Multiples Myelom: Diagnose und Behandlung des multiplen Myeloms

Dr. med. Hans Salwender
Leitender Oberarzt
Hämatologie, internistische Onkologie und Palliativmedizin

Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1
22763 Hamburg

Tel.: (0 40) 18 18 81 - 0
Fax: (0 40) 18 18 81 - 49 22

info.altona@asklepios.com

www.asklepios.com/altona

Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg

PROTOKOLL

Multiples Myelom: Diagnose und Behandlung des multiplen Myeloms

PetraIng: Ist es sinnvoller, nach einer Hochdosis mit Stammzellenrückgabe eine Erhaltungstherapie zu machen, wenn die Werte in Normbereich liegen? Oder ist es sinnvoller, erst mal keine Behandlung zu machen, damit die Medikamente im Fall des Ansteigens der Werte dann besser (und ggf. länger) wirken?

Dr. med. Hans Salwender: Ganz aktuell wurden hierzu Daten präsentiert, bei der die Ergebnisse mehrerer großer Studien zusammen gefasst wurden. Bei dieser sogenannten Metaanalyse zeigte sich, dass der frühzeitige Einsatz der Erhaltungstherapie, in diesem Fall des Revlimid, das krankheitsfreie, vermutlich sogar das Gesamtüberleben, um mehrere Jahre verlängern kann. Hier hatten in dieser Studie insbesondere Patienten profitiert, deren Werte im Normbereich lagen. Dies gilt insbesondere für Patienten mit einem genetischen Standardrisiko.

Angelika 53: Diagnose Iga Lambda 2180.5% infiltriertes Knochenmark...asymptomatisches myelom. ..Behandlung bisher keine..3 monatige Kontrolle. ...Werte seit 1.Jahr stabil....nun habe ich gehört das Iga werte schwieriger zu behandeln sind..Wenn ja...Warum und muss ich mit einer komplizierteren Behandlung rechnen?

Dr. med. Hans Salwender: Die Behandlung von IgA und IgG-Myelomen ist grundsätzlich gleich. Grundsätzlich haben Patienten mit einem IgA-Myelom - rein statistisch - tatsächlich ein etwas erhöhtes Rückfallrisiko gegenüber Patienten mit einem IgG-Myelom. In Ihrem Fall besteht meines Erachtens noch keine Behandlungsbedürftigkeit. Mit 5% Knochenmark-Infiltration besteht möglicherweise noch nicht einmal ein Multiples Myelom. Tatsächlich haben Patienten mit einem IgA-Myelom oder einer monoklonalen Gammopathie ein erhöhtes Risiko für einen Übergang zur Behandlungsbedürftigkeit. Hierbei ist das Risiko des Übergangs zum Beispiel nicht 10% pro Jahr, sondern vielleicht 15% pro Jahr. D.h., durch den IgA-Typ allein ist das Risiko nicht dramatisch verändert.

Kiki: Mein Mann hatte 2014 eine HD-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation. Seine Werte sind jetzt nicht gerade optimal, die Ärzte sprechen aber dennoch nach wie vor von einer Remission. Trotzdem ist nun ein Oberarmknochen gebrochen und man hat in der Biopsie wieder Krebszellen festgestellt. Die Blutwerte meines Mannes haben sich aber nach wie vor nicht wesentlich verändert. Wie kann das ein? Unsere Sorge ist nun, dass an anderen Stellen auch Knochen jederzeit brechen können. Was für Behandlungsmöglichkeiten gibt es, speziell auf unsere Situation bezogen?

Dr. med. Hans Salwender: In seltenen Fällen gibt es tatsächlich die Situation, dass die Erkrankung am Skelett voranschreitet, obwohl die Blut- und Urinwerte stabil bzw. in einer Remission erscheinen. In so einer Situation ist es notwendig, nochmals einen Status zum gesamten Skelett zu erheben, z.B. mittels CT. Für die Mehrheit der Patienten spricht allerdings eine stabile Erkrankung im Blut auch für eine stabile Erkrankung am Knochen bzw. im Knochenmark. Die Therapie unterscheidet sich hierbei nicht wesentlich von einer fortschreitenden Erkrankung, welche mittels Blutwerten festgestellt wird. Die Therapie bzw. der Therapieerfolg sind nur eben schwerer zur kontrollieren. Wenn es sich um eine fortschreitende Erkrankung "nur" an einer Stelle der Knochen handelt, ist auch eine Strahlentherapie in ausgewählten Fällen sinnvoll.

Pilatus: Wir müssen uns gerade mit vielen Folgeerkrankungen vertraut machen. Sehr komplex. Das macht alles noch viel beängstigender. Was ist eine Monocytose? Und was ist eine Neutropenie?

Dr. med. Hans Salwender: Eine Monocytose ist eine Vermehrung einer speziellen Untergruppe der weißen Blutkörperchen, welche z.B. im Zusammenhang mit Infektionen auftreten kann, oder im Rahmen der Erholung des Knochenmarks. Eine Neutropenie ist eine häufige Begleiterscheinung im Rahmen von Chemotherapie oder auch bei der Therapie mit Revlimid und Pomalidomid. Bei Vorliegen einer Neutropenie besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Helena_Milent: Nach Rückfall, einer erfolgreiche SZT und einer 6jährigen Remission raucht mein Vater wieder. Ich finde das unfassbar. Wie wirkt sich das möglicherweise aus?

Dr. med. Hans Salwender: Rauchen ist grundsätzlich schlecht. Bei Erkrankungen des Immunsystems, wie dem Multiplen Myelom, wird die Lebenszeit begrenzt durch das Auftreten schwerwiegender Infektionen. Dieses Risiko wird durch Rauchen zusätzlich erhöht.

Ferra: Bin Neupatient mit frisch diagnostiziertem Multiplem Myelom Stadium IIA. Gegenwärtig sauge ich alle Informationen auf. Zentrale Frage: Wie wichtig ist eine 2. oder sogar 3. Meinung für die Therapie-Planung? Das hängt davon ab, wie umfassend und verständlich die Erstmeinung war und wie viel Vertrauen Sie zu Ihrem Arzt haben. An einzelnen Stellen der Therapieentscheidung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, weswegen eine Zweitmeinung vielleicht sinnvoll sein könnte. Als "Neupatient" sollten Sie sich zusätzlich noch an eine Selbsthilfegruppe wenden.  

Thomas+Schmitz: Mein Vater ist in einer Antkörpertherapie und soll zusätzlich eine Stosstherapie bekommen. Was bewirkt die? Wie belastend ist das für wie lange? Wenn diese Dinge besser weiß, kann ich ihm beistehen und damit helfen, dass er die Belastungen besser durchsteht.

Dr. med. Hans Salwender: Grundsätzlich ist es sinnvoll diese Fragen mit seinem behandelnden Arzt zu besprechen. Möglicherweise ist mit der "Stosstherapie" eine zeitlich begrenzte, meist 4 Tage, Cortisontherapie gemeint, die man entweder zur Überbrückung oder für einen rascheren Therapieerfolg einsetzen könnte. Diese meist hochdosierte Cortisontherapie wird aber relativ schlecht vertragen, weswegen man sie nicht langfristig verabreicht. Ohne weitere Details ist es aber tatsächlich schwierig, konkretere Angaben zu machen. Sinnvoll ist es, sich hierzu auch mit anderen Betroffenen auszutauschen, z.B. in einer Selbsthilfegruppe.

Christina_Ortlepp: Aufgrund einer Schilddrüsenerkrankung ist mein Bruder in regelmäßiger Kontrolle. Alle 3 Monate werden seine Blutwerte bestimmt. Alles in Ordnung, auch Nieren und Leberwerte. Nichts auffälliges. Wie ist es möglich, dass es dann doch plötzlich heisst: Multiples Myelom. Gibt es da vorher keinen Hinweis im großen Blutbild (liegt weniger als 20 Wochen zurück)?

Dr. med. Hans Salwender: Tatsächlich ist es so, dass man im großen Blutbild Veränderungen, die auf ein Multiples Myelom schließen lassen, erst bei weiter fortgeschrittener Erkankung sieht. Früher fanden sich Hinweise auf das MM z.B. im Rahmen der Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, die viele Hausärzte routinemäßig in ihrem kleinen Labor machten. Heutzutage wird hierauf allerdings meist zu Gunsten des vermeintlich besseren CRP verzichtet. Dieses zeigt ein MM aber nicht an. Sie müssten also um das MM zu entdecken spezielle Eiweißuntersuchungen im Blut oder Urin durchführen.

Toni_Holm: Wovon ist die Entscheidung für oder gegen eine Allogene vs. Autologe Transplantation abhängig?

Dr. med. Hans Salwender: Es gibt international wenig eindeutige Empfehlungen zur Durchführung einer allogenen Transplantation. Ganz im Gegensatz zur autologen Transplantation, die von allen Studien- bzw. Expertengruppen empfohlen wird. Allenfalls kann die allogene Transplantation für einzelne junge Patienten in speziellen Situationen erwogen werden. Da es hierzu aber sehr unterschiedliche Meinungen in Deutschland gibt, ist hierbei meines Erachtens die Einholung einer Zweitmeinung sinnvoll.

OPL: Was sagt das über die Schwere der Erkrankung aus? IgG 2960 mg/dl, Hämoglobin 119 g/l, Serumkalzium 2,39 mmol/l, Gesamteiweiß 7,3 g/l (davon 40% Beta-Globulin, nur 4% Gamma-Globulin)

Dr. med. Hans Salwender: Wenig. Das Multiple Myelom wird nicht nur aufgrund der Existenz des Multiplen Myeloms behandelt, sondern nur beim zusätzlichen Vorliegen von Organschäden bzw. bei unmittelbarer Gefahr für Organschäden. Hierfür sprächen ein erhöhtes Kreatinin, ein deutlich vermindertes Hämoglobin, ein erhöhtes Serumkalzium oder Veränderungen im CT bzw. MRT der Knochen. Auch eine hochgradige Knochenmarkinflitration oder stark erhöhte Leichtkettenmenge im Serum können ein Hinweis auf Behandlungsbedürftigkeit sein. Die alleinige Erhöhung des IgGs oder eine Verschiebung in der Eiweißelektrophorese stellen keinen Grund zur Behandlung dar. D.h. keiner der von Ihnen genannten Punkte stellt für sich allein genommen eindeutig einen Behandlungsgrund dar. Die "Schwere" der Erkankung würde bei Behandlungsbedürftigkeit von anderen Faktoren wie z.B. der genetischen Analyse der Plasmazellen oder z.B. von dem sogenannten ISS-Score abhängen.

Riccardo: Was leistet das Medikament Kyprolis (Carfilzomib)?

Dr. med. Hans Salwender: Das Medikament Carfilzomib ist eines der neuesten Medikamente bei der Behandlung des Multiplen Myeloms. Es ist derzeit zugelassen für die Behandlung des Rückfalls der Erkrankung. Es ist dem bereits seit vielen Jahren bekannten Bortezomib ähnlich, verursacht aber nicht die vom Bortezomib bekannten Nervenschäden. Bei Patienten mit einem Rückfall scheint das Carfilzomib zudem wirksamer zu sein als das Bortezomib.

Jan: Wird ein asymptomatisches Myelom immer symptomatisch? Oder bleiben manche auch immer asymptomatisch?

Dr. med. Hans Salwender: Einige bleiben auch immer asymptomatisch. Das Risiko eines Übergangs von einem asymptomatischen zu einem symptomatischen Myelom beträgt ca. 10% pro Jahr. Das bedeutet aber nicht, dass Sie nach 10 Jahren ein 100% Risiko hätten. Eine meiner Patientinnen erkrankte bereits vor 20 Jahren an einem asymptomatischen Myelom und wurde bis heute nicht symptomatisch mit dem Multiplen Myelom.

Marina Ott: Das Multiple Myelom ist ja nicht so häufig. Da fragt man sich schon, warum es ausgerechnet meine Mutter treffen muss. Die Krankheit ist schon fortgeschritten, wurde also ziemlich spät entdeckt. Problem ist jetzt, dass ihre Nieren nicht mehr richtig mitmachen und sie an die Dialyse muss. Ist das die Folge der Krankheit oder der Chemo? Vielleicht gibt es eine andere sinnvolle Behandlung?

Dr. med. Hans Salwender: Bei einem Teil der Patienten kommt es im Rahmen der Erkrankung zu einer Nierenfunktionseinschränkung. Hierbei gibt es verschiedene Ursachen. Meistens handelt es sich um Ablagerungen der sogenannten Leichtketten in der Niere. Dennoch kann es natürlich sein, dass insbesondere bei älteren Menschen auch andere Ursachen für eine Nierenschädigung (parallel) vorliegen, wie z.B. langjähriger Bluthochdruck oder Diabetes Mellitus. Ein zusätzliches Risiko für eine Nierenfunktionseinschränkung stellt ein Flüssigkeitsmangel im Körper dar bzw. die Einnahme größerer Mengen spezieller Schmerzmittel wie z.B. Ibuprofen im Rahmen der Schmerzen die durch Knochenveränderungen entstehen können. Die verwendeten Medikamente zur Behandlung des Multiplen Myeloms sind in aller Regel nicht nierenschädigend.

Betty_Schürmann: Stimmt es, dass beim M-Myelom eine allogene Stammzelltransplantation erfolgreicher ist, als eine autologe? Warum ist das so? Beim NHL ist gerade anders herum. Was für Qualitäten muss ein Spender haben?

Dr. med. Hans Salwender: Die allogene Stammzelltransplantation kommt nur für sehr spezielle Situationen bei jungen Patienten in Frage und stellt in der Regel keine Konkurrenz zur autologen Transplantation dar. Die autologe Transplantation ist die Standardbehandlung bei Patienten mit einem biologischen Alter bis 70 Jahre.

Franz.March: Sollte mein Vater an einer Grippe-Impfung teilnehmen? Erstes Auftreten der Krankheit (MM) vor 8 Jahren mit Chemotherapie. Rückfall nach 5 Jahren mit Hochdosis und Stammzelltransplantation. Seither symtomfrei.

Dr. med. Hans Salwender: Ja. Grundsätzlich ist bei Patienten mit einem Multiplen Meylom die Grippeschutzimpfung anzuraten. Durch den Immundefekt beim Multiplen Myelom ist allerdings der Nutzen der Impfung weniger zuverlässig. Deshalb kann es sinnvoll sein, auch die Kontaktpersonen des Patienten gegen Grippe zu impfen, damit diese den MM-Patienten nicht anstecken.

Sengelmann: Ich habe eine Thalidomid-Therapie erhalten, gegen die ich mich anfangs sehr gewehrt habe, wegen verständlicher Gründe. Irgendwann waren die Argumente besser und ich habe mich geschlagen gegeben. Es ging damit 2 Jahre ziemlich gut. Aber jetzt wirkt das nicht mehr richtig und es steht ein Wechsel an. Was kann sich nach Sicht des Experten als Behandlung anschliessen?

Dr. med. Hans Salwender: Das hängt natürlich davon ab, was Sie vor der Behandlung mit Thalidomid hatten und wie Sie diese Vortherapie vertragen haben. Es gibt heute eine große Zahl älterer und neuerer Substanzen die teilweise alleine und meist in Kombination nach dem Versagen einer Thalidomid-Therapie eingesetzt werden können. Diese große Zahl macht es möglich, das sinnvollste Medikament in Abhängigkeit von den Begleiterkrankungen aber auch von den Lebensbedingungen des Patienten abhängig zu machen.

Edi_Schütze: Bisher bin ich mit Velcade recht erfolgreich behandelt worden. Allerdings gab es einen großen Nachteil, der von meinem Onkologen auch ganz klar der Behandlung zugeordent wurde: Ich habe heftige, stärker werdende Schmerzen in den Füßen und zum Schluss auch in den Beinen. Deshalb soll ich jetzt auf eine neuere Therapie umgestellt werden. Aber was ist, wenn die auch nicht länger „hält“? Es kommen ja nicht alle zwei Jahre neue Medikamente auf den Markt. Bin ich dann am Ende angekommen?

Dr. med. Hans Salwender: In den letzten zwei Jahren kamen 6 neue Substanzen auf den Markt. Es ist ja nicht so, dass die Therapie mit Velcade nicht mehr "hält", sondern, dass diese von Ihnen geschilderten Begleitphänomene auftraten. Diese sind bei einer Vielzahl anderer Substanzen nicht zu erwarten. D.h. man kann jetzt auf eines dieser anderen Medikamente wechseln in der Hoffnung, dass Sie damit mehrere Jahre erfolgreich behandelt werden können. Sollte dann erneut ein Therapiewechsel, z.B. aufgrund mangelnder Wirksamkeit notwendig werden, könnten wir wie gesagt bereits heute auf eine Vielzahl alternativer Substanzen zurückgreifen.

Gockschul: Nach Stammzeltransplantation und dem damit verbundenen Vor- und Nachprogramm geht es mir inzwischen wieder respektabel und ich entwickele – sehr langsam - wieder Lebensfreude. Wie lange hält so eine Behandlung vor, oder kann ich evtl. sogar davon ausgehen, dass ich geheilt bin? Wie immer man das definiert. Wenn nicht, was kommt bei einem Rückfall in Frage?

Dr. med. Hans Salwender: Nach einer heute üblichen Hochdosis-Therapie, möglicherweise erst Recht unter Hinzunahme einer Erhaltungstherapie, werden Sie - rein statistisch - eine Reihe von Jahren krankheitsfrei sein. Im konkreten Fall ist allerdings ein bestimmter Zeitraum sehr schwer zu benennen. Ich habe Patienten, die bereits nach 6 Monaten einen Rückfall erleiden, aber auch solche die nach über 15 Jahren, bis heute, auch ohne neue Substanzen, keinen Rückfall erlitten haben. Diese letztgenannten Patienten könnten tatsächlich geheilt sein. Wir rechnen damit, dass unter Hinzunahme der heute verfügbaren neuen Substanzen, der Anteil der Patienten, die keinen Rückfall erleben - umhin geheilt sind - steigen wird. Bei einem Rückfall stehen heute bereits eine Vielzahl von Therapiealternativen zur Verfügung, beginnend mit reinen Tablettentherapien über sehr wirksame Therapien, die über die Vene verabreicht werden, bis hin zu einer erneuten Stammzelltransplantation, falls die erste Transplantation sehr erfolgreich verlaufen ist.

Tayfur: Mit 28 Jahren wurde bei mir eine asymptomatische Vorform des Multiplen Myeloms festgestellt. Damit war die Erklärung für meine ständige Müdigkeit und auch wechselnde Knochenschmerzen da. 10 Jahre bin ich recht gut damit zurecht gekommen. Jetzt ist die Krankheit richtig ausgebrochen. Bisher habe ich das verdrängt, aber nun geht das nicht mehr. Meine Recherchen führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen von Überlebenszeit, 2 Jahre bis …. Mehr als 20jährige „Krankheitskarrieren“. Sprechend die Patienten von der gleichen Krankheit. Wovon hängt die Perspektive ab?

Dr. med. Hans Salwender: Zunächst einmal bedeutet asymptomatische Vorform, dass Sie auch keine durch das Myelom bedingten Knochenschmerzen haben dürften. Zum zweiten ist beim Multiplen Myelom, ganz im Gegensatz zu Krebserkrankungen von z.B. Lunge oder Darm, die Lebenszeit nicht oder zumindest nicht nur vom Ausmaß der Erkrankung abhängig. Die Lebenszeit wird in der Regel durch das Auftreten schwerwiegender Infektionen begrenzt. Mit etwas Glück und jeweils raschem Handeln beim Auftreten von Infektionen, können selbst Patienten mit am Anfang weit fortgeschrittener Erkrankung viele Jahre, teilweise Jahrzehnte leben. Deshalb kommt es zu dieser großen Bandbreite an Überlebenszeiten. Darüber hinaus hat sich die Prognose von Patienten mit einem Multiplen Myelom in den letzten 20 Jahren drastisch verändert. Des Weiteren hängt es etwas davon ab, von wann Sie diese "Krankheitskarriere" messen. Es gibt Patienten die bereits 10 Jahre, wie Sie, noch nicht einmal behandlungsbedürftig waren. Aber tatsächlich haben wir heutzutage einen großen Anteil von Patienten, der es schafft, bei Behandlungsbedürftigkeit, weit über 10 Jahre zu überleben. Nochmals: Voraussetzung hierfür ist das rasche Handeln bei Auftreten von Infektionen.

Dieter-Klebsch: Die Lebenserwartung ist nicht gut. Das wissen wir. Liegt das an der Krankheit, oder daran, dass es zu wenig Forschung gibt, weil nicht genügend Menschen am MM erkranken? Die meisten leben ja nur maximal 2 Jahre nach Diagnosestellung. Ich habe aber eine Frau kennengelernt, die schon mehr als vier Jahre damit lebt. Ist das die Ausnahme?

Dr. med. Hans Salwender: Die Prognose von Patienten mit Multiplen Myelom hat sich in den letzten 20 Jahren dramatisch verbessert. Ein Patient, der heute neu erkrankt, und aufgrund seines Alters und Begleiterkrankung keine Einschränkung bei der Therapie hat, hat eine ca. 50% Chance 10 Jahre und mehr zu überleben. Die vielen Medikamente, die sich aktuell noch in von uns durchgeführten Studien befinden, geben Anlass zur Hoffnung, dass sich diese Zeitspanne rasch noch weiter verlängern lässt, oder wir einen zunehmend großen Teil von Patienten in naher Zukunft heilen können. Obwohl die Erkrankung relativ selten ist, werden insbesondere in hoch spezialisierten Zentren viele Patienten in Studien behandelt, die in den letzten Jahren dazu führten, dass eine Großzahl neuer, hochwirksamer Therapien zugelassen wurde. Meines Erachtens wurden in den letzten Jahren die größten Erfolge bei der Behandlung von Krebserkrankungen bei der Behandlung des Multiplen Myeloms erreicht.



Ende der Sprechstunde.