Lymphome - Perspektive und Lebensqualität mit der Radioimmuntherapie

Priv.-Doz. Dr. med. Christian Scholz
Oberarzt
Charité Universitätsmedizin Berlin
Medizinische Klinik m.S. Hämatologie und Onkologie
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

Tel. 030 450-553-649
Fax 030 450-553-966

Christian.scholz@charite.de

 
Schwerpunkte
 
• Hämatologie und internistische Onkologie
• Diagnostik und Therapie von malignen Lymphomen, Lungenkarzinomen,
• kolorektalen Karzinomen
• Klinische Studien zu hämatologischen und onkologischen Erkrankungen

PROTOKOLL

Lymphome - Perspektive und Lebensqualität mit der Radioimmuntherapie

PD DR. SCHOLZ: Wir beginnen um 19 Uhr.

SThamer : Gehört das Non-Hodgkin-Lymphom zu den Leukämie-Krankheiten, oder ist das wieder etwas ganz anderes?

PD DR. SCHOLZ: Die Non-Hodgkin-Lymphome gehören nicht zu den Leukämien, allerdings gibt es eine Leukämie, die chronische lymphatische Leukämie, die zu den Lymphomen gerechnet wird. Unter Leukämie versteht man letztendlich "weißes Blut", weil es zu einer massiven Ausschwämmung von Leukozyten in das periphere Blut kommt. Non-Hodgkin-Lymphome können zwar auch einmal leukämisch verlaufen und bei der chronischen lymphatischen Leukämie ist das regelhaft der Fall, aber die anderen Non-Hodgkin-Lymphome verlaufen normalerweise nicht leukämisch.

Sefik : Ist das eine ganz eigene Substanzgruppe oder worum handelt es sich bei der Radioimmuntherapie?

PD DR. SCHOLZ: Die Radioimmuntherapie verbindet Wirkprinzipien der Immuntherapie und der Bestrahlung. Beide Prinzipien haben einen hohen Stellenwert in der Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen. Bei der Radioimmuntherapie wird ein Antikörper, das ist ein Eiweiß, gegen das Oberflächeneiweiß CD20 an ein Radionuklid gekoppelt, das 90Yttrium. Die Verbindung von Antikörper und Radionuklid führt dazu, dass nicht nur die Lymphomzelle zerstört wird, an die der Antikörper unmittelbar bindet, sondern auch andere Lymphomzellen in einem Umkreis von ungefähr 5 mm. Somit kann man schon sagen, dass es sich bei der Radioimmuntherapie um eine Substanzgruppe handelt, die sich wesentlich von der Bestrahlung von Außen und von der Therapie mit nichtkonjugierten Antikörpern unterscheidet. Aus meiner Sicht ist die Radioimmuntherapie eine Ergänzung und nicht ein Ersatz der anderen Therapiemodalitäten beim Non-Hodgkin-Lymphom.

Lutz : Ich recherchiere für meinen Bruder, der mit dem Internet nicht so gut klarkommt (ist 26 Jahre älter als ich). Dabei stoße ich immer wieder auf Neuerungen, aber oft ist kein Datum dabei geschrieben und dann sagt mir das nicht, wie alt dieser Hinweis vielleicht ist. Es gibt aber wohl eine ziemlich neue Therapie, die zusätzlich oder nach der Chemo eingesetzt werden kann. Wie heißt die, wer führt die durch?

PD DR. SCHOLZ: Es ist sicherlich gut, dass Sie sich durch das Internet über neue Therapiemöglichkeiten beim Non-Hodgkin-Lymphom informieren. Letztlich ist es jedoch ganz wichtig, dass Sie die Dinge, die Sie auf diesem Weg finden, mit einem klinisch tätigen Hämatoonkologen ausführlich besprechen. Dieser Arzt oder diese Ärztin kann Ihnen dann auch sagen, ob es sich um ein neues Wirkprinzip oder um eine Standardtherapie oder um eine veraltete Therapie handelt. Die eben angesprochene Radioimmuntherapie mit 90Yttrium-Ibritumomab (90Y-Zevalin) ist eine Therapie, die zur Verfestigung eines Erfolges einer vorangegangenen Chemoimmuntherapie (Konsolidierung einer Chemoimmuntherapie) oder bei Wiederkehr (Rezidiv) einer Erkrankung mit einem Non-Hodgkin-Lymphom eingesetzt werden kann. Zugelassen ist 90Y-Zevalin zur Konsolidierungstherapie und zur Rezidivtherapie beim folikulären Lymphom. Folikuläre Lymphome sind so genannte indolente, d.h. langsam wachsende, Lymphome.

Christa Pooch : Ich muss es einmal ganz genau wissen. Die Radioimmuntherapie geht nur in Zusammenhang mit Antikörpern. Richt? Die ARIT hat nicht so schwere Nebenwirkungen. Heißt das es sind nicht mehr als durch Chemo und Antikörper oder in der Verbindung sind es insgesamt weniger als ohne RIT?

PD DR. SCHOLZ: Der Ablauf der Radioimmuntherapie mit 90Y-Zevalin ist wie folgt: Am Tag 1 erhalten die Patienten einen Antikörper der nicht mit einem Radionuklid markiert ist mit dem Namen Rituximab. Dieser Antikörper ist auch gegen CD20 gerichtet und soll die normalen Lymphozyten und die Milz vor der Radioimmuntherapie schützen. Am Tag 8 erhält man den Antikörper Rituximab erneut und anschließend erhält man den Antikörper Ibritumomab der mit dem Radionuklid Yttrium markiert ist. Die Hauptnebenwirkungen dieser Therapie sind Blutbildveränderungen, d. h. insbesondere ein Abfall der Leukozyten und der Blutplättchen. Der tiefste Punkt dieses Abfalls ist ungefähr 6 bis 9 Wochen nach Therapie. Obwohl die weißen Blutkörperchen und die Blutplättchen sehr stark abfallen, sehen wir relativ selten Infektionen oder Blutungen im Rahmen dieser Therapie. Um die Blutbildveränderungen genau zu überwachen, sollte für die ersten zwölf Wochen nach Radioimmuntherapie wöchentlich eine Blutbildkontrolle erfolgen. Weitere Nebenwirkungen können allergische Reaktionen sein, die wir jedoch recht selten beobachten und außerdem kann es zu einer mäßiggradigen Mattigkeit kommen. Nebenwirkungen wie Haarausfall oder Herzerkrankungen, wie wir sie häufiger nach Chemotherapie sehen, sehen wir nach Radioimmuntherapie nicht. Chemotherapien bergen zu einem geringen Ausmaß auch das Risiko von Zweitkrebserkrankungen. Diesbezüglich gibt es bisher keine Daten, dass die Radioimmuntherapie ein höheres Zweitkrebsrisiko als die Chemotherapie alleine birgt. Allerdings fehlen auch Beobachtungsdaten, die über einen Zeitraum von Jahrzehnten gehen. Insgesamt erscheint es bisher so, als wäre die Radioimmuntherapie eine sehr gut einsetzbare und gut verträgliche Therapiemodalität.

Grasse : Ist die Radioimmuntherapie auch für ein niedrig malignes B-Zell Lymphom geeignet?

PD DR. SCHOLZ: Die Radioimmuntherapie mit 90Y-Zevalin ist für das niedrigmaligne B-Zell Lymphom folikuläres Lymphom geeignet und zur Konsolidierung nach Chemo- oder Chemoimmuntherapie bzw. bei Rezidiv (Wiedererkrankung) eines follikulären Lymphoms geeignet und zugelassen. Die Wirksamkeit einer Konsolidierungstherapie mit 90Y-Zevalin wurde vor Kurzem mit den Ergebnissen einer Phase 3-Studie belegt. In dieser Studie erhielten Patienten mit der Erstdiagnose follikuläres Lymphom eine frei wählbare Chemo oder in einigen Fällen auch Chemoimmuntherapie und Patienten, die zumindest eine partielle Remission (ein teilweises Ansprechen) erreichten, wurden dann in einen Beobachtungsarm oder in einen Arm mit 90Y-Zevalin randomisiert (per Los aufgeteilt). Bei den Patienten mit 90Y-Zevalin kam es im Mittel erst 24 Monate später zum erneuten Krankheitsvorranschreiten im Vergleich zu Patienten im Beobachtungsarm. Einschränkend muss man zu dieser Studie jedoch anmerken, dass nur ein geringer Prozentsatz zunächst eine Chemoimmuntherapie bekam und die meisten Patienten nur eine Chemotherapie erhielten. Mittlerweile ist jedoch die Chemoimmuntherapie die Standardtherapie beim follikulären Lymphom. Während 90Y-Zevalin beim follikulären Lymphom eine zugelassene Therapie ist, gibt es auch für andere Lymphomgruppen, so für das Mantelzelllymphom, das diffuse großzellige Lymphom und das Marginalzonenlymphom interessante Daten allerdings nur aus einarmigen Phase II Studien, die darauf hinweisen, dass sich der Erfolg einer Chemoimmuntherapie durch die anschließende Gabe von 90Y-Zevalin weiter verbessern lässt. Für diese Lymphomuntergruppen ist 90Y-Zevalin jedoch nicht zugelassen und der Einsatz muss zuvor von der Krankenkasse erlaubt werden.

katerchen : Kann man mit der Radioimmuntherapie auch bei niedrig malignen Lymphomen, bei denen es bisher keine Heilungschancen gibt, eine Heilung erzielen? Wenn ja, bei welchen Arten und zu wieviel %? Bei mir handelt es sich entweder um ein Immunozytom oder ein Plasmozytom.

PD DR. SCHOLZ: Nach heutigem Kenntnisstand können wir bei der Lymphomart, für die 90Y-Zevalin zugelassen ist, bisher mit keiner der gängigen Therapien eine Heilung erreichen. Allerdings haben wir in den letzten Jahren insbesondere durch den Einsatz der Antikörpertherapie mit Rituximab eine wesentliche Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht und die Hoffnung ist, dass durch Einsatz weiterer Medikamente die Erkrankung follikuläres Lymphom bei einem Teil der Patienten zu einer Erkrankung wird, die zwar nach längeren Zeiträumen zurückkehrt, aber vielfach erneut erfolgreich therapiert werden kann. Weder das Immunozytom noch das Plasmozytom eignen sich für eine Therapie mit 90Y-Zevalin. Die Plasmozytomzellen haben auf Ihrer Oberfläche nicht das Eiweiß CD20, an das 90Y-Zevalin bindet und beim Immunozytom ist es häufig so, dass das Knochenmark zu mehr als 25 % befallen ist. Ein zu mehr als 25 %iger Knochenmarksbefall durch Lymphomzellen mit CD20 auf der Oberfläche ist jedoch eine Kontraindikation (ein Grund, das Medikament nicht zu geben) für 90Y-Zevalin. Weder für das Immunozytom noch für das Plasmozytom ist 90Y-Zevalin zugelassen und es gibt auch keine Daten, die einen Einsatz rechtfertigen würden.

Ratkovic : Meiner Frau wurde eine Behandlung empfohlen, die sich Radioimmuntherapie nennt. Angeblich ist es mit einer einer Injektion getan und das soll jahrelang wirken. Ich kann das gar nicht glauben. Das wäre ja eine Revolution. Warum wird darüber nicht an erster Stelle in der tagesschau berichtet? Oder haben wir das falsch verstanden und unsere Hoffnungen zu hoch geschraubt?

PD DR. SCHOLZ: Um zu dieser Frage Stellung zu nehmen, müsste ich die Erkrankung Ihrer Frau kennen. Angenommen, es handelt sich um ein follikuläres Lymphom, dann müsste Ihre Frau, wenn sie nicht innerhalb einer Studie behandelt wird, zunächst eine Chemo- oder Chemoimmuntherapie erhalten und könnte dann eine Radioimmuntherapie mit 90Y-Zevalin bekommen. Sowohl nach einer solchen Therapiekombination, allerdings auch nach einer alleinigen Chemoimmuntherapie sind bei einem wesentlichen Teil der Patienten sehr lange krankheitsfreie Intervalle zu beobachten. Diese krankheitsfreien Intervalle sind vielfach im Bereich vieler Monate oder sogar Jahre. Es gibt allerdings leider auch Patienten, bei denen es schon nach wenigen Monaten zu erneuter Aktivität des Lymphoms kommt. Es gibt zwar Risikofaktoren, die es wahrscheinlicher machen, dass es früher zu einer Wiedererkrankung kommt, aber wir können nicht mit Sicherheit voraussagen, wer ein langes krankheitsfreies Intervall hat und wer nicht. Wenn man nach Berücksichtigung aller Krankheitsdaten und einem ausführlichen Gespräch mit dem behandelnden Hämatoonkologen sich zu einer Therapie entscheidet und diese dann durchgeführt wird, sollte man natürlich die Hoffnung haben, dass man für sehr lange Zeit Ruhe vor der Erkrankung hat. Wie schon weiter oben berichtet, hat die Radioimmuntherapie in der Konsolidierung einen hohen Stellenwert, allerdings hat natürlich auch eine wirksame Chemoimmuntherapie eine sehr große Bedeutung bei der Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen. Dies gilt insbesondere für all die Lymphome, bei denen 90Y-Zevalin nicht zugelassen ist. So kann man z. B. einen beträchtlichen Teil der Patienten mit einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom durch eine Chemoimmuntherapie heilen.

Zahib : Ist Zevalin Radioimmuntherapie eine Standardbehandlung?

PD DR. SCHOLZ: Aus meiner Sicht ist eine Radioimmuntherapie mit 90Y-Zevalin bei einem follikulären Lymphom nach einer Chemoimmuntherapie eine Standardtherapie zur Konsolidierung des erreichten Therapieerfolges. Das gilt insbesondere für Patienten, die unter Chemoimmuntherapie keine komplette Remission erreichen (völliges Verschwinden aller Lymphomabsiedlungen in der klinischen Untersuchung und der Bildgebung, z. B. Computertomographie), sowie für Patienten mit follikulärem Lymphom, die zwar eine komplette Remission erreichen aber ein hohes Risiko für ein rasches Wiederauftreten des follikulären Lymphoms haben. 90Y-Zevalin ist keine Standardtherapie bei den anderen Lymphomen, wie z. B. Maginalzonenlymphom, diffuses großzelliges B-Zell Lymphom oder Mantelzelllymphom. Hier ist der Einsatz von 90Y-Zevalin eine individuelle Therapieentscheidung, die u. a. mit der Krankenkasse abgestimmt werden muss.

Zürich : Leider gelingt es meiner Frau nicht abzunehmen. Ein wenig hat sie abgenommen während der Chemo, aber das ist überraschend schneller wieder drauf gewesen, als vermutet. Aber die Therapie hat zunächst angeschlagen. Jetzt hat meine Frau einen Rückfall und sie wird durch Umzug in einem Zentrum behandelt. Da sagte man ihr, dass sie dringend abnehmen muss, um den Erfolg der Radioimmuntherap. nicht gefährden. Das hat sie jetzt zusätzlich zu dem Rückfall sehr stark mitgenommen. Ist das wirklich so?

PD DR. SCHOLZ: Ich weiß leider nicht, ob und wie stark übergewichtig Ihre Frau ist, aber bei sehr starkem Übergewicht kommt es bei vielen Therapiearten häufiger zu Therapiekomplikationen. Die Therapie mit 90Y-Zevalin wird zwar nach Kilogramm / Körpergewicht berechnet, allerdings erhalten die Patienten nur maximal 12.000 MBq. Wir haben an unserem Zentrum auch schon Therapien mit 90Y-Zevalin bei sehr stark übergewichtigen Patienten mit Erfolg durchgeführt, ohne dass es dabei zu wesentlich mehr Nebenwirkungen gekommen ist, als bei normalgewichtigen Patienten. Übergewicht ist somit kein Grund, eine Radioimmuntherapie nicht durchzuführen. Gründe, eine Radioimmuntherapie nicht durchzuführen sind hingegen ein Befall des Knochenmarks zu mehr als 25 % durch das Lymphom zum Zeitpunkt der Therapie, ein ausgeprägter Mangel an Blutplättchen und weißen Blutkörperchen im Blut sowie Schwangerschaft oder Stillzeit.

MODERATOR: Der Experte macht eine kurze Pause. Wir setzen die Beantwortung Ihrer Fragen in wenigen Minuten fort.

Mahr : Das klingt ja alles viel versprechend, was diese Radioimmuntherapie angeht, aber ich würde auch gern mal was über Nebenwirkungen wissen?

PD DR. SCHOLZ: Die Nebenwirkungen hatte ich weiter oben schon beschrieben. Diese sind insbesondere Blutbildveränderungen und in seltenen Fällen allergische Reaktionen. Wir haben bisher keine Hinweise, dass die Rate an Zweitkrebserkrankungen höher liegt, als nach einer normalen Chemotherapie. Insgesamt handelt es sich um ein gut verträgliches Medikament, von dem der Patient eigentlich relativ wenig bemerkt.

UWE_TOBEN : Kann eine einmal geheilte Non Hodgkin Erkrankung auch ein zweites Mal auftauchen, und macht das dann die gleichen Symptome wie beim ersten Krebs?

PD DR. SCHOLZ: Eine Wiedererkrankung durch ein Non-Hodgkin-Lymphom ist in der Tat auch nach vielen krankheitsfreien Jahren möglich. Die Symptome müssen dabei nicht die gleichen sein. Wir beobachten bei Lymphomerkrankungen ganz häufig, dass die Patienten wenig Symptome haben und beispielsweise nur wegen einer Schwellung unter den Armen oder am Hals zum Arzt gehen, die sich dann als Lymphknotenschwellung und nach Punktion oder Herausnahme des Lymphknotens als Non-Hodgkin-Lymphom herausstellt. Typische Lymphomsymptome sind die so genannten B-Symptome. Dabei handelt es sich um Temperatur über 38,0 Grad ohne Infekt über einen längeren Zeitraum, Nachtschweiß, der so ausgeprägt ist, dass man beispielsweise das Bettzeug wechselt oder einen Gewichtsverlust, der mehr als 10 % des Körpergewichts umfasst und innerhalb eines Zeitraums von maximal 6 Monaten auftritt, ohne dass man abnehmen will. Beim Auftreten derartiger Symptome oder falls man an seinem Körper Raumforderungen ertastet, die neu oder störend sind oder falls es zu einer rasch auftretenden ausgeprägten Mattigkeit kommt, sollte man einen Arzt konsultieren. Dies gilt insbesondere, wenn man bereits eine bösartige Erkrankung hatte.

Handrock : Mein Vater hat eine sehr erfolgreiche konservative Therapie mit Chemo und Antikörpern abgeschlossen. Es geht ihm bestens, wir sind der Meinung und diese wurde uns ärztlicherseits so gesagt, er sei gesund. Dennoch bleibt immer die Sorge eine Rückfalls. Kann die RIT auch vorbeugend eingesetzt werden?

PD DR. SCHOLZ: Um zum konkreten Fall Ihres Vaters eine Aussage zu machen, müsste ich die genauen Umstände seiner Erkrankung kennen, d. h. die Lymphomuntergruppe, das Stadium der Erkrankung und das Ansprechen auf die Chemoimmuntherapie. Wie schon weiter oben dargelegt, gibt es beim follikulären Lymphom nach erfolgreicher Chemoimmuntherapie durchaus auch bei Erreichen einer vollständigen Remission Patienten, die von einer Chemoimmuntherapie profitieren könnten. Das sind insbesondere Patienten mit Risikofaktoren und das sind beim follikulären Lymphom ein Alter über 60 Jahre, ein weit fortgeschrittenes Stadium III oder IV, eine über die Norm erhöhte LDH oder eine Blutarmut oder ein Befall von mehr als vier Lymphknotenstationen. Anhand dieser Risikofaktoren wird mit Hilfe eines Prognosescores (auch genannt FLIPI) errechnet, ob ein Patient ein follikuläres Lymphom mit niedrigem, mittlerem oder hohem Risiko hat. Insbesondere bei Patienten mit hohem Risiko würde ich nach erfolgreicher Chemoimmuntherapie eine Konsolidierung mit Radioimmuntherapie empfehlen. Der Abstand zwischen der Chemoimmintherapie und Radioimmuntherapie sollte jedoch nicht zu lang sein, d. h. nicht länger als drei Monate betragen. Im Grunde handelt es sich in so einem Fall natürlich um eine Therapie, die einem raschen Rezidiv vorbeugen soll. Leider kann man weder nach der Chemoimmuntherapie noch nach einer solchen zusätzlichen Radioimmuntherapie davon ausgehen, dass ein Patient mit einem follikulären Lymphom geheilt ist. Die Erkrankung wird mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann, möglicherweise aber erst nach Jahren, wiederkommen.

Fahrenkrug : Gibt es Spätfolgen der Rit?

PD DR. SCHOLZ: Sowohl nach Chemotherapie als auch nach der Radioimmuntherapie gibt es die von uns sehr gefürchtete Spätfolge einer Zweitkrebserkrankung. Hierbei handelt es sich insbesondere um das Auftreten eines myelodysplastischen Syndroms (MDS) bzw. einer sekundären akuten myeloischen Leukämie (AML). Das MDS ist eine Blutbildungsstörung, die zu einer AML entarten kann. Das sind beides sehr schwere Erkrankungen. Das Risiko nach einer Chemotherapie eine derartige Erkrankung zu bekommen, liegt im unteren einstelligen Prozentbereich. Die Daten, die es zur Radioimmuntherapie hierzu gibt, stammen sämtlich von Patienten, die bereits eine Chemotherapie erhalten hatten und diese Daten haben keinen Anstieg des Prozentsatzes gegenüber dem gezeigt, was wir nach einer Chemotherapie erwarten würden. Wir denken somit, dass es zwar auch nach Radioimmuntherapie bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten zu derartigen Spätfolgen kommen wird, es gibt jedoch bisher keine Daten, die uns zeigen, dass das Risiko höher als nach einer konventionellen Chemotherapie ist. Nach Radioimmuntherapie sind weitere Chemotherapien möglich, allerdings macht es Sinn die Chemoimmuntherapie relativ früh in der Behandlung einzusetzen, weil man eine ausreichende Blutbildung braucht, um diese Therapieart durchzuführen und man anders als bei normalen Chemotherapien einen geringeren Spielraum für die Verminderung der Dosis hat.

Osnabrück : Auf was muss ich mich als Patienten einstellen, wie läuft eine Radioimmuntherapie ab, wie viele Tage dauert das, was passiert wann?

PD DR. SCHOLZ: Wie bereits weiter oben beschrieben, erhalten Sie am Tag 1 dieser Therapie einen nicht mit einem Radionuklid markierten, kalten Antikörper und am Tag 8 erneut diesen kalten Antikörper und anschließend den mit 90Yttrium markierten Ibritumomab Antikörper. Die Therapie wird vollkommen ambulant durchgeführt und ist mit Abschluss der Gabe am 8. Tag beendet. Anschließend müssen für die nächsten 12 Wochen einmal wöchentlich stattfindende Blutbildkontrollen durchgeführt werden. Sechs Monate nach Therapie sollte man die erste bildgebende Kontrolle des Ansprechens durchführen (z. B. Computertomographie). Wir sehen jedoch eine Verbesserung des Ansprechens bis zu einem Jahr nach Gabe von 90Y-Zevalin. Trotzdem beobachten wir auch bei dieser Therapie schon häufig nach wenigen Tagen ein erhebliches Ansprechen.

Güzel : Ich möchte gern verstehen, wie die Behandlung mit der RIT funktioniert, weil doch das befallene Gewebe im ganzen Körper verteilt ist? Da bekommt man doch die radioaktiven Teilchen gar nicht überall hin.

PD DR. SCHOLZ: Auch wenige Milligramm Antikörper, die bei der Therapie mit 90Y-Zevalin verabreicht werden, stellen eine enorme Menge an Antikörpern (Eiweißen) dar. Diese Antikörper werden in das Blut gespritzt und können sich deshalb im ganzen Körper verteilen. Der Vorteil an der Radioimmuntherapie ist, dass nicht nur die Zelle zerstört wird, an die der Antikörper direkt bindet, sondern auch Lymphomzellen im Umkreis von 5 mm um diese Zelle herum. Dieser Effekt wird Kreuzfeuer-Effekt genannt und stellt einen wesentlichen Vorteil der Radioimmuntherapie gegenüber einer Therapie mit einem nicht markierten Antikörper dar. Die radioaktiven Teilchen gekoppelt an den Antikörper müssen dadurch nicht jede Lymphomzelle selbst erreichen.

Homilius : Woher weiß man, an welcher Stelle die aufgeladenen Teilchen platziert werden müssen?

PD DR. SCHOLZ: Die radionuklid markierten Antikörper werden z. B. in eine Armvene gespritzt und finden ihren Weg mit dem Blut. Eine gezielte Gabe, etwa in einen befallenen Lymphknoten, ist nicht notwendig. Da es sich bei 90Yttrium um einen Betastrahler handelt, kann man die Verteilung des Antikörpers nicht von Außen messen, vor Zulassung von 90Y-Zevalin erfolgten jedoch Untersuchungen mit einem Gamma-Strahler 111 Indium gekoppelt an Ibritumomab und hierdurch ließ sich die Verteilung von Zevalin im Körper darstellen. Das war insbesondere wichtig, um zu schauen, ob einzelne Organe, insbesondere die Milz, einer außergewöhnlich hohen Strahlenbelastung ausgesetzt sind. Da diese Untersuchung (Dosimetrie) keinen Hinweis auf eine derartige Gefahr gezeigt hat, ist sie mittlerweile nicht mehr nötig.

Rita : Radioimmuntherapie klingt gefährlich nach radioaktiv. Ich habe vor 2 Jahren bei einer Prostatbehandlung radioaktiv aufgeladene Teilchen eingesetzt bekommen und musste mich mehrere Wochen fern halten von anderen Menschen. Ganz besonders von den Enkelkindern. Habe ich auch gemacht. Ist das bei Radioimmunth. auch so?

PD DR. SCHOLZ: Natürlich ist die Radioimmuntherapie mit 90Y-Zevalin radioaktiv, allerdings handelt es sich um einen Betastrahler, der nicht nach Außen strahlt. Deshalb kann diese Therapie auch ambulant durchgeführt werden. Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Umwelt und andere Menschen sind nicht notwendig.

G.Vogel : Ist das richtig: Je langsamer sich die malignen Zellen teilen,(je indolenter das Lymphom), desto weniger greift eine Chemo oder gar RIT ?

PD DR. SCHOLZ: Indolente Lymphome zeichnen sich in der Tat durch eine geringere Wachstumsrate als aggressive Lymphome aus. In der Regel liegt die Anzahl der in Teilung begriffenen Zellen bei indolenten Lymphomen unter ca. 40 %. Das heißt jedoch nicht, dass diese langsam wachsenden Lymphome nicht sehr gut auf eine Chemoimmuntherapie oder Radioimmuntherapie ansprechen. Wir sehen auch bei langsam wachsenden Lymphomen schon nach wenigen Wochen eine ganz erhebliche Größenverminderung. Es ist jedoch so, dass nach dem heutigen Kenntnisstand, indolente Lymphome wie das follikuläre Lymphom nur geheilt werden können, wenn sie in ganz frühem Stadium entdeckt werden. In diesen frühen Stadien I und II ist entweder nur ein Lymphknoten oder wenige Lymphknoten auf einer Seite des Zwerchfells betroffen und die Therapie der Wahl ist eine Bestrahlung von Außen. Insbesondere im Stadium I kann man auf diese Art und Weise einen Teil der Patienten wohl heilen. Im Stadium III und IV eines follikulären Lymphoms ist mit den uns aktuell zur Verfügung stehenden Therapiearten eine Heilung sehr wahrscheinlich nicht möglich. Neben den follikulären Lymphomen im Stadium I kann man auch beispielsweise Maginalzonenlymphome des Magens im Stadium I zum größeren Teil heilen. Da hier der Verursacher das Bakterium Helicobakter pylori ist, reicht hier häufig schon eine Zerstörung des Bakteriums mit zwei Antibiotika und einem Protonenpumpenblocker aus. Maginalzonenlymphome in diesem Stadium, die nicht auf eine derartige medikamentöse Therapie reagieren, können kurativ (mit Aussicht auf Heilung) bestrahlt werden.

PD DR. SCHOLZ: Ich bedanke mich ganz herzlich für die sehr interessanten Fragen und für das Interesse, welches Sie dieser Sprechstunde entgegengebracht haben. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Antworten weitergeholfen habe. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!



Ende der Sprechstunde.