ITP (Morbus Werlhof) – Lebensqualität bei ITP

Universitätsklinik Gießen
Prof. Dr. med. Mathias Rummel
Leiter des Schwerpunkts Hämatologie
Med. Klinik IV
Klinikstr. 36
35392 Gießen

Tel.: 0641 / 99 42651
Fax: 0641 / 99 42659
E-mail: 
mathias.rummel@innere.med.uni-giessen.de
 
 
Schwerpunkte

• Hämatologische und Onkologische Neoplasien
• Moderne Therapiekonzepte (Durchführung und Beteiligung an klinischen Studien)
• Sämtliche moderne Methoden der Diagnostik und Behandlung insbesondere von
• Leukämien
• Non-Hodgkin Lymphomen (NHL)
• Morbus Hodgkin
• Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
• Chronisch lymphatische Leukämie (CLL)
• Plasmozytom
• Haarzellenleukämie

PROTOKOLL

ITP (Morbus Werlhof) – Lebensqualität bei ITP

Tibor: Habe eine Verständnisfrage. Ist die Zahl der Thrombozyten wirklich reduziert, oder sind es so viele, wie immer, aber eine kleinere oder größere Zahl ist nicht in Ordnung und deshalb nicht funktionstüchtige und es werden nur die gesunden gezählt?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Bei der ITP ist die Zahl der Thrombozyten in der Tat reduziert, also kleiner, als der Normwert. Die wenigen Thrombozyten sind funktionstüchtig. In dem Laborbericht sind alle Thrombozyten gezählt worden.

Max_Mühlfarth: Wie erkrankt man an ITP, woher kommt die Krankheit?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Letzendlich ist die Ursache der ITP noch unbekannt. Es ist eine Erkrankung des Immunsystems. Bei der ITP bekämpft das eigene Immunsystem die Blutzellen (die Thrombozyten). Es wird beobachtet, dass die ITP gelegentlich nach einer Infektion auftritt.

Resch: Hallo Dr. Rummel, ich war 6/2009 bis 2011 Ihr Patient. Ich habe 1985 einen schweren Unfall gehabt. Schädelhirntrauma,. Seit mehr als 20 Jahre habe ich Carbamazepin nehmen müssen. 1. Dies kann eine ITP begünstigt. Frage: Kann Carbamazepin Sie auch auslösen ? Mehrere Studien sind in den vergangen Jahren gemacht worden. (Alle in den USA) Eine Studie aus dem Jahr 2013, die u.a. eine Aussage triff. Leider liegt mir die Studie nicht vor. 2. Bitte eine kurze Einschätzung zu Rituximab. Chancen/Risiko! Zur Zeit bin ich auf N-plate eingestellt, habe allerdings zunehmend Muskel und Gelenkschmerzen. Dankeschön im voraus!

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Zu der ersten Frage: Ich denke eher, dass Carbamazepin eine ITP nicht auslösen kann. Zur zweiten Frage: Rituximab ist eine wirksame Therapie bei der ITP, jedoch ist dieses Medikament zur Behandlung der ITP nicht zugelassen. Die Erfolgschance nach einer Therapie mit Rituximab liegt ca. in der Größenordnung von 50-60% Ansprechrate. Die Dauer der Wirkung von Rituximab ist ca. 1-3 Jahre. Aber mit Rituximab geht ein erhöhtes Risiko für Infektionen einher. Das genaue Infektionsrisiko hängt auch von der Zahl der Vorbehandlungen ab.

Reimers: Was ist der optimale Weg dieser Krankheit zu begegnen? Ich soll eine Stimulation am/im Rückenmark bekommen. Das soll dann zur erhöhter Produktion von Thrombozyten führen. Klingt nach einem vehementen Eingriff in mein System. Ist das gerechtfertigt? Was sind mögliche Alternativen?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Sie meinen wahrscheinlich eine Stimulation des Knochenmarks und nicht des Rückenmarks. In der Tat kann man die Blutbildung von Thrombozyten mit Medikamenten stimulieren, also erhöhen. Das ist kein außergewöhnlicher, vehementer Eingriff in Ihr Körpersystem. Jedenfalls ist es bei einer ITP gerechtfertigt, da ohne medikamentöse Behandlung bedrohliche Blutungen bei der ITP auftreten können. Außerdem sind diese Medikamente, die die Produktion von Thrombozyten stimulieren, heutzutage bevorzugt, weil es belastungsärmer ist, als die immunsuppressiven Medikamente (Cortison, Ciclosporin, Cellcept, Azathioprin). Eine nicht-medikamentöse Alternative ist die operative Entfernung der Milz, was heutzutage aber weder von Patienten noch Ärzten bevorzugt oder empfohlen wird.

Karl_Hagener: Ich habe auf dem Oberbauch vermehrt so kleine rote Stellen. Eigentlich so, wie sie bei einer ITP als stecknadelgroß beschrieben werden. An den Unterschenkeln habe ich keine, aber da sollen die ja angeblich zuerst auftreten. Was sagt mir das jetzt?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Jedenfalls kann man das von der Ferne, ohne es als Arzt gesehen zu haben, nicht beurteilen, was Sie haben. Stecknadelkopf große kleine rote Pünktchen auf der Haut werden mit dem medizinischen Wort Petechien beschrieben. Sie haben Recht, weil solche Petechien tatsächlich eher an den Unterschenkeln erwartet werden, aber es gibt auch genügend Fälle, wo Petechien am Oberkörper und nicht an den Beinen auftreten. Eine wichtige Unterscheidungs-Diagnose ist, ob Sie auf der Bauchhaut einen allergischen Hautausschlag haben. Diese kleinen roten Stellen auf dem Oberbauch sollten Sie Ihrem Arzt zeigen.

Renzo: Die sogen. „first line therapy“ ist bei mir durch und zeigt kaum noch Wirkung. Was ist der nächste Behandlungsschritt? Kann man die Zerstörung der Thrombozyten aufhalten, oder geht es darum dafür zu sorgen, dass der Körper mehr neue produziert? Freue mich sehr, über diese Sprechstunde. Kommt für mich gerade zur richtigen Zeit. Freue mich auf eine Antwort.

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Wichtig wäre zu wissen, welches Medikament als "first line therapy" bei Ihnen eingesetzt worden ist. Ich vermute, es war Cortison, oder ein cortisonähnliches Medikament. Das Therapieziel bei der ITP ist beides: Die Zerstörung der Thrombozyten aufzuhalten und auch dafür zu sorgen, dass der Körper mehr neue Thrombozyten produziert. Nach einem Versagen einer "first line therapy" kommen jedenfalls thrombozytenstimulierende Medikamente bevorzugt zum Einsatz. Dafür gibt es gegenwärtig zwei Möglichkeiten: Romiplostim oder Eltrombopag.

Nina: Herr Professor Rummel, mit wie viel mg Prednisolon parallel zur Nplategabe kommt der überwiegende Teil Ihrer Patienten in einen relativ sicheren und stabilen Thrombozytenzahlbereich und auf ein gutes Wohlfühllevel? Stetige Schwankungen in wenigen Wochen Abstand sorgen bei mir für starke Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Meine Milz habe ich bereits abgegeben!

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Abgeschlagenheit und Müdigkeit ist leider ein häufiges Symptom bei vielen ITP-Patienten, auch wenn sie erfolgreich mit Medikamenten behandelt werden. Das Ziel ist, parallel zur Nplategabe gar kein Prednisolon zu geben. Fast alle meine Patienten, die Nplate bekommen, haben kein Prednisolon als Begleitmedikation. Üblicherweise ist Prednisolon parallel zu Nplate auch nicht notwendig.

Kuckuck: Von vielen Krankheiten weiß man ja erst jetzt, dass sie erblich bedingt sein können. Gehört ITP auch dazu, sollte unser 10jähriger Sohn getestet werden

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Nein. Die ITP ist nicht erblich bedingt. Ihr Kind muss nicht getestet werden.

Garten: Es gibt eine schwedische Studie, die befasst sich mit einer Verbindung zwischen Diabetes, verstärkten Insulinausschüttungen nach dem Essen und möglicherweise daraus resusltierenden Blutveränderung. Auf den ersten Blick erkennt man keinen Zusammenhang, aber es scheint da was dran zu sein. Kann Prof. Rummel etwas dazu sagen? Ich bin seit 6 Monaten Diabetiker und habe eine sinkende Thrombozyten-Anzahl, nachdem ich jahrelang immer eher zu hoch war.

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Es gibt nach meinem Wissen keinen Zusammenhang zwischen Diabetes, Insulinausschüttungen und der Thrombozytenanzahl. Wenn also bei Ihnen die Thrombozytenzahl sinkt, hat das aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mit einer ITP zu tun.

Akrema: Wie erreicht man die magische Zahl von 50.000, wie verhindere ich, dass ich wieder darunter gehe?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Meistens kann man die Dosis des eingesetzten Medikamentes ändern, so dass als Folge einer veränderten Medikamentendosis die Thrombozytenzahl steigt oder fällt. Die Zahl 50.000 steht in der Tat häufig in Berichten beschrieben, sollte aber keine magische Zahl für Sie sein. Man kann z.B. auch sehr gut mit 42.000 auskommen. Es kommt viel mehr auf die Blutungszeichen an, als auf sogen. magische Zahlen von Thrombozytenwerten. Ich kenne Patienten, die mit ca. 20.000 Thrombozyten keinerlei Blutungszeichen haben; andere hingegen haben Blutungszeichen selbst mit Thrombozytenwerten von 40.000 - 50.000.

EddiKleist: Meine Frau muss einmal pro Woche in die Klinik und bekommt dort eine Spritze, damit sich die Thrombos bei ihr wieder normalisieren. Wir sind sehr froh über diese Möglichkeit. Andererseits wäre es eine erhebliche Erleichterung, wenn sie sich so eine Spritze selbst setzen könnte. Diabetiker machen das ja auch z.B. mit einem Pen. Warum geht das hier nicht?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Selstverständlich kann man sich diese Spritze, die jede Woche nötig ist, selbst geben. Es ist ein wenig kompliziert, die richtige Dosis aus der Medikamentenampulle zu entnehmen, aber noch haben es alle meine Patienten einwandfrei gelernt, mit Selbstinjektionen und der richtigen Dosis umzugehen. Ganz viele Patienten in meiner Sprechstunde spritzen sich das Medikament, was Sie wohl ansprechen, selbst. Manchmal hat ein Patient Hemmungen, sich selbst mit der Nadel in die Bauchhaut zu stechen. In einem solchen Fall macht das ein Angehöriger. Also genauso wie es Diabetiker machen, können es auch ITP-Patienten selbst.

Bb: Mein Sohn hat seit April itp, er bekommt jeden Montag morgen nplate (850 oder 1000 ml) die Werte fallen und steigen. Von 7000 auf 23000, nächste Woche 179000, dann wieder 20000 usw. der Arzt will ihm jetzt die Milz entfernen. Ist das notwendig.? ( er ist 21 Jahre)

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Die Frage, ob man die Milz entfernen soll oder nicht, wird bei der ITP kontrovers diskutiert. Ich selbst und auch viele meiner Kollegen, die ich kenne würden die Milz jetzt nicht entfernen lassen, wenn die Erkrankung erst ca. ein halbes Jahr lang besteht. In der Tat ist es merkwürdig, wenn bei Ihrem Sohn die Thrombozytenwerte, so stark schwanken. Trotzdem würde ich erst noch weiter die medikamentöse Therapie der ITP fortführen und würde jetzt noch nicht zur Entfernung der Milz raten. Andererseits kann die Milzentfernung eine sehr wirksame Behandlung der ITP sein, denn wenn nach der Entfernung der Milz die Thrombozytenwerte normal werden, braucht man ja auch keine Medikamente mehr. Dagegen ist die Enttäuschung für alle, insbesondere für den betroffenen Patienten, riesengroß, wenn man das Organ, die Milz, entnimmt und es sich nicht auf die Thrombozytenwerte auswirkt. Dann würde man also eine große Operation gemacht haben, die zu keinem Erfolg geführt hat. Vor einer solchen Operation kann man das nicht voraussagen, ob die ITP damit gut oder gar nicht behandelt werden kann. Deswegen schrecken viele vor der Entfernung der Milz zurück.

Hossi: Also, wenn die weißen Blutkörperchen zu schnell in der Milz abgebaut werden, die Milz entfernt wird, aber die Krankheit damit trotzdem nicht am Ende ist, wie geht es dann weiter?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Nicht die weißen Blutkörperchen, sondern die Thrombozyten (auf deutsch "Blutplättchen" genannt) werden zu schnell in der Milz abgebaut. Wenn die Milz entfernt werden würde, aber die ITP-Krankheit damit nicht erfolgreich behandelt werden konnte, dann muss man mit Medikamenten weitermachen.

Karin: Bei mir ist die ITP chronisch, mal besser, mal schlechter. Ich bin regelmäßig in Behandlung aber gut arbeitsfähig. Ich war jetzt die letzten 9,5 Jahre in der gleichen Firma tätig. Mein Chef zieht sich aus Altersgründen zurück und hat keinen Nachfolger gefunden. Bin also auf Jobsuche. Weil ich zuletzt vor 10 Jahren Bewerbungsgespräche geführt habe, weiß ich den aktuellen Stand nicht. Muss ich eine chronische Erkrankung angeben? Wenn ich es nicht mache, laufe ich Gefahr in der Probezeit rausgeschmissen zu werden? Viele weitere Fragen. Wäre sehr freundlich, wenn mir der Experte diese beiden zentralen Fragen beantworten könnte. Vielen Dank.

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Ich kenne solche Fälle, weiß aber auch leider nicht genau den juristischen Hintergrund, um Ihre Frage exakt zu beantworten. Was ich weiß, ist, dass man ja auch bei einer Bewerbung nicht angeben muss, dass man schwanger ist und auch nicht, ob man z.B. einen hohen Blutdruck hat. Ich vermute also, dass Sie bei einem Bewerbungsgespräch nichts über die ITP erzählen müssen. Anders verhält es sich, wenn Sie aufgrund der ITP einen offiziellen Grad der Behinderung haben. Dann haben Sie auch einen Behindertenausweis und das müssten Sie bei der Bewerbung angeben.

Rotköpfchen: Chemo (6 Zyklen EC) vor gut 2 Jahren abgeschlossen, anschließend Bestrahlung, seit ca. 2 J. nehme ich Aromasin/vorher Tamoxifen. Die Leukozytenwerte sind immer noch bei ca. 3000. Wie kann man sie erhöhen? Muss Aromasin wirklich 5 Jahre lang nach der Operation eingenommen werden oder gibt es auch Ausnahmen? Wenn ich das weglasse, steigen dann wieder die Thrombos? Danke für eine Antwort.

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Leukozytenwerte von ca. 3.000 sind nicht gefährlich niedrig. Man könnte sie mit Medikamenten erhöhen, aber bei einem Wert von 3.000 würde ich jetzt nicht daran denken. Ihre Frage hat aber mit der ITP nichts zu tun. Ob man Aromasin wirklich 5 Jahre nehmen muss, ist die Frage, die Sie einem Spezialisten der Gynäkologie stellen müssen.

Silvia: Sehr geehrter Prof. Dr. Rummel, inwieweit spielen die Hormone eine Rolle bei der ITP? Die Diagnose Morbus Werlhof wurde bei mir mit 12 Jahren gestellt. Während der Pubertät lagen die Werte überwiegend im Bereich 20.000. Mit zunehmenden Alter (Zeitraum von 30 Jahren) wurden die Werte immer stabiler, nicht im Normbereich, aber auch nicht im besorgniserregenden Bereich und nur noch seltenen drastischen Absinken der Thrombozyten. Nun befinde ich mich am Anfang der Wechseljahre mit massiven Beschwerden und die Thrombozyten bewegen sich im Normalbereich bei 289.000. In beiden hormonellen Umstellungsphasen fand ein Wandel meiner Morbus Werlhof Erkrankung statt und lässt mich annehmen, dass hier ein Zusammenhang besteht. Vielleicht wissen Sie, ob es bisherige Forschungen zu diesem Thema gibt die mich meinen Körper besser verstehen lassen. Herzlichen Dank für das Teilen Ihres Wissens! Mit freundlichem Gruß Silvia

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Ich habe auch schon gelegentlich ähnliche Verläufe bei Patientinnen gesehen. Ich glaube aber nicht, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht, also zwischen der ITP und dem Hormonstatus. Bei Ihnen scheint mir der Verlauf mit dem langen Bestehen der Erkrankung zusammenzuhängen. Wenn die ITP also 20 Jahre und länger besteht, kann sie sich in ihrer Ausprägung ganz beträchtlich ändern.

Gülsternat: Unsere Familie hält zusammen. Deshalb sind wir gemeinsam auf Suche, um unserer Mutter bei der Lösung ihres gesundheitlichen Problems (ITP) zu helfen. Inzwischen verfügen wir über ein relativ gutes Wissen. Aber immer mit Lücken, wie das so ist, wenn einem die medizinischen Grundlagen fehlen. Deshalb die Frage: Kann man auch Antikörper bilden gegen Medikamente die blutplättchenbildend sind? Wenn diese Antikörper einmal da sind, ist dann diese Therapieform ein für alle Mal vom Tisch?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Ja, so etwas kann vorkommen, dass Antikörper gegen Medikamente gebildet werden. Das ist aber extrem selten. Ich selbst habe in meiner gesamten Berufserfahrung keinen solchen Fall gesehen, wo Antikörper gegen blutplättchenbildende Medikamente gebildet wurden. Wenn das jedoch trotzdem einmal der Fall sein sollte, dass Antikörper gegen ein Medikament da sind, dann ist in der Tat diese Therapieform nicht mehr möglich, also um Ihre Worte zu benutzen: ein für alle Mal vom Tisch. Es muss jedoch ein solch beweisender Befund vorliegen, der zweifelsfrei die Bildung von Antikörpern gegen das Medikament belegt.

R.Döhlen: Als meine Thrombozyten sich weiter reduzierten hat mein Arzt mich auf Alkohol angesprochen, weil auch die Leber Ursache für eine ITP sein kann. Dabei trinke ich überhaupt keinen Alkohol. Das muss man doch auch an den einwandfreien Leberwerten erkennen. Ich fand das eine beleidigende Frage, oder bin ich zu empfindlich?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Die Leber ist eher nicht die Ursache für eine ITP. Erst recht hat ein gelegentlicher Alkoholkonsum nichts mit einer ITP zu tun. Vielleicht hat das der Arzt nur der Vollständigkeit halber gefragt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kollege Sie mit einer solchen Frage beleidigen wollte.

Mitarbeiter: Offenbar geht es bei mir unausweichlich um die Entscheidung, welche längere Dauerbehandlung einsetzen soll, denn ich werde immer schlapper und die „Pendelzeit“ ist offenbar vorbei, wo es dann auch noch mal wieder nach oben ging. Variiert zwischen 35.000 und 80.000. Wenn ich jetzt anfange mit einer Dauermedikation bedeutet, dass das ich die mein Leben lang nehmen muss?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Nein, das bedeutet es nicht. Eine "Dauermedikation" meint eher, dass die Therapie nicht nach 2, 4 oder 6 Monaten vorbei ist. Manchmal fängt man mit einer "Dauermedikation" an und stellt nach einer gewissen Zeit (z.B. einigen, wenigen Jahren) fest, dass sich der Ausprägungsgrad der chronischen Erkrankung geändert hat. Dann kommt es auch dazu, dass man diese sogen. "Dauermedikation" beenden kann. All das kann man nicht voraussagen, sondern muss das im Verlauf anhand von regelmäßigen Kontrolluntersuchungen entscheiden.

Meerbusch: Es ist immer ein hin- und her. Mal gehen die Werte runter, dann werde ich behandelt und es geht wieder hoch. Ich weiß auch schon, wenn das wieder losgeht, dann kommen die Blutergüsse und die roten Punkte. Hat das auch was mit der Psyche zu tun? Ich hatte 4 Todesfälle in meinem engeren Umfeld in 6 Monaten.

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Nach meinen Erfahrungen haben schwere Zeiten und psychische Belastungen eher keine Auswirkungen auf die Thrombozytenzahlen. Jedoch, wie man so schön sagt, Ausnahmen bestätigen die Regel. Jedenfalls ist es bei vielen ITP-Patienten so, dass die Werte runter und wieder hoch gehen. Wenn die Werte bei Ihnen runtergehen, weil Sie augenblicklich keine Behandlung bekommen, dann sollte man in Zukunft erwägen, ob man die Behandlung, die bei Ihnen etwas nutzt, länger fortführen sollte.

M.: Wenn ich bei einer Erkältung das Immunsystem stärken möchte, werden dann auch die Antikörper, die meine Thrombozyten abbauen, gestärkt?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Sehr gute Frage! Bei manchen Patienten wirken sich Erkältungen gut auf die Thrombozytenwerte aus (die Werte steigen also), bei anderen gehen die Werte während einer Erkälung runter. Jedenfalls ist Ihr Gedankengang nachvollziehbar. Trotzdem glaube ich nicht, dass Sie mit üblichen Maßnahmen Ihr Immunsystem so beeinflussen können, dass das Auswirkungen auf die Thrombozytenwerte hat.

Ernstvogler: Kann diese Blutveränderungen der ständig sinkenden Thrombozyten auch durch andere Medikamente ausgelöst werden? Ich hatte 1999 eine Schilddrüsen-Totaloperation. Normalerweise lässt der Operateur ja 1-2% stehen. Bei mir ist alles weg und ich substituiere komplett. Kann das über die Länge der Zeit Einfluss nehmen auf die Blutbildung?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Grundsätzlich können sinkende Thrombozytenwerte durch andere Medikamente verursacht werden. Bei der ITP ist dies aber nicht der Fall. Ich schlussfolgere, dass Sie L-Thyroxin nehmen, um Ihre Schilddrüsenfunktion aufrecht zu erhalten. Das jedenfalls hat keinen Einfluss auf die Blutbildung.

Friedel: Seit der Diagnose beschäftige ich mich intensiv mit dieser Erkrankung meiner Frau. Das klang erst einmal nicht so dramatisch. Inzwischen sehe ich das anders, weil es ganz unmittelbar in alle Lebensbereiche eingreift. Bisher war es ein ständiges hin und her, aber jetzt steuert meine Frau auf eine Chronifizierung zu. Kann man das möglicherweise noch aufhalten? Wie?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Leider ist es so, dass die ITP bei erwachsenen Patienten chronisch verläuft. Von einer chronischen ITP spricht man dann, wenn die ITP länger als ein Jahr besteht. Es gibt keine bewiesenen Behandlungsmöglichkeiten, wie man eine akute ITP (nur wenige Wochen bekannte ITP) so beeinflussen kann, dass keine chronische ITP daraus resultiert. Wenn jedenfalls die ITP länger als ein Jahr besteht, ist die ITP zumeist "chronifiziert".

Josef: Woher kommen die großen Schwankungen mal unter 10.000 dann über 200.000?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Ob das was mit der Dosis der ITP-Medikamente zu tun hat, die Sie nehmen? Solche großen Schwankungen von unter 10.000 bis über 200.000 sind selten. Manchmal haben solche Schwankungen auch mit kleinen Infekten im Hals-, Nasen-Bereich zu tun.

Franz: Sehr geehrter Prof. Dr. Rummel, ich (41,m) bin seit über 20 Jahren an chronischer ITP erkrankt. Entgegen aller Warnungen habe ich die Therapie letztlich komplett abgebrochen, da mir sowohl die Strategie der Immunsuppression mit den massiven Nebenwirkungen und schweren Langzeitfolgen als auch die vorgeschlagene Splenektomie samt Risiken angesichts der geringen Aussichten auf dauerhaften Erfolg als nicht zielführend erschienen. Meine Strategie war so lange wie möglich ein normales Leben zu führen frei von Medikamenten und deren Nebenwirkungen, um auf einen evtl. Fortschritt in medizinischer Forschung zu setzen, der das Problem ITP an der Wurzel packt. Jährliche Blutbilder der Vergangenheit ergaben Werte von 5t bis zu schon ein mal 50t. Abgesehen von mal mehr oder mal weniger großen Hämatomen, etwas höherer Blutungsneigung und seltene Episoden von Müdigkeit bin ich fit. Von Nasenbluten oder ähnlichen Blutungszeichen etc. bin ich komplett verschont. Sollte sich letzteres irgendwie ändern oder ein Notfall eintreten würde ich mich wieder in Therapie nach aktuellen Standards begeben. Therapieabbruch war übrigens vor 15 Jahren. Ist es richtig, daß inzwischen "wait & watch" wohl auch eine offizielle Strategie bei ITP sein soll eben aufgrund des von mir obig geschilderten Dilemmas der Langzeitfolgen der Medikamente? Wieso blute ich auch in "Downphasen" mit 5000 kaum während ich lese daß andere mit zehnfachen Werten und mehr große Probleme haben? Gibt es neue Ansätze der Therapie außer Immunsuppression, Milzentnahme, oder Boosten der Thrombozytenproduktion?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Der neueste Ansatz und auch die erfolgversprechendste Therapie ist die Stimulation der Thrombzytenproduktion. Immunsuppression ist nicht mehr Therapie der Wahl, weil, so wie Sie oben zutreffend beschreiben, die unerwünschten Wirkungen zu groß sind. Manche Patienten bluten selbst mit solchen niedrigen Werten nicht. Möglicherweise sind Ihre Thrombozyten, auch wenn es sehr wenig sind, besonders "leistungsfähig". Zudem haben Sie noch einen anderen Teil des Gerinnungssystems (plasmatische Gerinnung), was auch einen Teil dazu beiträgt, dass Sie nicht bluten. Aber Sie beschreiben es richtig, dass z.B. Sie mit 5.000 kaum Blutungszeichen haben, während andere mit viel höheren Werten große Probleme mit Blutungen haben. Ja, eine beobachtende und abwartende Strategie (wait and watch) kann bei der ITP mitunter eine gute Maßnahme sein. Man sollte aber wissen, welches Medikament im Notfall gut wirkt. Wenn Sie also über einen solchen langen Verlauf keinerlei Blutungszeichen haben, ist für Sie "wait and watch" gerechtfertigt.

Hoffmann: Kann aus einer ITP-Krankheit Blutkrebs entstehen?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Nein. So etwas wird nicht beobachtet.

Konstanze: Mein Hausarzt hat während eines langen Fluges empfohlen - wir fliegen zum Verwandtenbesuch nach Chile - keine ausgiebigen Mahlzeiten zu uns zu nehmen. Das würde das Thromboserisiko in Verbindung mit meinen zu niedrigen Thrombozyten stark erhöhen. Ist das so? Ich bin ganz sprachlos. Wo ist da die Verbindung? Im Übrigen fliegen wir Holzklasse, das wird man ohnehin nicht verwöhnt.

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Das Wichtigste ist, dass Sie in der Holzklasse nicht die ganze Zeit sitzen bleiben und häufig umher spazierengehen. In der Holzklasse kann man die Beine nicht ausstrecken, sondern sitzt die ganze Zeit mit angewinkelten Beinen. Genau das hängt mit einem Thromboserisiko zusammen. Mit den ausgiebigen Mahlzeiten hat das m.E. nichts zu tun, aber es kommt darauf an, dass Sie genügend bzw. VIEL trinken. Im übrigen würde ich eine sogen. Thrombosespritze in Erwägung ziehen, wenn Ihre Thrombozytenwerte gut genug, bzw. normal sind.

Hedwig: Als Betroffene von ITP (74 Jahre alt) spritze ich seit Juni 2010 schon längere Zeit 500 µg Romiplostim. (ca 6,6 µg/kg) Die Thrombozytenwerte schwanken zwischen 30.000 und 100.000 Sobald die Werte unter 50.000 abfallen, nehme ich zusätzlich 2,5 bis 5 mg Cortison (Prednisolon AL) Hat Cortison in dieser geringen Menge auch Nebenwirkungen? Oder sollte man Romiplostim mit einer zweiten Spritze 250 µg (max 10 µg/kg) erhöhen? Herr Dr. Rummel könnte mit einer Ernährungsumstellung eine Besserung erzielt werden? Sind Erfahrungen mit Glutenfreier Ernährung bekannt?

PROF. DR. MED. MATHIAS RUMMEL: Wenn das mit zusätzlich 2,5 bis 5mg Cortison gut funktioniert, dann können Sie eine solche Dosis gelegentlich nehmen. Cortison hat in dieser geringen Menge keine bedrohlich-unerwünschten Wirkungen. Jedenfalls würde ich wegen solcher Thrombozytenwerte nicht die Dosis von Romiplostim mit einer zweiten Spritze erhöhen. Ich kenne keine systematischen Untersuchungen, wie man mit einer Ernährungsumstellung ein Verbesserung der ITP erzielen kann. Auch ist mir nicht bekannt, dass glutenfreie Ernährung eine diesbezügliche Auswirkung hat.

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Ende der Sprechstunde.