PROTOKOLL

Darmkrebs: Was passiert bei fortgeschrittener Erkrankung? – Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Wir beginnen um 19 Uhr.

Pokus: Darmkrebs StadiumI, 52 Jahre. Mir wurde gesagt, Heilung sei möglich. Wie hoch sind die Chancen?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Wenn Sie schreiben Stadium 1, so gehe ich davon aus, dass Sie schon operiert wurden. Dies bedeutet, dass die Heilungschancen tatsächlich bei über 90% liegen. Gewisse Faktoren, welche jetzt nicht mitgeteilt wurden, können auch noch einen Einfluß auf die Prognose haben. In jedem Falle ist die Prognose im Stadium 1 so gut, dass weder eine adjuvante Chemotherapie, noch eine strukturierte Nachsorge mit Bestimmung von Tumormakern oder Duchführung von Computer-Tomographien begründet wäre. Wichtig ist, dass vor Operationen - oder falls nicht erfolgt nach Operationen - eine komplette Darmspiegelung bis zum Dünndarm durchgeführt wird. In Zukunft sollten alle drei bis fünf Jahre weitere Vorsorgekoloskopien erfolgen.

Ulrich_P: Was versteht man unter einer Liquid Biopsie? Was hat das mit Darmkrebs zu tun?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Liquid Byopsie bedeutet, dass man über Charakteristika der Tumorerkrankung etwas erfährt, indem man Spuren des Tumors in einer Blutprobe untersucht. Bei Darmkrebs spielt dies insofern eine Rolle, dass man, wenn keine Gewebeprobe der Krebserkrankung vorhanden ist, trotzdem sogen. prädiktive Marker bestimmen kann, welche dem Behandler helfen, über die ideale Therapie zu entscheiden. Solange Material von einer Tumorprobe jedoch vorhanden ist, wird man einer erneuten Analyse aus dieser Probe den Vorzug gegenüber der Liquid Byopsie geben. D.H. außerhalb von klinischen Studien spielt das Verfahren bei Darmkrebspatienten nur sehr selten eine Rolle. Bei anderen Krebserkrankungen hingegen ist es heutzutage schon Standard.

Carlheinz: Was geht noch bei Rückfall nach Darmkrebs mit Metastasen in Leber und Bauchfell?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Rückfall nach Darmkrebs mit Metastasen bedeutet, dass realistischerweise eine Heilung für immer eher nicht das Ziel der Behandlung ist. Auf der anderen Seite sind inzwischen große Fortschritte gemacht worden, so dass wir viele Patienten mit metastasiertem Darmkrebs erfolgreich über viele Jahre behandeln können. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine sogen. palliative Chemotherapie, fast immer kombiniert mit monoklonalen Antikörpern, zu einer Verkleinerung von Metastasen führt, ist relativ hoch. Wenn eines Tages die Therapie versagt, so gibt es mit Zweit- und Drittlinien-Therapien wiederum Möglichkeiten, die Krankheit in Schach zu halten. Um genau über die optimale Kombinationstherapie zu entscheiden, muss der behandelnde Arzt weitere Faktoren, wie z.B. Vorbehandlung und Lage des Primkärtumors und gewisse molekulare Marker wissen.

Curt: Wenn man viele Jahre alles hirnlos in sich reingestopft hat, dann die Diagnose Darmkrebs erhält und plötzlich anfängt, gesund zu leben, macht das dann überhaupt noch einen Unterschied? Ich rede seit Jahren auf meinen besten Freund ein, wie auf einen lahmen Gaul. Hat nie was genützt, bis jetzt. Aber bringt das noch was?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Ihre Frage hat ja schon etwas den Charakter einer Suggestivfrage. Tatsächlich ist eine gesunde Ernährung, wenn es bereits zu einer Krebserkrankung gekommen ist, nur noch von mäßiger Bedeutung für die weitere Prognose der Erkrankung. Auf der anderen Seite ist erwiesen, dass Patienten die sich aktiv mit ihrer Krebserkrankung auseinandersetzen, eine bessere Prognose haben, als solche, die alles nur stoisch über sich ergehen lassen. Wenn ein Patient seine Ernährung umstellt und gesünder lebt, so würde ich dies durchaus als positiv begrüßen. Wichtig ist, dass nach Krebsoperationen, oder aber wenn es zu einem Krebsbefall am Bauchfell gekommen ist, vermeintlich gesunde ballaststoffreiche Ernährung mitunter schlecht vertragen wird. Ich würde Ihrem Freund eine Ernährungsberatung empfehlen, die mehr Faktoren berücksichtigt, als hier jetzt mitgeteilt wurden.

Marlene Miegel: Mein Halbbruder hatte mit Ende dreißig schon Darmpolypen. Jetzt geht er alle drei Jahre zur Darmspiegelung. Da es väterlicherseits Familienmitglieder bei uns gibt, die sogar an Darmkrebs verstorben sind, habe ich natürlich Angst. Ich bin zwar erst 24 Jahre, aber das ist schon länger ein Thema bei uns. Wie verhalte ich mich richtig, kann ich mich überhaupt schützen?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Dies ist eine sehr wichtige Frage und die Entscheidung hat eine große Bedeutung für Sie. Ich würde empfehlen, dass Sie eine genetische Beratung wahrnehmen. Hierzu wird zunächst genau ermittelt, welche Familienmitglieder in welchem Verwandtschaftsgrad welche Erkrankungen hatten. Möglicherweise wird sich dann ergeben, dass in Ihrer Familie eine recht seltene Form von erblichem Darmkrebs vorliegt oder vorliegen könnte. Wenn dies der Fall ist, so ist tatsächlich eine Darmspiegelung auch in Ihrem Alter sinnvoll und nötig.

Oskar: Rückfall (Darmkrebs) nach 4 Jahren. Dieses Mal sollen es Antikörper über Tropfinfusion richten. Bin recht zuversichtlich. Was ist der Unterschied zwischen Antikörpern und Chemotherapie?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Aus Ihren Angaben schließe ich, dass Sie vor 4 Jahren an Darmkrebs operiert wurden und möglicherweise danach eine Chemotherapie über ein halbes Jahr erhalten haben. Dies ist die sogen. adjuvante Chemotherapie gewesen. Im Rahmen der adjuvanten Therapie spielen die monoklonalen Antikörper, auf die Sie ansprechen, keine Rolle. Ganz anders sieht es aus, wenn es zu einem Rückfall mit Metastasen gekommen ist. In diesem Stadium der Erkrankung - jetzt haben wir es mit einem sichtbaren und auch messbaren Feind zu tun - hat sich eine Kombination aus Chemotherapie und monoklonalen Antkörpern als überlegen erwiesen. In einigen Fällen kann aufgrund der hohen Wirksamkeit auch eine derartig starke Verkleinerung von Metastasen erreicht werden, dass zusätzlich noch mal eine Operation der Restmetastasen durchgeführt werden kann. Zur Frage des Unterschiedes: Chemotherapien sind sogen. Zellgifte, die relativ unspezifisch alle sich teilenden Zellen hemmen. Antikörper sind gezielte Medikamente, welche entweder Botenstoffe der Blutgefäßneubildung inaktivieren, oder Wachstumsfaktoren auf den Tumorzellen blocken. Beide Formen von Antikörpern werden aber immer zusammen mit Chemotherapien eingesetzt.

Sen: Ich bin momentan sprachlos. Mein eigentliches Problem ist die Bekämpfung von Darmkrebs - OP/Chemo - und nun auch noch eine Knochen-Metastase an der Lendenwirbelsäule. Dazu kommt ein schmerzhaftes Bandscheib-Problem. Was hat oberste Priorität?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Es ist gut nachvollziehbar, dass Sie sprachlos sind, wenn nun diese verschiedenen Probleme zu lösen sind. Knochenmetastasen sind bei Darmkrebs eher selten. Insofern, sollte wirklich klar sein, dass es sich nicht möglicherweise um eine gutartige Veränderung in der Lendenwirbelsäule handelt, oder evtl. noch eine andere bösartige Erkrankung neben dem Darmkrebs vorliegt.  Ich kann Ihnen jedenfalls keinen generellen Tipp geben. Sie müssen dies unbedingt mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.

Marco: Mein Papa hatte bei einer Darmspiegelung eine Gewebeentnahme. Das an sich hat uns schon aufgeregt, weil ja die Gefahr einer Krebserkrankung im Raum steht. Jetzt habe ich erfahren, dass das sogar kontraproduktiv sein kann, wenn nämlich dabei Krebszellen im Darm verstreut werden. Kann das passieren? Welche Vorsichtsmaßnahmen werden bei einem solchen diagnostisch-therapeutischen Eingriff berücksichtigt? Wie sehr müssen wir uns sorgen?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Eine Darmspiegelung wird ja gerade durchgeführt, weil man möglicherweise Veränderungen am Darm (sogen. Polypen, Adenome oder Krebs im frühen Stadium) entdecken kann, entdecken möchte und ggf. auch gleich entfernt. Ohne Gewebeprobe erfüllt diese Untersuchung nicht ihren Zweck. Die Sorge vor Verstreuung von Krebszellen im Darm ist vollkommen unbegründet. Sobald das Ergebnis der Gewebeprobe vorliegt, wird der behandelnde Arzt dies mit Ihrem Vater besprechen. Falls tatsächlich ein Karzinom in der Probe nachgewiesen wird, so sind zunächst weitere Untersuchungen vom ganzen Körper und dann eine Krebsoperation die nächsten Schritte. Bei dem weit überwiegendem Teil der Patienten, bei denen eine Gewebeprobe anlässlich der Darmspiegelung entnommen wird, handelt es sich jedoch nicht um ein Karzinom und eine Operation ist auch nicht erforderlich.

Justus: Wann mit Antikörpertherapie beginnen? Welches Stadium?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Die Kombination aus Chemotherapie und monoklonalen Antikörpern hat sich nur im Rahmen der sogen. palliativen Chemotherapie bewährt. Hier führen die monoklonalen Antikörper zu einer deutlichen Verbesserung der Ergebnisse. In den Stadien II und III wird häufig eine sogen. adjuvante Chemotherapie empfohlen. Hierbei spielen monoklonale Antikörper keine Rolle. Falls ein Stadium IV mit klar operablen Metastasen vorliegt, so sollten auch hier keine monoklonalen Antikörper eingesetzt werden.

Schnuppe: Bei Licht betrachtet hat eigentlich jeder meiner Familie väterlicherseits irgendwann Darmkrebs bekommen. Allerdings hieß das bei meiner Oma noch „Auszehrung“. Ich kann das heute nur anders interpretieren. Für meine Kinder wäre wichtig zu wissen, ob es denkbar ist, dass es mittelfristig eine Impfung gegen Darmkrebs geben kann oder wird?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Aufgrund Ihrer Angaben steht jetzt im Raume, dass in Ihrer Familie familiärer Darmkrebs vorkommt. Wenn dies der Fall ist, so handelt es sich meist um HNPCC. Sie sollten unbedingt eine genetische Beratung wahrnehmen. Wenn sich der Verdacht auf HNPCC bestätigt, so kann man testen, ob ein Familienmitglied die Veranlagung geerbt hat, oder nicht. Die Chancen stehen hier bei 50:50. Die Durchführung einer Vorsorgekoloskopie ist dann sehr wichtig. Bezüglich der Impfung muss ich Sie enttäuschen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass eine Impfung gegen Darmkrebs in Entwicklung wäre. Impfungen sind erfolgreich bei Krebserkrankungen, welche durch Viren ausgelöst werden (HPV und Gebärmutterhalskrebs, Hepatitis und Leberkrebs). Der deutsche Krebsforscher Harald zur Hausen erhielt vor etwa 10 Jahren den Nobelpreis für seine Grundlagenforschung zum Thema HPV und Gebärmutterhalskrebs. Er und einige andere können sich vorstellen, dass auch Darmkrebs durch ein Virus ausgelöst wird. Allerdings ist dasselbe bisher noch nicht entdeckt und insofern auch eine Impfung Utopie.

Röhrig: Bin bei der Barmer und die übernimmt jetzt einen besonderen Test der heißt OncoBeam RAS-Test. Stand vor einiger Zeit in der Mitgliederzeitung. Das fand ich interessant, aber ich dachte nicht, dass mich das so schnell betreffen würde. Dieser Test soll bei mir gemacht werden. Mir stellt sich die Frage, ob so ein Bluttest genauso zuverlässig ist, wie eine Biopsie. Habe das Gefühl, dass eine ist konservative Diagnostik und die Blutuntersuchung ist ein verkürzter Test. Aber vielleicht irre ich mich da ja. Würde gern von Dr. Kretzschmar eine Einschätzung erfahren.

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Ob für Ihr Erkrankungsstadium und die Entscheidung über die richtige Therapie ein OncoBeam RAS-Test überhaupt sinnvoll ist, kann ich natürlich nicht entscheiden. Wie bereits heute in einer anderen Frage angesprochen, ist die Liquid Byopsie, also die Testung von Krebsmarkern im Blut anstelle von einer Gewebeprobe keineswegs der Standard. Wenn für Ihre Erkrankung eine RAS-Testung sinnvoll ist und eine Gewebeprobe bereits vorliegt, so würden wir auch der Gewebeprobe den Vorzug geben. Ich denke Ihr behandelnder Onkologe ist gern bereit, Ihnen die Vorzüge des Einen oder des anderen Verfahrens zu erläutern.

MichelKöm: Könnte der Experte einmal für uns einordnen, ob es Studien zu sogen. „Krebsernährung“ gibt, die die Wichtigkeit einer solchen Ernährung bestätigen?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Eine sehr schwierige Frage, da mir nicht bewusst ist, was die sogen. Krebsernährung bedeutet. Man muss unterscheiden zwischen Ernährungsformen, die über jahrzehntelang das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen senken könnten. Dies betrifft beim Darmkrebs die Meidung von sogen. rotem Fleisch und die Bevorzugung einer ballaststoffreichen Ernährung. Wenn es schon zu einer Krebserkrankung gekommen ist, so kann wiederum an der Ernährung etwas modifiziert werden. So gibt es Ernährungsformen, die die Verträglichkeit von z.B. Chemotherapie günstig beeinflussen. Die schwierigste Frage ist jedoch, kann eine bestimmte Ernährung den weiteren Verlauf der Krebserkrankung günstig beeinflussen? Wissenschaftlich betrachtet ist dies nicht bewiesen. Ich würde einem Betroffenen empfehlen, dass er Ideen zu einer sogen. Krebsernährung mit seinem behandelndem Arzt bespricht, da nicht alle Diäten von jedem auch zufriedenstellend vertragen werden, ganz abgesehen von dem fraglichen Nutzen. Kern vieler Krebsdiäten, ist die Idee, dass besonders Zucker oder überhaupt Kohlenhydrate besonders ungünstig seien. Auch wenn es hier einen wahren Kern gibt, so ist zu bedenken, dass eine Mangelernährung, die zu Gewichtsabnahme führt eben auch ungünstig für den weiteren Verlauf der Erkrankung sein kann.

Gräbus: Wir sind als Familie gesetzlich versichert und sehr zufrieden! Ich gehöre nicht zu den Nörglern. Seit ich 50 bin darf ich zur Vorsorge-Darmspiegelung. Haben meine Frau und ich sofort wahrgenommen. Alles ok. Die nächste von der Kasse bezahlte Darmspiegelung ist in 10 Jahren. Jetzt habe ich aber herausgefunden, dass Darmkrebs sich innerhalb von 7 Jahren bildet. Das passt nicht zusammen. Wie sollen wir damit umgehen? In der Mitte einmal selbst bezahlen nach 5 Jahren?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Es ist nicht ganz einfach auf das Zeitintervall zwischen den Vorsorgedarmspiegelungen eine wissenschaftlich begründete Antwort zu geben. Dies hat nicht nur mit Kosten und Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenversicherung zu tun. Wenn bei der Darmspiegelung keinerlei Polypen als Vorstufen von Darmkrebs entdeckt wurden, so ist allgemein anerkannt, dass eine Kontrolle nach 10 Jahren ausreichend ist. Wurden Polypen entdeckt und entfernt, so gibt es auch keinerlei Probleme bezgl. Kostenübernahme, wenn eine Kontrolle nach drei oder fünf Jahren erfolgt. Tatsächlich gibt es Formen von Darmkrebs, die sich auch innerhalb von wenigen Jahren entwickeln können, diese sind jedoch erfreulicherweise selten. Insgesamt hat man bei der Wahl des Interwalls, glaube ich, eine weise Entscheidung getroffen. Die Sicherheit, Darmkrebs in einem frühen Stadium zu entdecken ist ausreichend. Zu engmaschige Untersuchungen steigern natürlich nicht nur die Kosten, denn es gibt ja auch ein, wenngleich sehr kleines Risiko, dass bei den Untersuchungen eine Komplikation auftritt.

Merseburg: Antikörper gehen offenbar nicht für alle. Da gibt es irgendein Ausschlusskriterium im genetischen Bereich, obwohl die Antikörperbehandlung besonders wirkungsvoll sein soll bei fortgeschrittenem Darmkrebs. Wann ist sie sinnvoll, wann nicht?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Bei den monoklonalen Antikörpern gibt es zwei Medikamente, die gegen den EGF-Rezeptor gerichtet sind. Sie heißen Cetuximab und Panitumumab. Beide Medikamente sind zusammen mit Chemotherapie gegeben sehr effektiv und verbessern die Ergebnisse bei den behandelten Patienten. Dies gilt allerdings nur, wenn es sich bei dem Darmkrebs um den RAS-Wildtyp handelt. Dies wird durch eine Testung am Tumormaterial ermittelt. Die Wahrscheinlichkeit für RAS-Wildtyp liegt bei ca. 50%. Desweiteren ist der Einsatz von diesen beiden Antikörpern auch nicht sinnvoll, wenn der Primärtumor im Darm auf der rechten Seite lag (Blinddarm, aufsteigender Darm, Querdarm). Die anderen Antikörper, die sich gegen Botenstoffe der Blutgefäßneubildung richten, können hingegen unabhängig von den molekularen Markern und der Lage des Primärtumors eingesetzt werden. Wenn die richtigen Bedingungen für den Einsatz der EGF-Rezeptor Antikörper erfüllt sind, so ist diesen der Vorzug gegenüber den VEGF Antikörpern zu geben.

Hauser: Wie lassen sich „Metastasen“ in der Leber unterscheiden von einer eigenständigen Leberkrebserkankung (Grunderkrankung Darmkrebs)?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Eine sichere Unterscheidung zwischen Metastasen oder aber primärem Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom) ist nur durch eine Gewebeprobe möglich. Allerdings sehen Metastasen in der Computerthomographie, Kernspintomographie oder im Ultraschall zumeist auch anders aus, als der primäre Leberkrebs. Zudem gibt es sogen. Tumormarker (bestimmte Blutwerte), welche eher auf das Eine oder aber auf das Andere hinweisen. Hatte ein Patient Darmkrebs, die für Darmkrebs typischen Tumormarker sind nun erhöht und auf den Bildern sehen die Herde wie Metastasen aus, so wird man beschließen, dass die Sicherheit ausreichend hoch ist und wird auf eine Gewebeprobe verzichten.

Wilfried: Bei Darmkrebs weiß man, wie lange es dauert, bis er sich entwickelt. Aber weiß man auch, wie schnell Metastasen sich entwickeln? Wie lange dauert es bis sie so groß sind, dass man sie in Bildgebung erkennen kann?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Es gibt Fälle, bei denen sich Metastasen innerhalb von Wochen entwickeln und rasant an Größe zunehmen. Dies ist bei Darmkrebsmetastasen jedoch selten. Hier liegt meist ein langsames Wachsen vor. Da Metastasen von Darmkrebs in der Leber manchmal erst Jahre nach Entfernung des Primärtumors entdeckt werden, müssen sie eigentlich sehr langsam wachsen, oder aber zunächst quasi schlummern und gar nicht wachsen und dann Fahrt aufnehmen. Dies ist ein interessantes Phenomen, welches schon seit Jahrzehnten bekannt ist. Manche glauben auch, dass die Tumorzellen zwischenzeitlich im Knochenmark schlummern und erst später in die Leber wandern. Ganz erforscht ist das noch nicht. Eine praktische Bedeutung für den betroffenen Patienten ergibt sich ohnehin nicht, da man mehr als regelmäßige bíldgebende Untersuchungen und Bestimmung der Tumormarker nicht machen kann. Wichtig für einen Betroffenen ist der Umstand, dass nicht die Größe, sondern zumeist die Zahl und Lage der Metastasen darüber entscheidet, ob man sie sinnvoll operieren kann. Insofern ist es auch nicht entscheidend, ob man die Metastasen evtl. einige Monate früher und damit noch etwas kleiner entdeckt hat.



Ende der Sprechstunde.